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Deutscher Bauernverband
"Von einer naiven Wolfsromantik verabschieden"

In Regionen, in denen es viele Wölfe gebe, würde Weidetierhaltung zu einem unkalkulierbaren Spiel, sagte der Generalsekretär des Bauernverbandes Bernhard Krüsken im Dlf. Daher müsse man einen Weg finden, den Bestand der Wölfe zu regulieren.

Bernhard Krüsken im Gespräch mit Georg Ehring | 04.10.2017
    Wölfe stehen im Wald hinter Bäumen
    Es gebe Habitate und Regionen in der Republik, die seien gut geeignet für die Wiederansiedlung des Wolfes, sagt Bernhard Krüsken. (dpa / picture-alliance / Bernd Thissen)
    Georg Ehring: Heute ist Welttierschutztag. Der Termin geht auf die Heiligsprechung von Franz von Assisi am 4. Oktober 1228 zurück, denn der sah in Tieren Mitgeschöpfe und nicht einfach nur Sachen.
    Im Grundsatz ist der Tierschutz kaum umstritten, doch bei einem aktuellen Thema stellt sich die Frage, welche Tiere geschützt werden sollen. Wölfe haben sich in den vergangenen Jahren auch in Deutschland ausgebreitet und sie reißen immer wieder Nutztiere, vor allem Schafe, aber längst nicht nur sie. Und Jäger klagen darüber, dass Wildschweine und Damwild durch den Wolf in ihrem Bestand gefährdet werden. Es bleibe nicht bei einzelnen Übergriffen.
    Der Deutsche Bauernverband berät heute in Berlin über den Umgang mit Wölfen und seinen Generalsekretär Bernhard Krüsken habe ich vor dieser Sendung gefragt, wie willkommen ihm der Wolf ist.
    Bernhard Krüsken: Um es vorweg zu sagen: Wir treten nicht auf, um den Wolf auszurotten, oder um die Wiederansiedelung des Wolfes rückgängig zu machen. Was wir aber sehen ist, dass die rasante Bestandsentwicklung des Wolfes dazu zwingt, sich aus dieser naiven Wolfsromantik zu verabschieden, die wir in den vergangenen Jahren gesehen haben. Wir müssen einen Weg finden, den Bestand der Wölfe zu regulieren, dort einzugreifen und das zu managen.
    Ehring: Welche Schäden richtet der Wolf denn an?
    Krüsken: Die erste Schadenskategorie haben Sie gesagt. Es geht um Wolfsrisse. Wir sehen, dass die Tiere natürlich auch ihrer natürlichen Intelligenz folgen und die Schutzmaßnahmen, die es gibt, die man ergreifen kann und die man auch in der Vergangenheit ergriffen hat, immer wieder überwinden. Das macht natürlich jegliche Form der Weidetierhaltung in denjenigen Regionen, in denen der Wolf stark präsent ist, zu einem unkalkulierbaren Spiel.
    "Problem mit Schwerfälligkeit der Abwicklung"
    Ehring: Aber es gibt doch Schadensersatz im Falle von Wolfsrissen. Da zahlt doch der Staat einen Ausgleich im Dienste des Naturschutzes. Können Sie damit nicht leben?
    Krüsken: Der Schadensersatzanspruch, der ist sicherlich gut und richtig. Der wird auch von niemandem in Frage gestellt. Wir haben ein erhebliches Problem mit der Schwerfälligkeit der Abwicklung. Es sind ja pauschalisierte Zahlungen. Was dort nicht abgedeckt ist, das sind Sekundärschäden, die beispielsweise durch ausbrechende Weidetiere verursacht werden.
    Aber noch mal: Man muss das ja nicht sehen von der Situation her, die wir vor drei oder vier Jahren hatten, als es einzelne Rudel gab, sondern wir kommen ja in eine Situation hinein, wo sich der Wolfsbestand in weite Teile der Republik und auch weite Teile der landwirtschaftlich genutzten, mit Weidetierhaltung intensiv genutzten Regionen hinein entwickelt. Und an dem Punkt kann ich nicht mehr sagen, ich mach mal ein bisschen Entschädigung. Es wird dann schlichtweg nicht mehr handhabbar. Sie können nicht ganz Nordwestdeutschland wolfssicher einzäunen. Das geht einfach nicht.
    Ehring: Der Wolf steht ja derzeit noch unter Naturschutz. Wie stellen Sie sich denn eine Lösung vor?
    Krüsken: Das europäische Naturschutzrecht bietet jetzt schon die Möglichkeit, wenn die Population einer geschützten Art stabil ist und eben nicht mehr im Schwinden begriffen ist, oder einen günstigen Erhaltungszustand erreicht hat, dann einzugreifen. Und diese Chance müssen wir jetzt nutzen. Ob der Wolf dazu ins Jagdrecht eingruppiert werden muss, ist eine Frage der Zweckmäßigkeit. Wichtig ist, erst mal den ersten Schritt zu tun und zu sagen, das europäische Naturschutzrecht, so wie es jetzt aufgeschrieben ist, erlaubt schon Bestandsregulierungen, wenn wir einen günstigen Erhaltungszustand haben, und das ist beim Wolf so. Wir haben einen äußerst günstigen Erhaltungszustand und ein Populationswachstum von jährlich 60 Prozent.
    Ehring: Das heißt, es geht Ihnen nicht darum, einzelne Problemwölfe, die sich besonders auf Nutztiere spezialisiert haben, abzuschießen, sondern es geht wirklich darum, den Bestand auch zu regulieren und möglicherweise auch zu reduzieren?
    Krüsken: Wir haben ein Problem mit dem Begriff "Problemwolf". Ich glaube, das ist nur ein anderes Wort für besonders intelligente Wölfe, die sich spezialisieren, und das wird keine Erscheinung von Einzeltieren bleiben. Vor allen Dingen dann nicht, wenn die Population sich weiter ausdehnt. Es gibt Habitate und Regionen in der Republik, die sind gut geeignet für die Wiederansiedlung des Wolfes. Das sind extensiv genutzte Gegenden im Südosten der Republik, Truppenübungsplätze. Aber es gibt eben auch Regionen, wo wir ganz klar sagen, hier wirft der Wolf solche Probleme auf, nicht nur mit den Weidetierhaltungen, sondern auch mit der Bevölkerung, mit den Menschen im ländlichen Raum, dass wir in diesen Regionen sagen müssen, hier regulieren wir die Bestände und versuchen, den Wolf aus diesen Regionen rauszuhalten.
    "Die Frage nach der Sicherheit von Mensch und Tier"
    Ehring: Gibt es denn Berichte, nach denen Menschen wirklich gefährdet wären?
    Krüsken: Man kann jetzt darüber spekulieren, wie lange das dauert, bis so ein Fall auftritt. Ich weiß nicht, ob es eine gute Strategie ist, das eskalieren zu lassen. Wenn man das nämlich tut, dann bleibt am Ende gar keine Akzeptanz mehr für den Wolf, und ich glaube, wir müssen die Akzeptanz dafür erhalten, dass der Wolf in dafür geeigneten Regionen wieder angesiedelt werden kann.
    Ehring: Dem Wolf werden ja auch positive Wirkungen nachgesagt, zum Beispiel Bestandsregulierung bei Rehen und Hirschen, die wiederum dafür sorgen, dass Bäume besser wachsen, weil sie nicht von den Tieren gefressen werden. Sehen Sie das nicht so?
    Krüsken: Deshalb habe ich ja von den Regionen gesprochen, die für eine Wiederansiedlung des Wolfes geeignet sind. Und es mag Biotope und Habitate geben, wo das dann gut funktioniert im ökologischen Kontext. Was dabei noch nicht abschließend beantwortet ist, ist die Frage nach der Sicherheit von Mensch und Tier. Aber Wolfsrudel in der norddeutschen Tiefebene haben damit ja nichts zu tun. Dort gehen keine Wirkungen auf den Wildbestand aus, sondern vor allen Dingen auf den Nutztierbestand, und das ist der Punkt, bei dem wir sagen, das geht nicht.
    Ehring: Bernhard Krüsken war das, der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, über den Umgang mit Wölfen. Das Interview haben wir kurz vor dieser Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.