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Dialog der Religionen
"Wir sind nicht allein"

Räte der Religionen aus ganz Deutschland haben sich erstmals zu einem Bundeskongress getroffen. In Frankfurt am Main diskutierten sie über Konflikte und Gemeinsamkeiten – und darüber, warum es in Ostdeutschland kaum interreligiöse Projekte gibt.

Von Christian Röther | 18.09.2018
    Die Katharinenkirche an der Hauptwache in Frankfurt am Main (Hessen), fotografiert am 10.04.2017. Die Internationalität der liberalen Hessenmetropole mit mehr als 180 Staatsangehörigkeiten und dem größten deutschen Flughafen spiegelt sich in der Religiosität: Mehr als 160 Gemeinden aller Weltreligionen sind nach Angaben der Stadt am Main vertreten. Foto: Frank Rumpenhorst /dpa zu dpa-Korr "Dom, Synagoge und Moscheen: Frankfurt beherbergt viele Religionen" Foto: Frank Rumpenhorst/dpa | Verwendung weltweit
    In Frankfurt am Main sind alle Weltreligionen vertreten, organisiert in mehr als 160 Gemeinden. (dpa)
    Mitten in Frankfurt, zwischen Banken, Hotels und Museen, versteckt sich ein altes Dominikanerkloster. Katholische Mönche gibt es hier allerdings schon lange nicht mehr, stattdessen ein evangelisches Tagungszentrum. In dem treffen sich nicht nur Protestantinnen und Katholiken, sondern auch Muslime, Buddhisten, Jüdinnen, Bahai und Jesiden – beim ersten Bundeskongress der Räte der Religionen.
    "Es geht zunächst darum, uns kennenzulernen. Man kennt sich vielfach deutschlandweit noch gar nicht", sagt der evangelische Theologe Wolfgang Reinbold vom Rat der Religionen in Hannover, einer der Organisatoren des Kongresses. 30 Räte der Religionen sind der Einladung gefolgt und haben kleine Delegationen nach Frankfurt geschickt.
    "Also ich bin sehr überrascht, dass es so viele verschiedene Gruppierungen tatsächlich gibt, die dann als Rat der Religionen oder Forum der Religionen auf irgendeine Art und Weise sich zusammengeschlossen haben."
    Hamideh Mohagheghi ist islamische Theologin und kommt ebenfalls aus Hannover.
    "Es erfreut mich sehr, dass dann diese Bemühung da ist, den Dialog zwischen den Religionen und der Gesellschaft in irgendeiner Form tatsächlich auch hier zu führen."
    Warten auf den Oberbürgermeister
    Die meisten Räte der Religionen sind bislang in größeren Städten entstanden – im Norden, Westen und Süden der Republik. Der Osten fehlt – bis auf Berlin und Dresden. Dabei würde sicher auch dem Osten mehr interreligiöser Dialog guttun, meint eine Frau bei der Abschlussdiskussion – mit Blick auf die aktuellen politischen Entwicklungen und Verwerfungen.
    Dass es keine interreligiösen Initiativen gibt, ist allerdings kein reines Ostphänomen, sagt der katholische Theologe Joachim Valentin vom Rat der Religionen Frankfurt:
    "Auch ein ländlich geprägtes Bundesland wie Rheinland-Pfalz kommt im Grunde noch nicht vor. Wir haben intensiv recherchiert, aber keinen Rat der Religionen gefunden. Und wir freuen uns natürlich, wenn unser Beispiel Schule macht und man auch anderswo auf die Idee kommt: Wir müssten das friedliche Miteinander der Religionen doch bei uns vor Ort mal strukturiert auf neue und eigene Beine stellen."
    Allerdings warnt Wolfgang Reinbold, interreligiöse Projekte sollten besser nicht von oben installiert werden, denn das habe oft keinen Erfolg:
    "Es gibt manchmal das Modell, dass der Oberbürgermeister einer Kommune einen Rat der Religionen einberuft, weil er gerne einen hätte. Und dann macht man ein großes Foto und steht in der Zeitung, und plötzlich nach zwei Jahren merken die Leute, es passiert eigentlich nicht viel, weil alle warten, dass der Oberbürgermeister wieder einlädt."
    Besser funktionierten Initiativen von unten, wie die von Pfarrerin Annegret Mayr:
    "In Siegen sind wir eine freie Initiative. Also nicht von der Stadt, von der Kommune zusammengerufen, sondern Leute, die ein eigenes Interesse haben am Dialog und am friedlichen Zusammenleben."
    Spaltung der Gesellschaft
    Dieses friedliche Zusammenleben ist auch ein zentrales Themen beim interreligiösen Kongress in Frankfurt. Viel wird diskutiert über globale Konflikte und wie sie sich vor Ort auswirken auf das Miteinander in Deutschland.
    Mayr: "Es gibt viele Spaltungen in der Gesellschaft, und wir arbeiten daran, die zu überwinden. Also das ist eine große Freude, dass das hier so deutlich geworden ist."
    Möglich wurde der Bundeskongress auch, weil vor allem die Evangelische Kirche ihn finanziell unterstützt. Oft sind es die Kirchen, die die Strukturen schaffen für interreligiöse Projekte, sagt Joachim Valentin:
    "Die christlichen Gemeinden sind häufig Initiatoren und auch heute noch relativ präsent in den Räten, weil sie mit der guten Struktur und der guten finanziellen Ausstattung mit Hauptamtlichen einfach die Ressourcen dafür haben, während viele kleinere Religionsgemeinschaften zwar interessiert sind, aber natürlich mühsam ihre eigene Gemeindestruktur organisieren, sodass man von dort einfach nicht dieses Engagement erwarten darf."
    Trotzdem sind auch Vertreterinnen und Vertreter kleinerer Religionsgemeinschaften nach Frankfurt gekommen. Der Bundeskongress der Räte der Religionen fand allerdings nicht überall Unterstützung. Weder der Bundespräsident noch die Bundeskanzlerin wollten die Schirmherrschaft übernehmen, sagen die Organisatoren. Und auch die Deutsche Bischofskonferenz habe keine Mittel zur Verfügung stellen können. Das Fazit der Teilnehmenden fällt trotzdem überwiegend positiv aus.
    "Mir haben die Gespräche den Blick geschärft für vielerlei Aufgaben und Probleme, mit denen wir konfrontiert sind. Einmal, dass es die woanders in ähnlicher Konstellation auch gibt. Ich fühle mich besser ausgerüstet für die Arbeit. Also ich gehe sehr zufrieden hier raus."
    Sagt Susanne Bald, Polizistin aus Siegen. Konkrete Ergebnisse hat der erste Bundeskongress der Räte der Religionen eher nicht zu bieten. Das war aber auch nicht das Ziel, sondern es sollte vor allem darum gehen, Themen zu identifizieren, an denen zukünftig gearbeitet werden soll: etwa interreligiöse Konflikte und wie man sie entschärfen kann, indem man miteinander ins Gespräch kommt.
    "Große Einmütigkeit"
    "Wir erleben hier eine große Einmütigkeit", bilanziert Joachim Valentin, Mitorganisator des Kongresses:
    "Für uns alle ist es die Erfahrung: Wir sind nicht alleine. Den Marburger, den Ludwigsburger, den Hannoveranern, den Münchnern geht es so ähnlich wie uns. Wir können voneinander lernen und deswegen wird es auch mit Sicherheit einen zweiten und auch einen dritten Bundeskongress der Religionen in den nächsten Jahren geben."
    In einem Jahr wollen sich die Räte der Religionen in Hannover treffen. Sie hoffen auf noch mehr Teilnehmende, auch aus Ostdeutschland, und haben sich außerdem vorgenommen, eine gemeinsame Erklärung zu verabschieden – Thema noch offen, aber so wollen die Räte der Religionen öffentlich sichtbarer werden. Das ist dann doch ein konkretes Ergebnis.