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Dialog im Boot

So, hier ist noch soon Paddel ... Plätschern .... Paddeln ...

Von Konrad Lindner |
    So, hier ist noch soon Paddel ... Plätschern .... Paddeln ...

    Sie kann brüllen. Sie kann flüstern. Um die Stimme der Elbe besser zu verstehen, sind verschiedene Experten in die Boote gestiegen. Aus Oldenburg ist die Meeresumweltwissenschaftlerin Ulrike Kallee zur Schlauchbootfahrt gekommen.

    Hier haben sich alle möglichen Leute zusammengefunden und wollen diskutieren über die Zukunft unserer Flüsse: Wie wir die Flüsse ökologisch gestalten können. Rückbauen können und wie man quasi diesen Konflikt 'Ökologie gegen Binnenschifffahrt' auflösen kann.

    Die Fahrt hat kaum begonnen, da bewegen sich die Boote auf einen riesigen Steinhaufen zu. Tausende Tonnen ragen am Ufer der Grieboer Schweiz in die Höhe. Während über den Booten ein Seeadler kreist, zeigt der Gewässerökologe Martin Pusch aus Berlin auf die Steinmassen.

    Das sind die Wasserbausteine, die die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung hier hergefahren hat, um den Verbau der Elbe zu verbessern, um die Schifffahrt zu verbessern, den Wasserstand zu erhöhen, aber das ist gerade das, was wir nicht wollen, weil das eben auch die Tiefenerosion des Flusses fördert und man sieht hier am Ufer gerade sehr schön, wie der Uferverbau der in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts gebaut wurde, jetzt schon hoch über dem Wasser liegt, weil sich der Fluss eingegraben hat und damit auch der Grundwasserstand sinkt, die Auenwälder austrocknen. Das alles sind Folgen, die wir nicht wollen!

    Unter den Biologen sitzt ein Theologe. Ulrich Seidel vom kirchlichen Forschungsheim in Wittenberg, das sich mit ökologischen Fragen beschäftigt. Der Pfarrer widerspricht, wenn von der Schifffahrtsverwaltung erklärt wird, dass nur die Buhnen repariert werden.

    Ja, das denkt man so. Aber all' diese Ausbaumaßnahmen, diese Uferbefestigungen, die Zerstörung der Sandstrände, um eine größere Elbtiefe und Fließgeschwindigkeit zu erreichen, alles das sind solche Eingriffe, die wir uns vielleicht langsam nicht mehr leisten können und man dachte immer, dass nachdem, was im letzten Jahr hier passiert ist, wo uns das Wasser am Halse stand, nun langsam mal ein Umdenken in Gang kommen muss, aber ich glaube, wir sind wieder ein Stück davon entfernt, wie jeder Mensch nach einer großen Katastrophe. Das hält nicht lange vor!

    An einer der Fähren kommt Ulrich Kasparick zu den Booten. In den Augen des SPD-Politikers ist die Lobby für Saale-Kanal und für Elbausbau dem alten Denken verhaftet. Da der Abgeordnete im Bundestags-Ausschuss für "Bildung und Forschung" mitarbeitet, ist er mit vielen Wissenschaftlern im Gespräch. Auch mit den Mitarbeitern des Instituts für Klimafolgenforschung in Potsdam. In diesem Zusammenhang verweist Ulrich Kasparick darauf, dass die Forscher bereits vor dem Augusthochwasser eine Studie über den Einfluss der Klimaveränderung auf das Gesamtsystem der Elbe fertiggestellt hatten.

    Das wichtige Ergebnis ist: Die Amplitude des Flusses schlägt stärker aus! D. h. wir kriegen höhere Hochwässer und noch niedrigere Niedrigwässer. Die ganzen Ausbaupläne zielen ja darauf, den Niedrigwasserstand anzuheben, damit man auch bei Niedrigwasser besser fahren kann. Das wird durch die Klimaveränderung alles aufgefressen. Auch deswegen - sage ich - sind die Flußausbaumaßnahmen an der Elbe rausgeschmissenes Geld. Weil: Die Elbe ist ein flacher Fluß im Sommer und dieses Niedrigwasser wird sich noch verschärfen, sagen uns die Klimaforscher. Und ich finde solche Ergebnisse von solchen großen Studien sollte die Politik berücksichtigen.

    Die Wissenschaft wird einen Beitrag leisten, wenn ein ökologisches Gesamtkonzept für die Elbe erarbeitet wird. Es wird zu bedenken sein, dass die Stromlandschaft der Elbe Freiräume benötigt, damit die zunehmenden Extreme in der Wasserführung aufgefangen werden. Aus Paris ist Bernd von Droste-Hülshoff angereist, um an der Diskussionsfahrt im Schlauchboot teilzunehmen. Der Ökologe prüft im Auftrag der UNESCO die Rahmenbedingungen für die Aufnahme der Elblandschaft ins Weltkulturerbe.

    Man ist als Bürger hoch erfreut, dass - wie am Rhein - der Lachs wieder da ist, dass eine Lachsfischerei möglich ist, dass der Biber sich weiter ausbreitet, das ist ein Zeichen, dass die ökologische Gesundung im Gang ist. Sie ist ja noch keineswegs völlig gesund die Elbe. Die Schwermetalle, die abgelagert sind und noch abgelagert werden, sind im Volumen ganz erheblich. Es ist da noch vieles zu tun. Wir sind am Anfang einer ökologischen Gesundheit des Elbetales und noch nicht am Ende.

    Nicht nur die in den Schlauchbooten mitfahrenden Wissenschaftler und Politiker, auch die Fährleute sind mit der Elbe gut vertraut. Einer von ihnen ist Erhard Kretzmann. Ihn kann man fragen, ob der schwankende Strom der Elbe, mit dem Auf und Ab der Wasserstände, für die Anwohner zwischen Dresden und Hamburg eine Freude oder ein Ärgernis darstellt.

    Die Elbe ist alles beides. Die Elbe ist eine große Freude, wenn man sich mit der Elbe vertragen tut. Ist es in Ordnung. Aber voriges Jahr hat die Elbe gebrüllt! Da hat sie sich gewehrt. Hat sie den Menschen gezeigt, dass der Mensch nur klein ist. Und er sollte nicht in die Natur eingreifen, wo es nicht unbedingt notwendig ist.