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Deutscher Musikwettbewerb 2019
Bitte keine Schmalspurmusiker

Beim Deutschen Musikwettbewerb sollen die Teilnehmer nicht nur ihre eingeübten Stücke abspielen, sondern auch eigene Konzertprogramme konzipieren und präsentieren. So sollen sie auf die Realität des Künstlerlebens vorbereitet werden. Einen Preis holten sich in diesem Jahr ein Bariton und zwei Cellisten.

Von Julia Kaiser | 11.03.2019
    Die Preisträger des Deutschen Musikwettbewerbs (v.l.n.r.) Sebastian Fritsch, Konstantin Krimmel, Friedrich Thiele
    Die Preisträger 2019: Sebastian Fritsch, Konstantin Krimmel, Friedrich Thiele (Deutscher Musikwettbewerb / Uwe Niklas)
    Obertongesang auf der Tuba war eine der Entdeckungen, die der Deutsche Musikwettbewerb 2019 möglich machte. Der Tubist Péter Lajos Kánya hat den Wikingergesang "Fnugg" ausgesucht, um sich im Kammerkonzert der frisch gebackenen 27 Stipendienträger des Deutschen Musikrates zum Abschluss des Festivals noch einmal zu präsentieren. Zusätzlich erhält der in Hannover studierende Kánya auch den Sonderpreis des Deutschen Tubaforums - und weiß schon genau, was er mit dem Preisgeld machen möchte.
    "Ich plane, damit mein eigenes Instrument zu kaufen. Dieses, was ich jetzt gespielt habe, ist von der Hochschule. Dafür muss ich noch ein bisschen sparen, aber das ist natürlich eine große Hilfe."
    Instrumente anschaffen, aber auch mit Hilfe des stipendiengebenden Deutschen Musikrates Konzerterfahrung sammeln, oder den eigenen Webauftritt professionalisieren: Die Wettbewerbsteilnehmer stehen an sehr unterschiedlichen Punkten in ihrem Künstlerleben. Aber alle 17 Solisten, Ensembles und Komponisten sind gleichermaßen aufgeregt, als der Juryvorsitzende Oliver Wille ans Mikrofon tritt.
    "Den Preis der Komposition haben wir in diesem Jahr nicht vergeben. Dafür aber dreimal den Preis des Deutschen Musikwettbewerbs, und zwar an Friedrich Thiele, Konstantin Krimmel und Sebastian Fritsch!"
    Preisgeld und viele Auftrittsmöglichkeiten
    Der Bariton Konstantin Krimmel von der Musikhochschule Stuttgart und die beiden Cellisten Friedrich Thiele und Sebastian Fritsch, die beide in Weimar studiert haben, erhalten je ein Preisgeld von 5.000 Euro und eine CD-Aufnahme. Wie die 28 frisch gekürten Stipendiaten erhalten sie Auftrittsmöglichkeiten im Programm der Bundesauswahl 'Konzerte Junger Künstler' mit rund 160 Konzerten jährlich im In- und Ausland.
    Sebastian Fritsch hat dabei nur einen Wunsch, ganz gleich wo.
    "Viel Musik machen. Kein Ort; oder mein Ort ist die Musik. Die Liebe zur Musik habe ich, und wenn ich Musik machen kann, das ist für mich das größte Geschenk."
    Der vom Deutschlandfunk ausgelobte Sonderpreis Komposition ist in diesem Jahr zum ersten Mal nicht vergeben worden. Eine Entscheidung, die auch im Kontext des Gesamtwettbewerbs zu sehen ist, sagt die Leiterin des Deutschen Musikwettbewerbs, Irene Schwalb.
    "Die Begründung ist die, dass das Niveau der Kompositionen, und das hat auch die Vorjury schon deutlich so formuliert, nicht so ist, dass es einem Preis standhält. Zumal verglichen mit dem, was die Juroren sonst hören, von den Leistungen derjenigen, die mit den Instrumenten kommen. Die Komponisten haben dasselbe Alter, und auch da müssen wir natürlich einen Anspruch erheben an ein Stück, das wirklich eine Aussage hat und ein handwerkliches Grundkönnen, was wir nicht gefunden haben."
    Neue Musik in der Carte Blanche
    Mit neuer Musik haben sich viele der jungen Musikerinnen und Musiker beschäftigt. Spätestens in der dritten Wettbewerbsrunde, in der Carte Blanche, bei der Solisten und Ensembles ein selbst zusammengestelltes Programm vorstellen mussten. Die Geschwister Sophie und Vincent haben als Klavierduo Neeb in ihrem Projekt "3 1/3 Walzer für die Sterne des kleinen Bären" eine Kompositionsidee von John Cage auf ihre Heimatstadt München übertragen. Sie haben eine Sternenkarte auf den Stadtplan gelegt und an 7 Fixpunkten Geräusche aufgenommen, die sie mit live gespielten Walzern von Johannes Brahms kombiniert haben.
    Der Juryvorsitzende Oliver Wille hatte die Idee der Carte Blanche, die im dritten Jahr Teil des Wettbewerbs war.
    "Für mich müsste es noch viel einfallsreicher sein. Diese Freiheit, die auch eine Verantwortung in sich trägt für aufregende 35 Minuten – das ist meiner Meinung nach Realität. Denn wenn das Studium vorbei ist, wenn man von einem Veranstalter gefragt wird: Ich habe das Thema XY, mach mal dazu ein Programm, dann ist das keine Seltenheit, das ist tatsächlich gang und gäbe. Um sich darin schon einmal ein bisschen zu üben, um sich darin zu finden, dafür ist diese Carte Blanche gedacht."
    Auf die Realität des Künstlerlebens vorbereiten
    Auf die aktuelle Musikwelt reagieren können, außergewöhnliche junge Talente fördern und auf die Realität eines Künstlerlebens vorbereiten, das müsse der Deutsche Musikwettbewerb leisten, sagt noch einmal die Wettbewerbsleiterin Irene Schwalb.
    "Das ist genau seine Aufgabe. Also einerseits das abzubilden, was an den Hochschulen passiert, aber andererseits, das haben wir eben in der Jury lange diskutiert, wir finden, wir haben auch die Chance, Vorreiter zu sein. Auch mal das zu machen, was an den Hochschulen nicht passiert und auch nicht unterrichtet wird und eben genau diese Dinge, wie ein vernünftig konzipiertes Programm – Studierenden den Mut zu geben, sich darum zu kümmern, um ein solches zu präsentieren. Wir machen hier diese Carte Blanche ganz bewusst, weil wir eben nicht den Schmalspurmusiker wollen, der nur sein Repertoire abspielt."
    Dafür sei es notwendig, ständig zu beobachten, was in den Musikhochschulen des Landes vor sich gehe und den jährlichen Wettbewerb des Deutschen Musikrats immer wieder auch an andere Orte als seine Heimat Bonn zu transportieren. Im Falle der erst seit zehn Jahren bestehenden Musikhochschule Nürnberg, die gerade in frisch restaurierte Räume gezogen ist, sei das in einer Win-Win-Situation gelungen. Auch viele der mehr als 40 Juroren hätten die Musikhochschule jetzt erst kennengelernt.
    Die 29 Stipendiaten und drei Preisträger des Deutschen Musikwettbewerbs 2019 werden sie in jedem Fall in positiver Erinnerung behalten. Auch die 18-jährige Pianistin Sophie Neeb.