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Deutscher Bühnenverein fordert für Regisseure Befreiung von der Umsatzsteuer

Wer als Künstler auf der Bühne steht, muss nach geltendem Steuerrecht keine Umsatzsteuer zahlen. Regisseure sind nicht auf der Bühne sichtbar - und sind demzufolge umsatzsteuerpflichtig. "Absurd", sagt Rolf Bolwin vom Deutschen Bühnenverein - und fordert die Politik auf, zu handeln.

Das Gespräch führte Burkhard Müller-Ullrich | 22.02.2012
    Burkhard Müller-Ullrich: Das Steuerrecht ist ein Gebiet, auf dem Wahnsinn und Willkür der Staatsgewalt fast unbeschränkt und ungehindert herrschen – auch in einem demokratischen Rechtsstaat. Eine besonders prächtige Ausgeburt des Steuerrechts ist die Mehrwertsteuer, die unter Kaiser Wilhelm eingeführt wurde, um den Ersten Weltkrieg zu finanzieren, und die, da der zu Ende ist, inzwischen oft und kräftig angehoben wurde und mittlerweile zu allem dient, was der Staat sonst noch finanzieren will. Außerdem heißt sie inzwischen Umsatzsteuer. Nun gibt es neben dem vollen Satz von 19 Prozent vor allem im Kulturbereich auch einen ermäßigten von sieben, und damit beginnt natürlich ein spaßiges Gerangel um die Definition von Kultur. Der Deutsche Bühnenverein findet beispielsweise, dass Theaterregisseure sehr wohl zur Kultur gehören, aber die Finanzbehörden sehen das ganz anders. Frage an Rolf Bolwin, der dem Bühnenverein seit 20 Jahren vorsteht: Was ist der letzte Stand im Kampf um die Umsatzsteuer?

    Rolf Bolwin: Wir haben gegenüber dem Bund, also gegenüber der Bundesregierung, das heißt dem Bundesfinanzminister und dem Staatsminister für Kultur und Medien, unser Interesse geäußert, dass man doch den Regisseur so behandelt wie alle anderen Künstler, die an einer Produktion beteiligt sind und selbstständig tätig sind - um die geht es ja, nicht um die, die einen Arbeitsvertrag haben -, dass sie also genauso wie diese anderen Künstler keine Mehrwertsteuer zahlen. Das ist auch gegenüber den Ländern artikuliert worden und die sind jetzt gefragt, eine Entscheidung zu fällen. Das Problem lässt sich nicht juristisch lösen, das Problem lässt sich nur lösen über die Politik.

    Müller-Ullrich: Wie kommt es denn, dass Regisseure anders behandelt werden als andere Künstler und auch als andere Bühnenkünstler?

    Bolwin: Der Ausgangspunkt war eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Der hat gesagt, man muss die Einzelkünstler so behandeln, wie man die Theater, Orchesterbetriebe und andere Kultureinrichtungen behandelt, nämlich sie von der Mehrwertsteuer befreien. Und danach musste man sich die Frage stellen, nachdem der Europäische Gerichtshof gesagt hat, das ist so, musste man sich die Frage stellen, für welche Künstler gilt das denn. Da hat man zunächst an Schauspieler, Sänger, Tänzer gedacht und hat sie auch von der Mehrwertsteuer befreit. Bei dem Dirigenten war es schwierig. Schließlich hat man gesagt, auch der steht praktisch auf der Bühne und muss genauso behandelt werden. Das ist beim Regisseur anders und deswegen hat man ihn anders behandelt.

    Müller-Ullrich: Also wenn ich Sie richtig verstanden habe, ist das Kriterium: auf der Bühne stehen und dort für das Publikum sichtbar sein.

    Bolwin: Das ist ja das, was die Theateraufführung, weswegen die Theater von der Mehrwertsteuer befreit sind, ausmacht, dass nämlich auf der Bühne etwas stattfindet, und der Regisseur steht eben nicht auf der Bühne. Insofern wurde das zum entscheidenden Kriterium, das ist richtig, ja.

    Müller-Ullrich: ... , was ja relativ absurd ist, weil auch der Regisseur eine künstlerische Leistung vollbringt.

    Bolwin: Das ist absurd, vor allem, wenn man daran denkt, dass er ja auch urheberrechtlich genauso behandelt wird wie Schauspieler, Sänger, Tänzer, Dirigenten. Er hat nämlich kein Urheberrecht, sondern ein Leistungsschutzrecht, und insofern müsste man ihn auch steuerrechtlich hier so behandeln, wie man andere darstellende Künstler, die auf der Bühne stehen, behandelt.

    Müller-Ullrich: Wenn das jetzt vereinheitlicht und dadurch eben auch geändert werden soll – die gegenwärtige Praxis ist sehr zersplittert, jedes Finanzamt entscheidet für sich, was es für richtig hält.

    Bolwin: Im Augenblick ist es so, wenngleich man jetzt beginnt, sich natürlich die Frage zu stellen, wie man die Entscheidung des Bundesfinanzhofes, der ja gesagt hat, dass die Regisseure 19 Prozent Mehrwertsteuer zahlen müssen, wie man jetzt damit umgeht. Bevor es diese Entscheidung gab, war es jedenfalls ein großer Flickenteppich. Es gab Finanzämter, die haben überhaupt keine Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt, es gab solche, die haben sieben Prozent in Rechnung gestellt, einzelne haben 19 Prozent in Rechnung gestellt. Im Prinzip geht das weiter und deswegen muss eben schnell eine Entscheidung der Politik her, das bedeutet insbesondere des Bundesfinanzministers, dass man jetzt den Regisseur genauso behandelt wie die anderen darstellenden Künstler auch.

    Müller-Ullrich: Und ist nicht zu befürchten, dass diese Entscheidung negativ ausgeht – in dem Sinne, dass man in jedem Fall den höchsten Steuersatz wählt?

    Bolwin: Diese Befürchtung haben wir am Anfang gehabt. Es gibt aber aus der Politik deutliche Signale, dass, wenn es eine Vereinheitlichung gibt, sie zugunsten der darstellenden Künstler ausgeht, was hier bedeuten würde, der Regisseur würde auch keine Mehrwertsteuer zahlen.

    Müller-Ullrich: Von wem empfangen Sie denn solche Signale? Wer sind Ihre Gesprächspartner?

    Bolwin: Die Gesprächspartner sind auf der einen Seite der Bund, also insbesondere der Bundesfinanzminister und die Behörde von Herrn Neumann, aber auch die Länder, die ja beim Bühnenverein mit am Tisch sitzen. Wir sind ja nicht nur eine Institution der Theater und Orchester, sondern wir sind eine Institution auch der Gebietskörperschaften, also der Kommunen und der Länder, die diese Betriebe tragen, und insofern haben wir einen direkten Zugang zu den Ländern. Auch hier ist es dringend notwendig, dass die Landesfinanzminister diese Auffassung teilen und sich ebenfalls dafür einsetzen, dass diese Lösung zugunsten der Regisseure zustande kommt.

    Müller-Ullrich: Und zählt nicht letztlich doch immer das Argument des Geldes, das heißt, der Staat ist pleite und der wird nicht auf Einnahmen verzichten wollen?

    Bolwin: Ach wissen Sie, da geht es immer um so wenig Geld, an anderer Stelle wird sehr viel Geld ausgegeben und es wird auch richtigerweise ausgegeben, ich will das gar nicht kritisieren. Die Kultureinrichtungen sind ja nicht diejenigen, die wirklich die Finanzprobleme in diesem Lande verursachen, sie bekommen einen vergleichsweise geringen Beitrag, um ihre künstlerischen Leistungen anzubieten. Und erst recht, wenn wir jetzt über Mehrwertsteuer für Regisseure reden, geht es wirklich um verschwindende Summen. Also das Geldargument kann man hier nicht ins Feld führen.

    Müller-Ullrich: Der Geschäftsführer des Deutschen Bühnenvereins, Rolf Bolwin, über die Frage, was ist ein Künstler in steuerrechtlicher Hinsicht. Danke für die Auskünfte.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.