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Diät-Cola ohne Abgang

Neurologie. - Süßstoffe können tatsächlich bitter schmecken, besonders, wenn sie extrem hochdosiert auftauchen. Ernährungswissenschaftler aus den USA und aus Potsdam haben jetzt eine Möglichkeit gefunden, den bitteren Nachgeschmack von Süßstoffen zu verhindern.

Von Marieke Degen | 29.07.2010
    Eine Cola light ist ein Segen für figurbewusste Naschkatzen: Statt Zucker enthält sie einen Mix aus künstlichen Süßstoffen, deshalb hat sie kaum Kalorien. Doch alles hat seinen Preis, und das gilt auch für die Süßstoffe Sacharin und Acesulfam K. Maik Behrens, Biologe am Deutschen Institut für Ernährungsforschung in Potsdam.

    "Eine Reihe von Süßstoffen hat in höheren Konzentrationen keine reine Süße, sondern zusätzliche Beigeschmäcker und die Süßstoffe, um die es es jetzt geht, die haben in hohen Konzentrationen einen bitteren Nachgeschmack, was natürlich nicht sehr vorteilhaft ist."

    Auf unserer Zunge bestimmen spezielle Geschmacksrezeptoren, ob etwas süß oder salzig, sauer, herzhaft oder bitter schmeckt. Sacharin und Acesulfam K aktivieren natürlich in erster Linie die Geschmacksrezeptoren für Süßes. Aber in hohen Konzentrationen aktivieren sie auch Bitterrezeptoren. Und so kommt es, dass die Süßstoffe einen eher unangenehmen Abgang haben. Doch damit könnte es bald vorbei sein, denn, so Behrens,

    "wir haben den ersten Bitterblocker für bestimmte Bitterezeptoren gefunden, der in der Lage ist, den bitteren Geschmack zu reduzieren, beziehungsweise sogar ganz auszublenden."

    Der Bitterblocker heißt GIV3727, ein künstlicher Stoff aus dem Labor. Er ist das Ergebnis jahrelanger Arbeit. Erst einmal mussten die Forscher herausfinden, welche der vielen verschiedenen Bitterrezeptoren auf unserer Zunge überhaupt auf Sacharin und Acesulfam K reagieren. Die Potsdamer haben sich dafür alle Bitterrezeptoren in der Petrischale durchgetestet. Zwei der Rezeptoren hatten tatsächlich auf die Süßstoffe reagiert. Behrens:

    "Und das hat natürlich Interesse geweckt, gezielt nach Bitterblockern zu suchen, weil das natürlich eine Beeinträchtigung der Geschmacksqualität vieler Lebensmittel bedeutet."

    Danach kam die Fleißarbeit: Zehntausende künstliche Moleküle durchtesten und schauen, welche davon die Bitterrezeptoren blockieren können. Das haben Maik Behrens' Kollegen in den USA gemacht. Die Forscher wurden fündig: Das Molekül GIV3727 nimmt die Bitterrezeptoren in Beschlag und verhindert so, dass die Süßstoffe überhaupt andocken können. Anschließend machten die Amerikaner die Probe aufs Exempel: Zwanzig Freiwillige bekamen eine Acesulfam K Lösung zu trinken. Einmal war der Bitterblocker beigemischt, einmal nicht, erklärt Anne Brockhoff, Ernährungswissenschaftlerin aus Potsdam.

    "Und diese Personen mussten dann entscheiden, welche dieser beiden Lösungen sie als bitterer einstufen würden, und dann hat ein Großteil der Personen gesagt, dass die Acesulfam-K-Lösung ohne den Inhibitor die bitterere Lösung ist."

    Der Bitterblocker besetzt die Rezeptoren aber nur für kurze Zeit. Brockhoff:

    "Also das ist nur eine vorübergehende Blockierung, sobald man die Lösung ausspült aus dem Mund ist die Blockierung vorbei."

    Trotzdem wird es wohl noch eine Weile dauern, bis Lebensmittelkonzerne den Bitterblocker tatsächlich einsetzen können. Bitterrezeptoren gibt es nämlich nicht nur auf der Zunge, sondern auch in der Lunge und im Magen-Darm-Trakt.

    "Es ist davon auszugehen, dass sie auch in diesen anderen Geweben eine Funktion ausüben, die ähnlich der Funktion ist, die wir auch im Geschmackssystem haben. Sie warnen uns vor möglicherweise giftigen Substanzen. Aber da ist die Forschung wirklich noch in den Kinderschuhen."

    Im Magen-Darm-Trakt haben Bitterrezeptoren möglicherweise noch eine andere Aufgabe: Wahrscheinlich helfen sie dabei, Stoffwechselprozesse zu steuern. Es ist also denkbar, dass der Bitterblocker GIV3727 in diese Prozesse eingreifen und sie stören könnte.

    "Diese Bedenken sind durchaus gerechtfertigt, und das sind alles Gegenstände von Untersuchungen, die gemacht werden müssen, bevor es zur industriellen Anwendung von diesem oder ähnlichen Bitterblocker kommen kann."

    Erst wenn diese Fragen geklärt sind, könnte der Bitterblocker eine Cola light zu einer wahren Gaumenfreude machen: So gut wie keine Kalorien, und einfach nur süß.