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Deutscher Wein als Exportschlager?

Die deutschen Winzer haben keinen Grund zur Klage. Das Jahr 2003 wird in die Geschichtsbücher eingehen als eines der besten für den Weinanbau. Nur der Jahrgang 1540 könne es mit dem vergangenen aufnehmen, heißt es. Auch damals gab es drei Monate keinen Regen, zwei Kirschblüten, und der Rhein war so niedrig, dass man zu Fuß durchwaten konnte. Der Jahrhundertsommer 2003 sorgte für Trauben mit viel Zucker und wenig Säure, und der Erntezeitpunkt war so früh, wie schon lange nicht mehr, in den niederen Weinlagen Mitte August. Das Ergebnis: qualitativ hochwertige deutsche Weine zu unglaublich günstigen Preisen. Genau der richtige Zeitpunkt also, um neue Märkte zu erschließen im Ausland.

Autorin: Anke Petermann |
    Seit 15 Jahren hat ein frischer pfälzischer Weißwein mit leichtem Zitrus-Aroma Erfolg in Schweden, einem der Hauptabsatzländer für deutsche Weine. Sein Name:

    Ruppertsberger Nussbien, Riesling Kabinett halbtrocken.

    Kein Erfolg allerdings, auf dem man sich ausruhen kann. Denn Namen wie "Ruppertsberger Nussbien - Riesling Kabinett - halbtrocken" mögen in Deutschland für Tradition und Vielfalt stehen - für ausländische Konsumenten sind sie unattraktive Zungenbrecher - nur Wein-Liebhaber machen sich die Mühe zu probieren, was hinter solch komplizierten Bezeichnungen steckt. Und der Wachstumsmarkt liegt längst nicht mehr im Segment der lieblichen und halbtrockenen, sondern im Segment der trockenen Weine. Deshalb setzt das Deutsche Weininstitut, kurz DWI, als Marketing-Organisation deutscher Winzer und Wein-Exporteure auf den Riesling als "Leitrebsorte". Sie soll helfen, das immer noch verbreitete Süß-und-Billig-Image deutscher Weine endgültig abzuschütteln. Mit dem Zusatz "Classic" öffnet man gleichzeitig ein Hintertürchen für Konsumenten, die es eigentlich gar nicht so herb mögen, aber doch unbedingt dem angesagten Trend zum Trockenen folgen wollen. Die neuartige Typ-Bezeichnung ermögliche, so Gerhard Brauer, Geschäftsführer des genossenschaftlichen Ruppertsberger Winzervereins:

    Einen etwas größeren Spielraum beim Restzucker der Weine zu haben, die aber trotzdem als trocken für die Kunden kommunizieren zu können. Denn wir erleben sehr häufig, dass wir trockene Weine anbieten, und trocken wird heute schon als Qualitätsbegriff verstanden, obwohl es nur eine Geschmacksrichtung ist, und wenn wir dann im Vergleich mit den Kunden halbtrockene Weine probieren, dann werden geschmacklich die halbtrockenen vielleicht eher akzeptiert, aber der trockene wird als höherwertig erkannt, was im Grunde mit der Weinqualität überhaupt nichts zu tun hat. Und "Classic" ist eine Möglichkeit, die Weine harmonisch, dem Verbraucherbewusstsein entsprechend, auszubauen.

    Die Riesling-Classic-Strategie wird im Weinjahr 2003/2004 weltweit mit Absatzzuwächsen belohnt, die absolut höchsten davon auf dem wichtigsten Exportmarkt Großbritannien. Vom prozentualen Zuwachs her liegen die Niederlande und Schweden vorn. Mit dem Riesling Classic des Ruppertsberger Winzervereins hat man auf dem staatlich kontrollierten schwedischen Alkoholmarkt ein Zugpferd gewonnen, meint Henrik Hammarskiöld vom DWI-Auslandsbüro in Stockholm:

    Ich würde sagen, es ist vermutlich die beste Introduktion jemals von einem trocken Wein in Schweden.

    "Deutschland ist trockener als du denkst" - so der Werbeslogan. Die herbe Fruchtigkeit aus der Pfalz präsentiert sich in schnörkellosem Design und verpackt in einer 3 Liter fassenden "bag in box", also der Tüte in der Kiste - eine Verpackung, die in Schweden für beste Qualitäten gut genug ist. "Wir lieben das, weil es so praktisch fürs Picknicken ist", sagt Hammarskiöld. Ungebremster Siegeszug also für die fruchtigen Trockenen aus dem deutschen Süden? Exportrückgänge in Frankreich und Japan trüben das Bild. "Japan ist ein schwieriger Markt", konstatiert Steffen Schindler vom Deutschen Wein-Institut:

    Es ist der einzige bedeutende Wein-Markt der Welt mit einem zurückgehenden Konsum in den letzten Jahren. Aus den verschiedensten Gründen: es gibt andere Getränke, zum Beispiel Cocktail- Mix- Getränke, die sehr erfolgreich sind, es gibt eine ökonomische Krise, die nun Gott sei Dank überwunden ist, aber wir werden erst in den nächsten Jahren sehen, dass der Wein-Konsum insgesamt wieder steigt, und damit wird auch deutscher Wein wieder mit steigen.

    Und da die Weintrends für Japan in den USA gemacht werden, so Schindler, hofft die Marketing-Organisation der deutschen Winzer, dass der US-Riesling Boom dann auch nach Fernost schwappt. Schon jetzt - so Schindler - sei das Interesse ausländischer Experten, Händler und auch Winzer am Spitzenjahrgang 2003 riesig. Einziges Problem: nachdem die international einflussreiche amerikanische Fachpresse schon die Jahrgänge 2001 und 2002 als "herausragend" und "glänzend" gefeiert hat und nun der so genannte Jahrhundert-Jahrgang folgt, werden die Superlative langsam knapp - und das Jahrhundert ist noch jung.