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Deutscher Wetterdienst
Genauere Unwetterwarnung eingeführt

Immer wieder fordern Unwetter in Deutschland Menschenleben, wie zuletzt Anfang Juni in Bayern und Baden-Württemberg. Da kommt die Frage auf, warum nicht früher vor der Katastrophe gewarnt werden kann. Immerhin: Der Deutsche Wetterdienst hat sein Unwetterwarnsystem nun präzisiert.

Von Frank Grotelüschen | 01.08.2016
    Wasser steht zwischen Häusern in Simbach am Inn nach schweren Unwettern
    Überschwemmung im bayerischen Simbach: Statt für die rund 400 Landkreise warnt der DWD nun für jede der 10.000 Gemeinden in Deutschland. (dpa / picture alliance / Sven Hoppe)
    1. Juni 2016, Simbach in Bayern. Die Katastrophe kommt überraschend. Ein Bach, der für gewöhnlich 50 Zentimeter Wasser führt, tritt plötzlich übers Ufer, überschwemmt Häuser, reißt Autos mit sich. Die Behörden konnten die Menschen nicht rechtzeitig warnen – und das hat unter anderem folgenden Grund: Im Juni konnte der Deutsche Wetterdienst vor einem Unwetter nur bis auf den Landkreis genau warnen. Die Folge:
    "Wenn Sie sich Landkreise in Deutschland anschauen, können die von einem Rand zum anderen bis zu 100 Kilometer entfernt sein", sagt Hans-Joachim Koppert, er leitet beim DWD die Wettervorhersage.
    "Wenn Sie an einer Ecke des Landkreises gewohnt haben, wo ein Gewitter tobte, war die Warnung richtig für Sie. Wenn Sie 70 Kilometer in der anderen Richtung wohnten, war bei Ihnen am Ende ein blauer Himmel und Sie haben sich gefragt: Um Himmels willen, warum hat man denn eine Unwetterwarnung herausgegeben?"
    Ein Missstand, der nun seltener zu beklagen sein sollte. Seit Mitte Juli nämlich sind die Unwetterwarnungen erheblich genauer. Statt für die rund 400 Landkreise warnt der DWD nun für jede der 10.000 Gemeinden in Deutschland. Der Schlüssel: mehr Wetterdaten und bessere Rechner.
    "Wir haben vor fünf Jahren ein Projekt begonnen, mit dem wir versuchen, die riesigen Datenmengen von Radar- und Satelliten-Systemen automatisiert zu erfassen und zu bewerten. Und nicht nur in der zweiten Dimension, wie war das früher gemacht haben, sondern auch in der dritten Dimension. Damit haben wir unseren Meteorologen die Möglichkeit gegeben, zeitlich und räumlich genauere Warnungen erstellen zu lassen."
    Seine Internetseite hat der DWD schon auf das neue System umgestellt. Nun soll das auch für die Unwetterwarnung per Smartphone-App geschehen. Und zwar nicht nur für die App des DWD, sondern auch für ein bundesweites Warnsystem namens Katwarn.
    "Zurzeit hat unser Wettervorhersage-Modell eine Genauigkeit von drei Kilometern"
    Entwickelt wird Katwarn am Fraunhofer-Institut FOKUS in Berlin. Dort blickt Forscher Niklas Reinhardt auf die Anzeige seines Smartphones.
    "Da steht: Katwarn-Warnung schweres Gewitter."
    Es ist eine Simulation, die hilft, Katwarn weiterzuentwickeln. Katwarn geht über die Unwetterwarnung hinaus: So können Städte und Landkreise auch vor Großbränden oder Chemieunfällen warnen – oder vor Anschlägen wie beim Amoklauf in München. Das Problem: Nicht alle Behörden in Deutschland, die Warnmeldungen herausgeben, sind bereits an Katwarn angeschlossen.
    "Das führt zum Teil bei den Nutzern zu Verwirrung, weil diese Aufteilung der Warnverantwortlichkeiten nicht jedermann bekannt ist. Und wir können nur die Warnungen ausspielen, die wir erhalten."
    So machen die Hochwasserämter bislang bei Katwarn noch nicht mit. Die Folge: Zwar kann die Smartphone-App ein aufziehendes Unwetter melden. Aber die Warnung vor dem anschließenden Hochwasser bleibt womöglich aus, weil das zuständige Amt Katwarn nicht nutzt.
    "Aber wir sind zuversichtlich, dass wir hier Schritte vorangehen und in Zukunft die Menschen informieren können."
    Doch zurück zur neuen Unwetterwarnung des Deutschen Wetterdienstes: Wäre sie schon Anfang Juni im Einsatz gewesen – hätte man die Menschen im bayerischen Simbach rechtzeitig warnen können? Nicht unbedingt, sagt Hans-Joachim Koppert, denn:
    "Die Ereignisse in Simbach oder Braunsbach, da hatten wir Systeme, die sich chaotisch verhalten haben. Die zogen mal in die eine und mal in die andere Richtung. Da ging es darum vorherzusagen: Wie viel Niederschlag fällt in welches Bach- oder Flussbett? Und das können wir zurzeit noch nicht genau."
    Dazu nämlich braucht es noch mehr Beobachtungsdaten und noch schnellere Computer.
    "Wir müssen unsere Modelle so kleinräumig machen, dass sie diese Prozesse beschreiben können. Zurzeit hat unser Wettervorhersage-Modell eine Genauigkeit von drei Kilometern. Das ist aber zu grob für diese Anwendung. Wir müssen auf einen Kilometer runtergehen. Und wenn wir auf einen Kilometer runtergehen, brauchen wir fast einen Faktor 10 mehr an Rechenleistung."
    An so einer ultragenauen Prognose arbeite man bereits, sagt Koppert. Doch bis sie zum Einsatz kommt, dürften mindestens noch fünf Jahre vergehen.