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Deutsches Lustspiel?

"Ein deutsches Lustspiel in Elf Bildern aus dem Arabischen" hat Hans Werner Henze nun also als Schluss-Stück einer langen (und zeitweise demonstrativ politisierten) Musiktheaterlaufbahn präsentiert. Das szenische Leitmotiv des neuerlich mit einer versiert-polyglotten Musik versehenen Bilderbogens ist ein Glücksvogel aus der Familie der Wiedehopfe, die Upupa. Abhanden kommt das sensible Tier durch "habsüchtige Untat" dem alten Großwesir auf den höchsten Zinnen von Manda, den der melancholisch-seriöse Alfred Muff sprechend, singend und mit den Zwischenformen des Sprechgesangs so sympathisch gestaltet. L'Upupa wird gesucht, gefunden, eingefangen, nach mannigfachen Wirren zurückgegeben und am Ende wieder in die Freiheit entlassen. Der alte Al Radschi schickt seine drei Söhne zu den Nachforschungen hinaus in die Welt: Gharib, der Älteste, ein Schlitzohr und Bassbuffo, stellt sich den Strapazen so wenig wie der wunderliche Adschib, dessen Nichtsnutzigkeit Axel Köhler so grotesk hinauskräht. Der Jüngste, Al Kasim, ist mit seinem Heldenbariton auch wirklich der Held, der im rechten Moment das Richtige tut und so Freund, Helfer und die jüdische Prinzessin Badi'at findet. Matthias Goerne und Laura Aikin geben allerliebst das hohe Paar, dem man das Sich-Verlieben-auf-den-ersten-Blick von Herzen glaubt; das dann aber - in Anspielung auf Joseph und seine Brüder - in den tiefsten Brunnen gestürzt, jedoch auch aus dieser Klemme vom guten Dämon befreit wird.

Von Frieder Reininghaus |
    Es ist ein vielfach verschlungenes und mit vielerlei Anspielungen auf Literatur- und Operngeschichte prunkendes Märchenband, das Henze da entrollt (der Komponist schrieb sich das Libretto selbst): eine tendenziell unendliche, insgesamt tröstliche Geschichte erscheint in bunter Gewandung. Jürgen Rose hat Tor, Turm und Baum, Hügel und Flügel für die raschen Reisen in so ferne Staaten wie Kipungani, Pate oder Manda in praller Bilderbuchschönheit auf die Bühne gezaubert, die rote Prinzessin aus der überdimensionalen Mohnblume, den mehrfach lebensrettenden Dämonen als Todesengel mit schwarzen Schwingen, die exotische Insel als Zaubergarten der prallbuntesten Riesenblumen, das Mohrenland mit wild gemusterten Stangenträgern und sinistrer Drohung. Dieter Dorn bespielt das alles ohne alle Brechungen. Den guten Ton zur frohen Sommer-Botschaft gewährleistete (für Christian Thielemann einspringend) der Kölner Gürzenich-Kapellmeister Markus Stenz, der sich in Sachen Henze ja seit langem bewährt: Viel ruhig dahinfließende Sanftmütigkeit wurde da in Kombination mit einzelnen kräftigen Tapeten-Mustern zur Geltung gebracht und verdämmert am Ende im Abendschein. Der Held aber bricht noch einmal auf - als wolle er rasch Zigaretten holen gehen.

    Henze war einst in der jungen Bundesrepublik der notorische Hans im Glück. Ende der 60er Jahre politisierte sich der "Wirtschaftswunderkomponist". Er bewegte sich mit der Republik etwas nach links und pendelte dann zurück. Jetzt mag einem das mit kräftig Presserummel und einem vorab publizierten Buch zur Entstehungsgeschichte des Werks herausgebrachte "deutsche Lustspiel" wie eine Überlebens-Strategie des Siebenundsiebzigjährigen vorkommen. "Vergesst mich nicht", singt der jungenhafte Dämon beim Abschied vom Helden Al Kasim und dessen frisch gewonnener Gefährtin Badi'at. Das scheint vor allem dem Urheber aus dem Herzen gesprochen, der sich mit "L'Upupa" von der Bühnenwelt zu verabschieden gedenkt.

    Vielleicht hätte der wandlungsfähige, mitunter fast chamäleonhaft wirkende Künstler dies mit einem gewissen Quantum Selbstironie tun sollen. Auch wenn man manches in der Szenenfolge von "L'Upupa" als Reflex auf die globalisierte Welt lesen oder hören möchte, wirkt das Werk doch insgesamt, als stünde es neben der Epoche und habe der Autor zur Gegenwart nichts mehr zu sagen.

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