Die finanziellen Spielräume sind winzig: der Bund ächzt unter einer enormen Schuldenlast und sinkenden Steuereinnahmen. Zusätzlich droht aus Brüssel abermals ein blauer Brief, denn Deutschland wird auch in diesem Jahr der erlaubten Defizitgrenze von drei Prozent gefährlich nahe kommen. Eine schwierige Ausgangslage für die Steuer- und Finanzpolitik, die bei Grünen und Sozialdemokraten bereits zu ersten Korrekturen in den Wahlprogrammen geführt hat.
Die größte Steuerreform in der Geschichte der Bundesrepublik, so das Eigenlob bei den Sozialdemokraten, muss im kommenden Jahr zur Finanzierung der Hochwasserschäden ausgesetzt werden – dieser Schritt, so Hans Eichel zu Beginn der Woche, sei alternativlos gewesen:
Wir standen vor drei Alternativen. Nummer eins: wir gehen in höhere Schulden. Nummer zwei: wir schichten in den Haushalten um und Nummer drei: wir suchen eine klare Finanzierungsgrundlage. Nummer eins: höhere Schulden verbieten sich. Jeder kennt die Finanzlage. Ich sage ausdrücklich, wir werden die Maastricht-Kriterien halten, aber es ist eng. Zweitens: die Umschichtung, das ist dann ein Problem, das tief in das nächste Jahr hineinreicht, in das Haushaltsjahr 2003 – und der Haushalt, ich habe es gesagt, ist auf Kante genäht. das heißt, dass wäre keine sehr saubere und ehrliche Lösung, die auch überzeugend wäre.
Die Konsequenz aus Sicht der Sozialdemokraten: die zweite Stufe der Steuerreform mit einem Entlastungsvolumen von sieben Milliarden Euro soll erst 2004 in Kraft treten. An ihrem grundsätzlichen Wahlversprechen wollen Sozialdemokraten und Grüne jedoch nicht rütteln: 2005 soll die letzte Stufe der Steuerreform greifen – bei einer End-Spitzenbelastung von 42 und einem Eingangssteuersatz von 15 Prozent.
Dann aber trennen sich die Wege der Koalitionspartner. Während die Grünen die individuelle Leistungsfähigkeit im Steuersystem erhalten wollen und daher eine Unterschreitung der 42 Prozent ablehnen, stellen die Sozialdemokraten zumindest weitere Steuergeschenke in Aussicht – vorausgesetzt, die Konjunktur und der Bundeshaushalt lassen es zu. Vereint sind beide jedoch wieder in dem Ziel, die Neuverschuldung des Bundes, derzeit immerhin rund 21 Milliarden Euro, bis 2006 auf nahezu Null zu drücken. Das Lieblingsprojekt vor allem des Finanzministers:
Raus aus der Schuldenfalls, weil wir andernfalls die nächste Generation überlasten und weil wir uns die Art der Kreditfinanzierung angesichts der tatsächlichen Gebrauchsdauer unserer Investitionsgüter gar nicht mehr leisten können.
Im Prinzip sehen das auch Union und FDP nicht anders, sind jedoch in ihren Wahlaussagen wesentlich großzügiger. Beide setzen auf eine deutliche Entlastung bei der Lohn- und Einkommenssteuer, vor allem die Liberalen: Getreu dem Motto ‚Steuern runter, Jobs rauf’ plädiert die FDP für ein vollkommen neues Steuerrecht durch die Einführung eines Drei-Stufentarifs: 15, 25 und 35 Prozent. Dieses Modell soll auch für Kapitalgesellschaften gelten, also in eine rechtsformneutrale Besteuerung münden.
Was auf dem Papier gut klingt, würde nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums aber zu dramatischen Steuerausfällen führen. Die ehrgeizigen Steuerpläne, so heißt es, würden zu Mindereinnahmen des Staates in der Größenordnung von fast 77 Milliarden Euro führen. Der finanzpolitische Sprecher der Liberalen, Herman Otto Solms kontert:
Wer wie CDU, CSU und SPD keinerlei Vorschläge zur Reform des Steuersystems macht und beiderseits Entlastungen für haushaltspolitisch unmöglich hält, der hat die Zeichen der Zeit nun wirklich nicht verstanden. Das ist die Betrachtungsweise von Buchhaltern – die nur gucken, dass die Bilanz am Jahresende ausgeglichen ist.
Die Kritik gilt auch für die geplante Finanzierung der Hochwasserschäden – anstatt auf Steuererhöhungen wie die Koalition oder eine höhere Neuverschuldung wie die Union zu setzen, plädieren die Liberalen für Umschichtungen im Haushalt, also Kürzungen der Ausgaben. Denn, so das Credo der FDP: Steuererhöhungen seien grundsätzlich Gift für Konjunktur und Wachstum.
Im übrigen hält die FDP ihr Steuerkonzept sehr wohl für finanzierbar. Rechne man die falschen Annahmen des Finanzministeriums heraus und streiche diverse Subventionen und Steuervergünstigungen – Stichwort Verbreiterung der Bemessungsgrundlage - dann, so der Fraktionschef der Liberalen, Wolfgang Gerhardt, sei der Drei-Stufen-Tarif sehr wohl finanzierbar:
Wir zahlen allein im Bundeshaushalt etwa 55 Milliarden an Zuschüssen oder nehmen sie selbst unter dem polemischen Begriff Subventionen. Das ist ein Zuschussvolumen, dass etwa in die Nähe von 60 Milliarden kommt. Da gibt es Programme, wenn sie bei denen schlicht eine zehnprozentige Kürzung machen – über alle Bereiche, ein erhebliches Volumen der Gegenfinanzierung.
Da haben es CDU und CSU schon schwerer. Mit der Ankündigung, das Messer etwa an die zahllosen Steuervergünstigungen anlegen zu wollen, könnte die heftig umworbene Mitte der Wähler schnell verschreckt werden. Dennoch stellt auch die Union umfangreiche Steuererleichterungen im Falle eines Wahlgewinns in Aussicht. Nach einem Kassensturz werde man sich schon 2003 daran machen, eine große Steuerreform für das Folgejahr vorzubereiten. Der Kanzlerkandidat der Union Edmund Stoiber:
Die rot-grüne Steuerreform hat keine Impulse für Wachstum und Arbeitsmarkt gebracht. Hier haben wir nun die Bilanz – die gegenwärtigen Zahlen kennen sie. Die Binnennachfrage liegt danieder. Wir stehen bei Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit am Ende der europäischen Skala und wir haben eine Höchstzahl an Unternehmenspleiten – wir liegen auch hier, was die Unternehmenspleiten anbelangt, an der Spitze Europas.
Das soll sich zuletzt dank der geplanten Steuerreform der Union ändern. Das mittelfristige Ziel: der Eingangssteuersatz soll unter 15 Prozent, der Spitzensatz unter 40 Prozent gedrückt werden. Bei der Finanzierung bleibt die Union jedoch eher vage: Steuerschlupflöcher sollen geschlossen werden, ohne dass jedoch Details genannt werden. Aber die Union will noch mehr, ihr Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz:
Ich zähle hierzu insbesondere eine grundlegende Steuerreform, nicht eine Tarifkorrektur, sondern wirklich eine grundlegende Reform mit dem Ziel einer radikalen Vereinfachung unseres Steuersystems. Wenn nicht mehr nur die Steuerberater, die Kammern, sondern mittlerweile auch Finanzamtsvorsteher in dramatischen Aufrufen den Gesetzgeber auffordern, endlich das heillose Durcheinander in der Steuergesetzgebung zu beenden, dann ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir über eine wirklich grundlegende Vereinfachung unseres Steuersystems nachdenken müssen.
Steuervereinfachungen haben sich übrigens alle Parteien für die kommende Legislaturperiode wieder Mal als zentrale Aufgabe gestellt – selbst die PDS. Allerdings weichen ihre steuerpolitischen Vorstellungen von denen der anderen politischen Konkurrenten insgesamt deutlich ab. So fordert die PDS nicht nur eine Ausweitung der öffentliche Ausgaben, sondern auch eine Erhöhung der Steuern. Der Grundtenor: Haushaltskonsolidierung sei zwar notwendig, nicht jedoch eine Bedingung staatlichen Handelns. Im Klartext: die PDS plädiert für eine grundlegende Umverteilungspolitik zu Gunsten der sozial Schwachen.
Da ist es kaum verwunderlich, dass die PDS vor allem die großen Unternehmen verstärkt zur Kasse bitten will. Veräußerungsgewinne sollten sachgerecht besteuert und die Höhe der Körperschaftssteuer abhängig vom Gewinn festgelegt werden, heißt es im Wahlprogramm. Erheblichen Korrekturbedarf bei der Unternehmensbesteuerung sieht aber auch die Union. Der Kanzlerkandidat Edmund Stoiber:
Wir haben im Jahr 2000 23,6 Milliarden Euro Körperschaftssteuer eingenommen. Wir haben im Jahre 2001 400 Millionen ausgezahlt. Das heißt, im Jahre 2001 waren die Finanzämter, was die Körperschafssteuer anbelangt, keine Einnahmestellen, sondern Ausgabestellen. Und wir haben im Jahre 2002 einen verstärkten Ausfall und ich halte das für ein enormes gesellschaftliches und soziales Problem.
Dafür aber sei die Steuerreform der rot-grünen Koalition verantwortlich. Tatsächlich hatte der steuersystematische Wechsel auf das sogenannte Halbeinkünfte-Verfahren mit einer Absenkung der Körperschaftssteuer auf pauschal 25 Prozent dramatische Folgen. Die großen Aktiengesellschaften lösen derzeit ihre alten, in der Regel hoch versteuerten Rücklagen auf, um sich die zu viel gezahlte Körperschaftssteuer vom Finanzamt zurückzuholen. Doch während die SPD von temporären Umstellungs- und Anpassungsschwierigkeiten ausgeht, erwägt die Union eine Anhebung der Körperschaftssteuer – jedoch erst 2004 im Zuge ihrer Steuerreform.
Dies gilt auch für die umstrittene Steuerfreiheit für Kapitalgesellschaften auf Erlöse, die sie beim Verkauf von Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften erzielen. Auch hier erwägt die Union eine Änderung für 2004 – derzeit will sich der Kanzlerkandidat aber nicht festlegen:
Wir werden das nicht ändern, weil wir nicht Entscheidungen, die für die Wirtschaft relevant sind, nach vier Jahren sofort wieder ändern werden. Deswegen war unsere Position immer, dass wir auf der einen Seite die Veräußerungsgewinne überprüfen. Wir haben auch noch nicht festgelegt, dass wir sie höher besteuern. Wir haben gesagt, wir überprüfen sie, weil wir einen Gleichstand zwischen Mittelstand und zwischen den Kapitalgesellschaften wollen. Und gibt es den Gleichstand bei Null, dann ist es gut. Gibt es den Gleichstand nicht bei Null, dann müssen die Veräußerungsgewinne leicht besteuert werden.
Die Sozialdemokraten lehnen dies ab. Bei einer Besteuerung der Veräußerungsgewinne, so die Warnung des Finanzministeriums, könnten die Unternehmen in Zukunft auch ihre Verluste steuerlich geltend machen. Eine solche Option könnte angesichts des schwierigen Börsenumfeldes verstärkt genutzt werden und somit zu milliardenschweren Steuerausfällen führen. Doch selbst die Grünen sehen das inzwischen anders und plädieren ebenfalls für eine Reform bei der Unternehmensbesteuerung: Parteichef Fritz Kuhn zu Beginn der Woche:
Die Frage zusätzlicher Belastungen körperschaftspflichtiger Betriebe – da sind wir offen. Sie wissen, dass ich erst vor drei oder vier Wochen hier auf einer Pressekonferenz den Vorschlag gemacht habe, die Veräußerungsgewinne doch wieder steuerpflichtig zu machen. Wir haben den Vorschlag gemacht, sie gewerbesteuerpflichtig zu machen – mit dem Ziel, dass diese Mittel direkt bei den Gemeinden ankommen".
Denn die meisten Gemeinden und Städte in Deutschland stehen finanziell vor dem Kollaps. Vor allem bei der stark konjunkturabhängigen Gewerbesteuer mussten massive Einbrüche verkraftet werden – allein im letzten Jahr sanken die Nettoeinnahmen um 10,7 Prozent auf 17,1 Milliarden Euro. Abhilfe soll hier eine Gemeindefinanzreform schaffen, deren Umsetzung sich fast alle Parteien für die kommende Legislaturperiode zum Ziel gesetzt haben. Vor allem für die Gewerbesteuer soll es neue Regeln geben – der Finanzminister zu den allgemeinen Zielen einer bereits eingesetzten Kommission:
Wir brauchen eine Verstetigung für die meisten Investitionen der öffentlichen Haushalte und deswegen ist es für Arbeitsplätze wichtig und für die Dämpfung der konjunkturellen Auf- und Abschwünge, dass die Gemeinden nicht eine prozyklische Investitionspolitik machen, sondern dass sie eine stetige Investitionspolitik machen – und das ist genau das Ziel der Gemeindefinanzreform.
Ob dies jedoch auch eine Abschaffung der bei Experten und Wirtschaftsunternehmen heftig kritisierten Gewerbesteuer bedeutet, lassen die Sozialdemokraten in ihrem Wahlprogramm offen – genauso wie die Grünen und letztlich auch die Union. Lediglich die PDS spricht sich klar für eine Beibehaltung der Gewerbesteuer aus, während die FDP für ihre Abschaffung plädiert. Herman Otto Solms:
Einmal weil sie diese zyklische Wirkung hat, zum zweiten, weil sie eine Sonderbelastung für die deutschen Gewerbegetriebe ist, die es in anderen europäischen Staaten nicht gibt und zum dritten, weil die Abschaffung der Gewerbesteuer der Schlüssel zur Steuervereinfachung ist. Wegen der gewerblichen Steuer müssen sie nach unterschiedlichen Einkunftsarten unterscheiden, was das Steuerrecht so kompliziert macht.
Als Alternative zur Gewerbesteuer schlagen die Liberalen die Erschließung einer wirtschaftsbezogenen Steuerquelle vor. Etwa ein höherer Anteil der Gemeinden an der Umsatzsteuer sowie die Einführung eines eigenen Hebesatzrechtes bei der Einkommens- und Körperschaftsteuer. Eine Idee, die freilich bei den Städten und Gemeinden zumindest offiziell auf wenig Beifall stößt. Nicht zuletzt deshalb sind die anderen Parteien mit ihren Reformvorschlägen wesentlich zurückhaltender. Das ist bei der Ökosteuer anders. Abgesehen von der PDS, die sich für eine Ersetzung der Ökosteuer durch eine Primärenergiesteuer ausspricht, plädieren Union wie FDP für ihre Abschaffung. Der Grund: die Ökosteuer sei unsozial und ungerecht und sie habe weder positive Umwelteffekte erzielt noch die Lohnnebenkosten gesenkt, heißt es etwa bei den Liberalen. Auch bei der Union klingt das nicht viel anders, Edmund Stoiber:
Wir setzen die nächste Stufe der Steuerreform aus und lasen damit den Bürgern und der Wirtschaft mehr als drei Milliarden Euro im Geldbeutel. Die Ökosteuer belastet vor allem sozial Schwache und Durchschnittsverdiener und sie benachteiligt unsere Wirtschaft im europäischen Wettbewerb.
Stattdessen plädiert die Union für eine europaweit gültige Regelung. Offen bleibt jedoch, wie CDU und CSU im Falle einer Rücknahme der letzten Stufe der Ökosteuer eine Erhöhung der Rentenbeiträge verhindern wollen. Vage auch die Finanzierungsvorschläge der FDP: die Einnahmeausfälle sollten im Rahmen einer nicht weiter präzisierten Rentenreform kompensiert werden.
Die Sozialdemokraten tun sich da leichter – trotz Hochwasserkatastrophe und einem neu erwachten Interesse an der Umweltpolitik will die SPD zwar die noch anstehende 5. Stufe der Steuer auf Benzin und Strom zum 1. Januar 2003 in Kraft setzen, die allein in diesem Jahr Einnahmen über 14,3 Milliarden Euro bedeuten. Doch dann, so Bundeskanzler Gerhard Schröder, soll erst mal Schluss sein:
Was wir brauchen und was wir geleistet haben – darauf habe ich immer sehr geachtet – dass das Pendel nicht zur einen oder anderen Seite falsch ausschlägt. Das heißt, dass es eine Balance gibt zwischen den ökonomischen und sozialen Notwendigkeiten und den ökologischen. Das haben wir hinbekommen und jetzt sollte man, wenn es weitergeht, was die Klimapolitik angeht, das ganze Spektrum der Instrumente nutzen, sich aber nicht auf eines kaprizieren- das hielte ich für verkehrt.
Für die Grünen ist die Lage komplizierter. Die erfolgreiche Einführung der Ökosteuer stellt zwar das Markenzeichen der Umweltpartei dar – doch die Grünen sind mit der Forderung nach weiteren ökologisch motivierten Belastungen vorsichtig geworden. Zu tief sitzt noch immer der Schock des Magdeburger Parteitages vom Frühjahr 1998. Damals wurde die Forderung nach einem Spritpreis von 5 Mark pro Liter aufgestellt – wenig später sackten die Umfragewerte in den Keller.
Insofern bleibt die Partei an diesem Punkt in ihrem aktuellen Wahlprogramm eher vage: grundsätzlich streben die Grünen eine Ökologisierung der Marktwirtschaft an, dazu zählt auch das Festhalten an der Ökosteuer und ihre Einbettung in eine ökologische Finanzreform. Konkrete Erhöhungsschritte will Parteichef Kuhn jedoch nicht preisgeben:
Der Grund ist der, dass wir sagen: sie müssen für die Erhöhungsschritte, die wir da vorhaben, die konkreten Energiepreise auch des Jahres 2003 kennen, die sich ja auch durch politische Bedingungen etwa in den arabischen Ländern oder durch Wechselkursverhältnisse zwischen Euro und US-Dollar ermitteln. Eine planwirtschaftliche Konzeption – wir sagen jetzt über die nächsten acht Jahre den Energiepreis – halten wir nicht für richtig. Aber die Aussage ist ganz konkret: wir wollen, dass sich Umweltverbrauch verteuert und Arbeitskosten gesenkt werden.
Die Absenkung der Lohnnebenkosten, die Rückführung der Staatsquote und die Konsolidierung des Haushalts nimmt fast in allen Parteiprogrammen eine zentrale Stellung ein. Markig hat etwa die Union ihr Projekt "3 mal 40" aus der Taufe gehoben: Neben der Absenkung des Spitzensteuersatzes und der Sozialbeiträge auf unter 40 Prozent soll auch die Staatsquote unter jene magische Marke gedrückt werden. Derzeit aber liegt der Staatsanteil am Bruttoinlandsprodukt bei knapp 50 Prozent – daher heißt es auch bei der Union, dies sei allenfalls ein mittelfristig erreichbare Ziel.
Zum gleichen Ergebnis kommt auch der Finanzminister, zumal sein Haus schon mal nachgerechnet hat: eine Absenkung der Staatsquote auf unter 40 Prozent würde ein Rückzug des Staates in der Größenordnung von 170 Milliarden Euro bedeuten.
Es bleibt dabei, glaube ich, dass Bildung, dass die Infrastruktur, dass wesentliche Einrichtungen des Sozialwesens, die äußere und innere Sicherheit Staatsaufgaben bleiben, und für die muss das Geld auch zur Verfügung stehen. Das muss man sich genau überlegen. Und dann macht es einen großen Unterschied, wie ich Staatsquote senke. Ich habe einmal bei einer Rede in der Humboldt-Universität vor zwei Jahren von 40 Prozent geredet, auf das Jahr 2012 projiziert. Das setzt aber voraus, dass wir 2006 einen ausgeglichenen Haushalt haben.
Sparen wollen auch FDP und Union – das Ziel, so heißt es übereinstimmend, sei die Rückführung der Neuverschuldung. Ein konkreter Termin wie bei den Sozialdemokraten wird jedoch nicht genannt. Am Bekenntnis zum europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie den Defizitkriterien von Maastricht fehlt es dennoch nicht – trotz der jüngsten Querelen um die Vorschläge der Union zur Finanzierung der Hochwasserschäden. CDU und CSU wollen sogar noch einen Schritt weiter gehen: ein nationaler Stabilitätspakt soll die Bundesländer an die finanzpolitische Leine nehmen, kündigt ihr Finanzexperte Friedrich Merz an:
Wir brauchen insbesondere gegenüber den Verpflichtungen, die wir in den europäischen Union eingegangen sind, aber auch genauso aus eigenem nationalem Interesse, eine Verabredung mit den Ländern über die Aufteilung der Defizitquoten, um die entsprechende Haftung für eine mögliche Überschreitung. Ein solcher Stabilitätspakt muss in Form eines Staatsvertrages abgeschlossen werden, dem auch die Länderparlamente zustimmen, weil auch die Länder damit einen Teil ihrer Haushaltssouveränität abgeben. Insofern bedarf es hier eines Staatsvertrages.
Der dann auch die geplante Neufassung der föderalen Finanzbeziehungen ergänzen würde – ein Vorhaben, dass allerdings auch Hans Eichel in den nächsten vier Jahren umsetzen will. Die letzte große Finanzreform in Deutschland gab es übrigens 1969 – erarbeitet und umgesetzt von der ‚großen Koalition’.
Die größte Steuerreform in der Geschichte der Bundesrepublik, so das Eigenlob bei den Sozialdemokraten, muss im kommenden Jahr zur Finanzierung der Hochwasserschäden ausgesetzt werden – dieser Schritt, so Hans Eichel zu Beginn der Woche, sei alternativlos gewesen:
Wir standen vor drei Alternativen. Nummer eins: wir gehen in höhere Schulden. Nummer zwei: wir schichten in den Haushalten um und Nummer drei: wir suchen eine klare Finanzierungsgrundlage. Nummer eins: höhere Schulden verbieten sich. Jeder kennt die Finanzlage. Ich sage ausdrücklich, wir werden die Maastricht-Kriterien halten, aber es ist eng. Zweitens: die Umschichtung, das ist dann ein Problem, das tief in das nächste Jahr hineinreicht, in das Haushaltsjahr 2003 – und der Haushalt, ich habe es gesagt, ist auf Kante genäht. das heißt, dass wäre keine sehr saubere und ehrliche Lösung, die auch überzeugend wäre.
Die Konsequenz aus Sicht der Sozialdemokraten: die zweite Stufe der Steuerreform mit einem Entlastungsvolumen von sieben Milliarden Euro soll erst 2004 in Kraft treten. An ihrem grundsätzlichen Wahlversprechen wollen Sozialdemokraten und Grüne jedoch nicht rütteln: 2005 soll die letzte Stufe der Steuerreform greifen – bei einer End-Spitzenbelastung von 42 und einem Eingangssteuersatz von 15 Prozent.
Dann aber trennen sich die Wege der Koalitionspartner. Während die Grünen die individuelle Leistungsfähigkeit im Steuersystem erhalten wollen und daher eine Unterschreitung der 42 Prozent ablehnen, stellen die Sozialdemokraten zumindest weitere Steuergeschenke in Aussicht – vorausgesetzt, die Konjunktur und der Bundeshaushalt lassen es zu. Vereint sind beide jedoch wieder in dem Ziel, die Neuverschuldung des Bundes, derzeit immerhin rund 21 Milliarden Euro, bis 2006 auf nahezu Null zu drücken. Das Lieblingsprojekt vor allem des Finanzministers:
Raus aus der Schuldenfalls, weil wir andernfalls die nächste Generation überlasten und weil wir uns die Art der Kreditfinanzierung angesichts der tatsächlichen Gebrauchsdauer unserer Investitionsgüter gar nicht mehr leisten können.
Im Prinzip sehen das auch Union und FDP nicht anders, sind jedoch in ihren Wahlaussagen wesentlich großzügiger. Beide setzen auf eine deutliche Entlastung bei der Lohn- und Einkommenssteuer, vor allem die Liberalen: Getreu dem Motto ‚Steuern runter, Jobs rauf’ plädiert die FDP für ein vollkommen neues Steuerrecht durch die Einführung eines Drei-Stufentarifs: 15, 25 und 35 Prozent. Dieses Modell soll auch für Kapitalgesellschaften gelten, also in eine rechtsformneutrale Besteuerung münden.
Was auf dem Papier gut klingt, würde nach Berechnungen des Bundesfinanzministeriums aber zu dramatischen Steuerausfällen führen. Die ehrgeizigen Steuerpläne, so heißt es, würden zu Mindereinnahmen des Staates in der Größenordnung von fast 77 Milliarden Euro führen. Der finanzpolitische Sprecher der Liberalen, Herman Otto Solms kontert:
Wer wie CDU, CSU und SPD keinerlei Vorschläge zur Reform des Steuersystems macht und beiderseits Entlastungen für haushaltspolitisch unmöglich hält, der hat die Zeichen der Zeit nun wirklich nicht verstanden. Das ist die Betrachtungsweise von Buchhaltern – die nur gucken, dass die Bilanz am Jahresende ausgeglichen ist.
Die Kritik gilt auch für die geplante Finanzierung der Hochwasserschäden – anstatt auf Steuererhöhungen wie die Koalition oder eine höhere Neuverschuldung wie die Union zu setzen, plädieren die Liberalen für Umschichtungen im Haushalt, also Kürzungen der Ausgaben. Denn, so das Credo der FDP: Steuererhöhungen seien grundsätzlich Gift für Konjunktur und Wachstum.
Im übrigen hält die FDP ihr Steuerkonzept sehr wohl für finanzierbar. Rechne man die falschen Annahmen des Finanzministeriums heraus und streiche diverse Subventionen und Steuervergünstigungen – Stichwort Verbreiterung der Bemessungsgrundlage - dann, so der Fraktionschef der Liberalen, Wolfgang Gerhardt, sei der Drei-Stufen-Tarif sehr wohl finanzierbar:
Wir zahlen allein im Bundeshaushalt etwa 55 Milliarden an Zuschüssen oder nehmen sie selbst unter dem polemischen Begriff Subventionen. Das ist ein Zuschussvolumen, dass etwa in die Nähe von 60 Milliarden kommt. Da gibt es Programme, wenn sie bei denen schlicht eine zehnprozentige Kürzung machen – über alle Bereiche, ein erhebliches Volumen der Gegenfinanzierung.
Da haben es CDU und CSU schon schwerer. Mit der Ankündigung, das Messer etwa an die zahllosen Steuervergünstigungen anlegen zu wollen, könnte die heftig umworbene Mitte der Wähler schnell verschreckt werden. Dennoch stellt auch die Union umfangreiche Steuererleichterungen im Falle eines Wahlgewinns in Aussicht. Nach einem Kassensturz werde man sich schon 2003 daran machen, eine große Steuerreform für das Folgejahr vorzubereiten. Der Kanzlerkandidat der Union Edmund Stoiber:
Die rot-grüne Steuerreform hat keine Impulse für Wachstum und Arbeitsmarkt gebracht. Hier haben wir nun die Bilanz – die gegenwärtigen Zahlen kennen sie. Die Binnennachfrage liegt danieder. Wir stehen bei Wirtschaftswachstum und Arbeitslosigkeit am Ende der europäischen Skala und wir haben eine Höchstzahl an Unternehmenspleiten – wir liegen auch hier, was die Unternehmenspleiten anbelangt, an der Spitze Europas.
Das soll sich zuletzt dank der geplanten Steuerreform der Union ändern. Das mittelfristige Ziel: der Eingangssteuersatz soll unter 15 Prozent, der Spitzensatz unter 40 Prozent gedrückt werden. Bei der Finanzierung bleibt die Union jedoch eher vage: Steuerschlupflöcher sollen geschlossen werden, ohne dass jedoch Details genannt werden. Aber die Union will noch mehr, ihr Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz:
Ich zähle hierzu insbesondere eine grundlegende Steuerreform, nicht eine Tarifkorrektur, sondern wirklich eine grundlegende Reform mit dem Ziel einer radikalen Vereinfachung unseres Steuersystems. Wenn nicht mehr nur die Steuerberater, die Kammern, sondern mittlerweile auch Finanzamtsvorsteher in dramatischen Aufrufen den Gesetzgeber auffordern, endlich das heillose Durcheinander in der Steuergesetzgebung zu beenden, dann ist der Zeitpunkt gekommen, wo wir über eine wirklich grundlegende Vereinfachung unseres Steuersystems nachdenken müssen.
Steuervereinfachungen haben sich übrigens alle Parteien für die kommende Legislaturperiode wieder Mal als zentrale Aufgabe gestellt – selbst die PDS. Allerdings weichen ihre steuerpolitischen Vorstellungen von denen der anderen politischen Konkurrenten insgesamt deutlich ab. So fordert die PDS nicht nur eine Ausweitung der öffentliche Ausgaben, sondern auch eine Erhöhung der Steuern. Der Grundtenor: Haushaltskonsolidierung sei zwar notwendig, nicht jedoch eine Bedingung staatlichen Handelns. Im Klartext: die PDS plädiert für eine grundlegende Umverteilungspolitik zu Gunsten der sozial Schwachen.
Da ist es kaum verwunderlich, dass die PDS vor allem die großen Unternehmen verstärkt zur Kasse bitten will. Veräußerungsgewinne sollten sachgerecht besteuert und die Höhe der Körperschaftssteuer abhängig vom Gewinn festgelegt werden, heißt es im Wahlprogramm. Erheblichen Korrekturbedarf bei der Unternehmensbesteuerung sieht aber auch die Union. Der Kanzlerkandidat Edmund Stoiber:
Wir haben im Jahr 2000 23,6 Milliarden Euro Körperschaftssteuer eingenommen. Wir haben im Jahre 2001 400 Millionen ausgezahlt. Das heißt, im Jahre 2001 waren die Finanzämter, was die Körperschafssteuer anbelangt, keine Einnahmestellen, sondern Ausgabestellen. Und wir haben im Jahre 2002 einen verstärkten Ausfall und ich halte das für ein enormes gesellschaftliches und soziales Problem.
Dafür aber sei die Steuerreform der rot-grünen Koalition verantwortlich. Tatsächlich hatte der steuersystematische Wechsel auf das sogenannte Halbeinkünfte-Verfahren mit einer Absenkung der Körperschaftssteuer auf pauschal 25 Prozent dramatische Folgen. Die großen Aktiengesellschaften lösen derzeit ihre alten, in der Regel hoch versteuerten Rücklagen auf, um sich die zu viel gezahlte Körperschaftssteuer vom Finanzamt zurückzuholen. Doch während die SPD von temporären Umstellungs- und Anpassungsschwierigkeiten ausgeht, erwägt die Union eine Anhebung der Körperschaftssteuer – jedoch erst 2004 im Zuge ihrer Steuerreform.
Dies gilt auch für die umstrittene Steuerfreiheit für Kapitalgesellschaften auf Erlöse, die sie beim Verkauf von Beteiligungen an anderen Kapitalgesellschaften erzielen. Auch hier erwägt die Union eine Änderung für 2004 – derzeit will sich der Kanzlerkandidat aber nicht festlegen:
Wir werden das nicht ändern, weil wir nicht Entscheidungen, die für die Wirtschaft relevant sind, nach vier Jahren sofort wieder ändern werden. Deswegen war unsere Position immer, dass wir auf der einen Seite die Veräußerungsgewinne überprüfen. Wir haben auch noch nicht festgelegt, dass wir sie höher besteuern. Wir haben gesagt, wir überprüfen sie, weil wir einen Gleichstand zwischen Mittelstand und zwischen den Kapitalgesellschaften wollen. Und gibt es den Gleichstand bei Null, dann ist es gut. Gibt es den Gleichstand nicht bei Null, dann müssen die Veräußerungsgewinne leicht besteuert werden.
Die Sozialdemokraten lehnen dies ab. Bei einer Besteuerung der Veräußerungsgewinne, so die Warnung des Finanzministeriums, könnten die Unternehmen in Zukunft auch ihre Verluste steuerlich geltend machen. Eine solche Option könnte angesichts des schwierigen Börsenumfeldes verstärkt genutzt werden und somit zu milliardenschweren Steuerausfällen führen. Doch selbst die Grünen sehen das inzwischen anders und plädieren ebenfalls für eine Reform bei der Unternehmensbesteuerung: Parteichef Fritz Kuhn zu Beginn der Woche:
Die Frage zusätzlicher Belastungen körperschaftspflichtiger Betriebe – da sind wir offen. Sie wissen, dass ich erst vor drei oder vier Wochen hier auf einer Pressekonferenz den Vorschlag gemacht habe, die Veräußerungsgewinne doch wieder steuerpflichtig zu machen. Wir haben den Vorschlag gemacht, sie gewerbesteuerpflichtig zu machen – mit dem Ziel, dass diese Mittel direkt bei den Gemeinden ankommen".
Denn die meisten Gemeinden und Städte in Deutschland stehen finanziell vor dem Kollaps. Vor allem bei der stark konjunkturabhängigen Gewerbesteuer mussten massive Einbrüche verkraftet werden – allein im letzten Jahr sanken die Nettoeinnahmen um 10,7 Prozent auf 17,1 Milliarden Euro. Abhilfe soll hier eine Gemeindefinanzreform schaffen, deren Umsetzung sich fast alle Parteien für die kommende Legislaturperiode zum Ziel gesetzt haben. Vor allem für die Gewerbesteuer soll es neue Regeln geben – der Finanzminister zu den allgemeinen Zielen einer bereits eingesetzten Kommission:
Wir brauchen eine Verstetigung für die meisten Investitionen der öffentlichen Haushalte und deswegen ist es für Arbeitsplätze wichtig und für die Dämpfung der konjunkturellen Auf- und Abschwünge, dass die Gemeinden nicht eine prozyklische Investitionspolitik machen, sondern dass sie eine stetige Investitionspolitik machen – und das ist genau das Ziel der Gemeindefinanzreform.
Ob dies jedoch auch eine Abschaffung der bei Experten und Wirtschaftsunternehmen heftig kritisierten Gewerbesteuer bedeutet, lassen die Sozialdemokraten in ihrem Wahlprogramm offen – genauso wie die Grünen und letztlich auch die Union. Lediglich die PDS spricht sich klar für eine Beibehaltung der Gewerbesteuer aus, während die FDP für ihre Abschaffung plädiert. Herman Otto Solms:
Einmal weil sie diese zyklische Wirkung hat, zum zweiten, weil sie eine Sonderbelastung für die deutschen Gewerbegetriebe ist, die es in anderen europäischen Staaten nicht gibt und zum dritten, weil die Abschaffung der Gewerbesteuer der Schlüssel zur Steuervereinfachung ist. Wegen der gewerblichen Steuer müssen sie nach unterschiedlichen Einkunftsarten unterscheiden, was das Steuerrecht so kompliziert macht.
Als Alternative zur Gewerbesteuer schlagen die Liberalen die Erschließung einer wirtschaftsbezogenen Steuerquelle vor. Etwa ein höherer Anteil der Gemeinden an der Umsatzsteuer sowie die Einführung eines eigenen Hebesatzrechtes bei der Einkommens- und Körperschaftsteuer. Eine Idee, die freilich bei den Städten und Gemeinden zumindest offiziell auf wenig Beifall stößt. Nicht zuletzt deshalb sind die anderen Parteien mit ihren Reformvorschlägen wesentlich zurückhaltender. Das ist bei der Ökosteuer anders. Abgesehen von der PDS, die sich für eine Ersetzung der Ökosteuer durch eine Primärenergiesteuer ausspricht, plädieren Union wie FDP für ihre Abschaffung. Der Grund: die Ökosteuer sei unsozial und ungerecht und sie habe weder positive Umwelteffekte erzielt noch die Lohnnebenkosten gesenkt, heißt es etwa bei den Liberalen. Auch bei der Union klingt das nicht viel anders, Edmund Stoiber:
Wir setzen die nächste Stufe der Steuerreform aus und lasen damit den Bürgern und der Wirtschaft mehr als drei Milliarden Euro im Geldbeutel. Die Ökosteuer belastet vor allem sozial Schwache und Durchschnittsverdiener und sie benachteiligt unsere Wirtschaft im europäischen Wettbewerb.
Stattdessen plädiert die Union für eine europaweit gültige Regelung. Offen bleibt jedoch, wie CDU und CSU im Falle einer Rücknahme der letzten Stufe der Ökosteuer eine Erhöhung der Rentenbeiträge verhindern wollen. Vage auch die Finanzierungsvorschläge der FDP: die Einnahmeausfälle sollten im Rahmen einer nicht weiter präzisierten Rentenreform kompensiert werden.
Die Sozialdemokraten tun sich da leichter – trotz Hochwasserkatastrophe und einem neu erwachten Interesse an der Umweltpolitik will die SPD zwar die noch anstehende 5. Stufe der Steuer auf Benzin und Strom zum 1. Januar 2003 in Kraft setzen, die allein in diesem Jahr Einnahmen über 14,3 Milliarden Euro bedeuten. Doch dann, so Bundeskanzler Gerhard Schröder, soll erst mal Schluss sein:
Was wir brauchen und was wir geleistet haben – darauf habe ich immer sehr geachtet – dass das Pendel nicht zur einen oder anderen Seite falsch ausschlägt. Das heißt, dass es eine Balance gibt zwischen den ökonomischen und sozialen Notwendigkeiten und den ökologischen. Das haben wir hinbekommen und jetzt sollte man, wenn es weitergeht, was die Klimapolitik angeht, das ganze Spektrum der Instrumente nutzen, sich aber nicht auf eines kaprizieren- das hielte ich für verkehrt.
Für die Grünen ist die Lage komplizierter. Die erfolgreiche Einführung der Ökosteuer stellt zwar das Markenzeichen der Umweltpartei dar – doch die Grünen sind mit der Forderung nach weiteren ökologisch motivierten Belastungen vorsichtig geworden. Zu tief sitzt noch immer der Schock des Magdeburger Parteitages vom Frühjahr 1998. Damals wurde die Forderung nach einem Spritpreis von 5 Mark pro Liter aufgestellt – wenig später sackten die Umfragewerte in den Keller.
Insofern bleibt die Partei an diesem Punkt in ihrem aktuellen Wahlprogramm eher vage: grundsätzlich streben die Grünen eine Ökologisierung der Marktwirtschaft an, dazu zählt auch das Festhalten an der Ökosteuer und ihre Einbettung in eine ökologische Finanzreform. Konkrete Erhöhungsschritte will Parteichef Kuhn jedoch nicht preisgeben:
Der Grund ist der, dass wir sagen: sie müssen für die Erhöhungsschritte, die wir da vorhaben, die konkreten Energiepreise auch des Jahres 2003 kennen, die sich ja auch durch politische Bedingungen etwa in den arabischen Ländern oder durch Wechselkursverhältnisse zwischen Euro und US-Dollar ermitteln. Eine planwirtschaftliche Konzeption – wir sagen jetzt über die nächsten acht Jahre den Energiepreis – halten wir nicht für richtig. Aber die Aussage ist ganz konkret: wir wollen, dass sich Umweltverbrauch verteuert und Arbeitskosten gesenkt werden.
Die Absenkung der Lohnnebenkosten, die Rückführung der Staatsquote und die Konsolidierung des Haushalts nimmt fast in allen Parteiprogrammen eine zentrale Stellung ein. Markig hat etwa die Union ihr Projekt "3 mal 40" aus der Taufe gehoben: Neben der Absenkung des Spitzensteuersatzes und der Sozialbeiträge auf unter 40 Prozent soll auch die Staatsquote unter jene magische Marke gedrückt werden. Derzeit aber liegt der Staatsanteil am Bruttoinlandsprodukt bei knapp 50 Prozent – daher heißt es auch bei der Union, dies sei allenfalls ein mittelfristig erreichbare Ziel.
Zum gleichen Ergebnis kommt auch der Finanzminister, zumal sein Haus schon mal nachgerechnet hat: eine Absenkung der Staatsquote auf unter 40 Prozent würde ein Rückzug des Staates in der Größenordnung von 170 Milliarden Euro bedeuten.
Es bleibt dabei, glaube ich, dass Bildung, dass die Infrastruktur, dass wesentliche Einrichtungen des Sozialwesens, die äußere und innere Sicherheit Staatsaufgaben bleiben, und für die muss das Geld auch zur Verfügung stehen. Das muss man sich genau überlegen. Und dann macht es einen großen Unterschied, wie ich Staatsquote senke. Ich habe einmal bei einer Rede in der Humboldt-Universität vor zwei Jahren von 40 Prozent geredet, auf das Jahr 2012 projiziert. Das setzt aber voraus, dass wir 2006 einen ausgeglichenen Haushalt haben.
Sparen wollen auch FDP und Union – das Ziel, so heißt es übereinstimmend, sei die Rückführung der Neuverschuldung. Ein konkreter Termin wie bei den Sozialdemokraten wird jedoch nicht genannt. Am Bekenntnis zum europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie den Defizitkriterien von Maastricht fehlt es dennoch nicht – trotz der jüngsten Querelen um die Vorschläge der Union zur Finanzierung der Hochwasserschäden. CDU und CSU wollen sogar noch einen Schritt weiter gehen: ein nationaler Stabilitätspakt soll die Bundesländer an die finanzpolitische Leine nehmen, kündigt ihr Finanzexperte Friedrich Merz an:
Wir brauchen insbesondere gegenüber den Verpflichtungen, die wir in den europäischen Union eingegangen sind, aber auch genauso aus eigenem nationalem Interesse, eine Verabredung mit den Ländern über die Aufteilung der Defizitquoten, um die entsprechende Haftung für eine mögliche Überschreitung. Ein solcher Stabilitätspakt muss in Form eines Staatsvertrages abgeschlossen werden, dem auch die Länderparlamente zustimmen, weil auch die Länder damit einen Teil ihrer Haushaltssouveränität abgeben. Insofern bedarf es hier eines Staatsvertrages.
Der dann auch die geplante Neufassung der föderalen Finanzbeziehungen ergänzen würde – ein Vorhaben, dass allerdings auch Hans Eichel in den nächsten vier Jahren umsetzen will. Die letzte große Finanzreform in Deutschland gab es übrigens 1969 – erarbeitet und umgesetzt von der ‚großen Koalition’.