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"Deutschland hat unendlich viel Energie"

Die ehemalige Zeche Zollverein in Essen wurde schon bald nach ihrem Bau im Jahr 1932 zur leistungsstärksten Kohlenzeche weltweit. Mehr als 50 Jahre lieferte sie Energie. Eine geeignete Kulisse also, wenn Bundesumweltminister Jürgen Trittin und UNO-Umweltdirektor Klaus Töpfer eine Kampagne für erneuerbare Energien starten. Es geht um neue Ziele beim Ausbau von Wind-, Bio- und Solarenergie.

Von Dieter Nürnberger |
    Auch bei den erneuerbaren Energien gilt hierzulande oft das St. Florians-Prinzip: Grundsätzlich ja, aber bitte nicht vor der eigenen Haustür. Diesen Eindruck haben zumindest die Betreiber von Windkraft, Sonnenenergie oder auch von Biogasanlagen. Und deshalb startet heute die neue Kampagne – "Deutschland hat unendlich viel Energie". Acht Branchenverbände oder auch Hersteller haben sich hier zusammengetan, finanziell unterstützt vom Umwelt- und auch vom Verbraucherschutzministerium. Der heutige Kampagnenauftakt in der Zeche Zollverein in Essen ist dabei nicht zufällig – der Übergang hin zu einer modernen Energiegewinnung lässt sich so exemplarisch darstellen. Simone Peter, die Kampagnenleiterin.

    "Umfragen zeigen ja immer wieder, dass erneuerbare Energien durchaus einen Bonus bei der Bevölkerung haben. Wenn es dann aber um die konkrete Windanlage vor der Haustür geht, dann wird es schwieriger, eine Akzeptanz zu schaffen. Die Kampagne soll den Gesamtzusammenhang klar machen. Erneuerbare Energien stehen für Klimaschutz, für die Schaffung von Arbeitsplätzen, sie sichern die Versorgung, und helfen einfach eine umweltfreundlichere, sozialverträglichere und nachhaltigere Entwicklung zu schaffen."

    Zum Start wird auch Klaus Töpfer, der Leiter des UNO-Umweltprogramms erwartet. Der CDU-Politiker war früher Umweltminister in Deutschland, und auch Jürgen Trittin, der jetzige Amtsinhaber, wird kommen. Die noch relativ junge Branche der erneuerbaren Energien ist aufgrund einer neuen Ausrichtung in der Politik entstanden. Man wolle nicht nur Windräder bauen, sondern auch erklären warum, sagt Johannes Lackmann, der Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien. Denn längst sei diese Form der Energiegewinnung ein positiver Wirtschaftsfaktor.

    "Ganz neue Technologien werden erarbeitet werden, vor allem Technologievorsprünge im internationalen Bereich. Es entstehen nicht nur Arbeitsplätze, um den heimischen Bedarf zu decken. Sondern es entstehen auch Arbeitsplätze für den Export. Und wir gehen davon aus, dass dieser Anteil bis 2020 auf 70 Prozent steigt. Bei der Windenergie werden schon 60 Prozent der Komponenten ins Ausland geliefert. Das bedeutet dann, dass wir bis 2020 etwa 500.000 Arbeitsplätze in diesen Sektoren haben werden. "

    Derzeit sind es rund 130.000 Arbeitsplätze. Am Nachmittag wird zudem die Essener Deklaration der Öffentlichkeit vorgestellt. Die Branche setzt sich hierbei Langfristziele. Einiges ist schon bekannt, etwa die Vorgabe bis 2020 20 Prozent des gesamten Energiebedarfs an Strom, Wärme und auch Kraftstoffen hierzulande abzudecken. Aufhorchen lässt allerdings die Ankündigung, auch Investitionen in Höhe von etwa 200 Milliarden Euro zu tätigen. Deutschland müsse – so heißt es – Technologie- und Innovationsführer in diesem Bereich bleiben. Simone Peter.

    "Ein durchschnittliches Branchenwachstum von 10 Prozent – das sind Zuwachsraten, wie sie kaum eine andere Branche in Deutschland erreichen kann. Oder Klimaschutz: Allein über die erneuerbaren Energien können die Kyoto-Klimaschutzziele der Bundesregierung erreicht werden. Die Einsparung an Öl-, Gas- und Kohlevorkommen – wir werden in den kommenden Jahren massive Probleme haben, diese Ressourcen auch in unserem Land zu bekommen. Wir können Importe in einer Größenordnung von 20 Milliarden Euro einsparen. Das sind Dimensionen, die erneuerbare Energien in ein ganz anderes Licht stellen."

    Mit der Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes wurde nach langem Streit im vergangenen Jahr die staatliche Förderung reformiert, teilweise auch zurückgefahren, da inzwischen wirtschaftlicher kalkuliert werden kann. Diese Tendenz werde anhalten, verspricht Johannes Lackmann vom Bundesverband Erneuerbare Energien.

    "Wir fordern zunächst mal eine volkswirtschaftlich korrekte Betrachtung der Kostensituation. Konventionelle Energien sind viel mehr gefördert worden als neue Energien. Die Kundenpreise decken dabei nicht die Gesamtkosten ab, da stecken noch viele staatliche Subventionsmilliarden zusätzlich drin. Und selbst wenn wir uns mit diesem verzerrten Strompreisniveau vergleichen, werden wir bis 2020 mit vielen erneuerbaren Energien billiger sein, als mit Kohle, Öl oder Gas. "

    Die Entwicklung der erneuerbaren Energien in Deutschland sei eine Erfolgsgeschichte - mit der Kampagne soll diese Botschaft nun Jeden erreichen.