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Deutsche Wirtschaft bleibt Konjunkturlokomotive in Europa

Um 0,3 Prozent ist die deutsche Wirtschaft im zweiten Quartal gewachsen. Damit bleibt Deutschland Konjunkturlokomotive. Ein Abgleiten der Eurozone in die Rezession konnte Deutschland allerdings nicht verhindern.

Von Brigitte Scholtes |
    Die deutsche Wirtschaft hat im zweiten Quartal besser abgeschnitten als von den meisten Ökonomen erwartet. Gegenüber dem Vorquartal legte das Bruttoinlandsprodukt preis-, saison- und kalenderbereinigt um 0,3 Prozent zu. Aber das Wachstum schwächte sich gegenüber dem ersten Vierteljahr ab, da war es noch um 0,5 Prozent gestiegen. Das Wachstum ruht auf zwei Säulen, sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank:

    "Wir sehen die großen Stützen, die sind die Ausfuhr vor allen Dingen in Länder außerhalb Europas. Die zweite Stütze ist der private Verbrauch, vor allen Dingen der private Wohnungsbau."

    Dabei stiegen die Exporte stärker als die Importe. So habe der Effekt rückläufiger Investitionen kompensiert werden können, teilte das Statistische Bundesamt mit. Die Entwicklung liege innerhalb der Erwartungen, sagte Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler. Doch weil das europäische und weltwirtschaftliche Umfeld schwierig bleibe, sei es wichtig, Wachstumsimpulse zu setzen und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Vorsichtig bleibt auch Thomas Mayer, Senior Fellow am Center for Financial Studies und Berater der Deutschen Bank:

    "Es nimmt allerdings nicht die Sorge weg, dass das zweite Halbjahr doch deutlich schwächer ausfallen könnte. Und ich denke, dass wir uns im zweiten Halbjahr nahe der Stagnation, also 0,1 Prozent, bewegen würden, sodass wir übers Jahr insgesamt eine Wachstumsrate von etwa 0,45 Prozentpunkten herauskommen könnte."

    Deutschland schafft es mit seinem Wachstum aber nicht, die Eurokrise vor einer Rezession zu bewahren: Denn im Euro-Währungsgebiet schrumpfte die Wirtschaft um 0,2 Prozent gegenüber dem ersten Vierteljahr. Zwischen Januar und März hatte das Bruttoinlandsprodukt stagniert, im letzten Vierteljahr 2011 hatte es mit einem Minus von 0,3 Prozent den ersten Rückschlag im Euro-Währungsgebiet seit 2009 gegeben. Die stärkste Zuwachsrate gab es mit 0,7 Prozent in der Slowakei, das Bruttoinlandsprodukt der Niederlande als auch Österreichs legten leicht um 0,2 Prozent zu. Anders, als erwartet, stagnierte die Wirtschaft in Frankreich – Ökonomen hatten einen Rückgang befürchtet. Den aber gab es vor allem in den südeuropäischen Krisenländern, aber auch in Finnland und Belgien.

    Deutschland als größte Wirtschaft der Eurozone bewahrt das Euro-Währungsgebiet vor einem heftigeren Absturz. Aber ob das so bleibt, daran hat Holger Schmieding von der Berenberg-Bank seine Zweifel:

    "Deutschland ist weiterhin eine Konjunkturlokomotive für Europa. Wir sehen, dass die Zahlen für Europa wesentlich weniger schlecht sind, als für den Rest des europäischen Kontinents. Aber natürlich, wenn wir eine ausufernde Vertrauenskrise haben, dann wird auch die Lokomotive erheblich an Geschwindigkeit verlieren und möglicherweise dann über Stillstand dann vielleicht in den Rückwärtsgang kommen."

    Europa entwickelt sich jedoch schwächer als die USA oder Japan. In den USA legte die Wirtschaft im zweiten Quartal um 0,4 Prozent zu, in Japan um 0,3 Prozent gegenüber dem ersten Vierteljahr.