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Dialog mit dem eigenen Werk

Vor einem Jahr wurden die Werke des Malers Georg Baselitz in einer Retrospektive in Bonn gewürdigt. Die Münchner Pinakothek der Moderne zeigt nun großformatige Gemälde des Künstlers. Diese lässt sie vom Künstler nicht selbst interpretieren, sondern durch Dialoge mit neuen Werken in ein Gespräch treten. Denn viele seiner programmatischen Werke sind schon jüngere Kunstgeschichte. So was nennt man aber nicht Selbstgespräch, sondern "Remix-Dialog der Bilder".

Von Walter Kittel |
    Georg Baselitz, so könnte man meinen, will es noch mal wissen: Ganz groß trumpft er auf in dieser Ausstellung. Die malerischen Gesten sind weit ausholend und die Formate einheitlich groß. Das ist ein Neubeginn, das ist ein Aufbruch, zweifellos.

    Im ersten Augenblick ist man fast erschlagen, mindestens verblüfft von diesem Spektakel. Wer das Oeuvre von Baselitz kennt, sieht aber schnell, alles ist vertraut, die Motive ebenso wie die Titel. "Remix" steht klein immer daneben. "Der Adler", Remix 2005 oder "Die große Nacht im Eimer", Remix 2005, oder "Die großen Freunde", Remix 2006. Nur leicht schwankt die Datierung. Schnell wird klar, das muss ein rauschhafter Prozess gewesen sein, in dem diese 42 Bilder in nur zwei Jahren entstanden.

    Schlanker und leichter sind die neuen Werke im Vergleich zu den Alten geworden. Manches wurde entrümpelt. Und die Resultate können sich sehen lassen. Auch wenn ihnen die Tiefe der alten Arbeiten fehlt. Und auch wenn die Auseinandersetzung, das Ringen um Formen und Farben auf der Leinwand nicht so dramatisch ist wie früher.

    "Ich habe ganz viel Symbolik weggenommen von alten Bildern. Die ist nicht mehr da. Viel Ballast ist weg. Es ist schon plakativer oder freier oder selbstverständlicher jetzt. Das ist ohne Zweifel. Ich hab früher zum Beispiel nie Buntfarben transparent auf die Leinwand gesetzt, das konnte ich nicht. Und heute mache ich das."

    Baselitz kann und erlaubt sich heute vieles, was er früher nie getan hätte. Er versucht auch, manche Motive inhaltlich zu klären. Die Figur im Bild "Die große Nacht im Eimer", ist heute etwa eindeutig als Hitler zu erkennen. In der ursprünglichen Fassung von 1962/63 hatten Kritiker geglaubt, es könnte sich auch um den Künstler selber handeln.

    Baselitz hat in seinen Neuinterpretationen nicht nur die Motive und Farben variiert, sondern auch die Formate auf drei Meter mal 2,50 beziehungsweise drei mal vier Meter genormt. Das gibt diesem Rückblick auf das eigene Werk eine zusätzliche Kraft. Denn die Remix-Bilder können so als Serie wahrgenommen werden. Feine Nuancen in den Bildern treten zugunsten eines rasanten Maltempos zurück. Widerstände und Details auf der Leinwand, an denen man sich beim alten Baselitz kaum satt sehen konnte, sind in der Regel verschwunden.

    "Das Tempo ist viel größer und die Effizienz ist enorm. Also Sie sehen unmittelbar, und ganz direkt klischeehaft, das Ding vor sich. Bei den Beispielen in dem Saal, bei den alten Beispielen, ist das viel, viel schwieriger. Sie müssen durch einen ziemlichen Brei schauen, um überhaupt zu sehen, was ist da los."

    Natürlich wirft eine solche Ausstellung Fragen auf. Etwa warum Baselitz diese Auseinandersetzung mit dem eigenen Werk überhaupt führt?

    "Irgendwann fiel mir ein, dass das Zerstören, oder das Hantieren mit fremden Bildern, also mit Munch, Dix, Picasso, de Kooning, Pollock, und so weiter, eine Sache ist. Aber: Wie wäre es denn, habe ich mich gefragt, wenn ich anfange, meine eigenen Bilder zu benutzen, zu demolieren oder mit denen einfach zu arbeiten?"

    Und wie kann Baselitz sich erneut mit seinen Bildern auseinandersetzen, wo sie doch über Sammlungen und Museen in der ganzen Welt verstreut sind?

    "Ich habe ja in der linken Hand ´ne Reproduktion, ein Katalog oder Foto, und hab´ also alle Formalitäten fest. Überlege mir die Mal-Methode, vielleicht auch den Stil manchmal, und führe das aus. Aber nur, wenn vorher das Bild ausgedacht schon da war."

    Im Kopf also muss das Bild schon vorhanden sein - was erklärt, warum Baselitz manchmal nur wenige Stunden braucht für eine Neuinterpretation. Eines darf man Georg Baselitz nach dieser Ausstellung nicht wünschen: dass sein Aufbruch durch ständige Vergleiche mit den alten Bildern erstickt wird. Dass die Vorlagen zu den Remix Bildern besser sind, weiß aber wohl auch der Künstler.

    "Und ich befürchte, der Vergleich fällt zugunsten der Anderen aus, der Alten. Aber das ist ja schon was. Ich hab´ ja gesagt, ich demoliere meine eigenen Dinge. Und ich bin ganz sicher, dass das, was ich jetzt mache, so schnell nicht erkannt wird. So ist es immer gewesen, in meiner Karriere jedenfalls."