Freitag, 19. April 2024

Archiv


Diagnose aus der Ferne

Die "International Conference on Mobile Business" beschäftigt sich mit dem immer vielfältiger werdenden Einsatz mobiler Endgeräte in der Geschäftswelt. Bei der diesjährigen Veranstaltung in Berlin lag einer der Themenschwerpunkte auf der Nutzung von Smartphones und Tablet-Computern im Gesundheitsbereich.

Von Po Keung Cheung | 15.06.2013
    Eigentlich stand die US-Internet-Überwachungsaffäre PRISM nicht auf der Tagesordnung der viertägigen Konferenz in Berlin. Die rund 70 Wissenschaftler aus aller Welt wollten eher über theoretische Ansätze im "Mobile Business", bei den mobilen Geschäftsanwendungen diskutieren. Da aber Erhebung, Verwendung und Sicherheit von Daten hier eine wichtige Rolle spielen, fanden die aktuellen Enthüllungen dann doch Zugang zum Tagungsprogramm. Key Pousttchi, Leiter der Forschungsgruppe wi-mobile an der Universität Augsburg und Vorsitzender der ICM:

    "PRISM zeigt, dass staatliche Stellen, die eigentlich die Grundrechte schützen müssten, die eigentlich sagen müssten, an dieser Stelle liegt Marktmacht vor, die begrenzt werden muss, die eigentlich eingreifen müssten, stattdessen diese Daten sehen und sagen: Wir sind auch sehr an diesen Daten interessiert."

    Kontakte, Verbindungsdaten, Bewegungsprofile, aufgerufene Internetseiten: Das Smartphone sei vielleicht das einzige Werkzeug, wo solche Daten kombiniert gespeichert sind, sagt Key Pousttchi. Demzufolge gibt es wohl ein hohes Potenzial für Missbrauch. Nach Ansicht des Forschers besteht dringender Regulierungsbedarf, um Daten zu schützen. Doch das Fazit fällt eher nüchtern aus.

    "Im Moment machen wir die in freien Staaten geltende Regel der freien und vertraulichen Kommunikation zur Ausnahme. Damit verwischen wir die Grenze zwischen freien und totalitären Staaten."

    "Daten sind grundsätzlich nichts Schlechtes", so lautete ein Motto der Tagung. Allerdings sollten die Nutzer selbst entscheiden dürfen, wer wann wo was über sie speichert, fordert Key Pousttchi. Am hohen Potenzial von "Mobile Business" gab es auf der Konferenz aber grundsätzlich keine Zweifel. Ein weiterer Schub wird von der Verbreitung der Geräte erwartet. 2013 werden erstmals mehr Smartphones verkauft als herkömmliche Mobiltelefone, so die Prognose von Marktforschern.

    Ein Themenschwerpunkt auf der ICMB war "Mobile Health", die Nutzung von Smartphones und Tablet-Computern im Gesundheitsbereich. Junichi Iijima vom Tokioter Institut für Technologie.

    "Im Gesundheitssystem kann ein Tablet dazu genutzt werden, um Daten zu speichern und sie allen Projektbeteiligten zugänglich zu machen. Das System ist über Mobilfunk mit einem Server im Universitätsklinikum verbunden, auf denen Patienteninformationen gespeichert sind."

    In anderen Ländern wird ebenfalls an Varianten der "Elektronischen Patientenakte" geforscht. Markus Bick, Professor für Wirtschaftsinformatik an der Wirtschaftshochschule ESCP Europe in Berlin.

    "Es gab ja mal einen ersten Ansatz auch im Sinne "Google Health", wo ich meine ganzen Patientendaten hinlege, gar keine Akte mitnehmen muss, der Arzt kann dann wirklich darauf zugreifen und sehen: Aha, das ist Markus Bick, Größe, Gewicht und so weiter - und was schließe ich daraus beziehungsweise auch Vorgeschichte. Da bietet es sich natürlich an."

    Die Forscher arbeiten darüber hinaus an Verfahren, die die Übertragung von medizinischen Gesundheitsdaten per Smartphone erlauben. Sensoren am Körper des Patienten erfassen beispielsweise Blutdruck, Herzfrequenz oder Temperatur und senden die Daten per Mobilfunk an den Arzt. Markus Bick verweist hier auf den demografischen Wandel: Ältere Menschen könnten dadurch länger zu Hause leben, weil ihr Hausarzt aus der Ferne sieht, wie gut es ihnen geht.

    Abrechnung und Bezahlung der medizinischen Leistungen könnten ebenfalls mobil per Smartphone erfolgen. Denn auch "M-Payment" zählte zu den großen Themen der ICMB. Konferenz-Vorsitzender Key Pousttchi.

    "Das wird in den nächsten Jahren der am stärksten umkämpfte Bereich zwischen den Marktteilnehmern sein. Da sehen Sie nicht nur Banken und Mobilfunkanbieter, sondern viel stärker noch Kreditkartenfirmen, die großen Internetplayer, die alle Aktivitäten zum Payment haben, aber auch den stationären Einzelhandel."

    Das Smartphone als Geldbörse: Installierte Programme, sogenannte Apps, übermitteln die Kundeninformationen an den Verkäufer. Oder die Daten sind auf einem sogenannten NFC-Chip gespeichert und können ausgelesen werden, sobald der Käufer sein Telefon an die Kasse hält. Was heute schon im Rahmen einzelner kommerzieller Projekte funktioniert, soll künftig ganz normaler Alltag werden. Ebenso wie sogenannte "M-Government"-Lösungen, mit denen Bürger und Behörden über das Smartphone in Kontakt treten können, um zum Beispiel Steuererklärungen abzuschicken oder Katastrophenwarnungen auszusenden.

    Das Innovationspotenzial im "Mobile Business" scheint grenzenlos zu sein.