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Dicke Bewerbungsmappen sind out

Die Do's und Don'ts bei Bewerbungen in den USA orientieren sich an dem Motto "Zeit ist Geld". Wer überzeugende Bewerbungsunterlagen eingeschickt hat und zum Bewerbungsgespräch geladen wird, darf trotzdem in keines der reichlich vorhandenen Fettnäpfchen treten. Denn die lockere Art, für die die Amerikaner im Geschäftsleben bekannt sind, täuscht leicht über das knallharte Business hinweg, der dahinter steckt.

Von Max Bohnel |
    Anschreiben und Lebenslauf können per Post oder Email eingereicht werden. Optisch ansprechend und auf das Wesentliche beschränkt sollen die Bewerbungsunterlagen sein. Im Anschreiben wird Wert auf die persönliche, direkte Anrede des Gegenübers gelegt, das Karriereziel des Bewerbers sollte im Vordergrund stehen. Tabu sind Angaben über Familienstand, Religionszugehörigkeit, Alter, Herkunft und Gesundheit - sowie ein Lichtbild. Denn der potentielle Arbeitgeber will wegen der strengen Antidiskriminierungsgesetzgebung keinen Prozess riskieren. Der Lebenslauf müsse rein optisch interessant gestaltet und knapp bemessen sein, sagt Liz Kressel, die in ihrer New Yorker Firma "CollectorsQuest" 17 Angestellte beschäftigt.

    " Man schaut wirklich nicht länger als 10 Sekunden auf einen Lebenslauf. Da muss etwas stehen, das sofort ins Auge sticht. Längere Abhandlungen lege ich gleich ab. Denn ich habe wenig Zeit. Dem Bewerber muss klar sein, dass er auf einen Blick einen überzeugenden Eindruck davon liefern muss, was er kann. Bitte keine ausschweifenden Berufsbezeichnungen und Ausbildungsabschlüsse angeben, dafür aber eine einfache, fachbezogene Sprache. Wer sich bewirbt, muss von sich aus schriftlich nachweisen, dass er ein Bewerbungsgespräch verdient hat."

    Die meisten Grossunternehmen in den USA bieten mittlerweile standardisierte Bewerbungsformulare auf ihren Webseiten an. Trotzdem sind fast zwei Drittel der offenen Stellen nicht ausgeschrieben. Initiativbewerbungen haben deshalb einen hohen Stellenwert. Im Dotcom-Bereich erfolgt die Vorauswahl gelegentlich auf unkonventionelle Art. DIE Internet-Suchmaschine Google machte vor Kurzem mit komplizierten mathematischen Rätseln auf Plakatwänden in der Nähe von Universitäten von sich reden. Wer ein Rätsel löste, gelangte auf einen Bewerbungswebseite und war bereits in der Vorauswahl.

    Der Mathematikdozent Keith Devlin von der Stanford University beobachtet seit mehreren Jahren die Trends bei Bewerbungen in den USA. Sein Fazit: im Dotcom-Bereich wird gerne experimentiert, aber ob man sich in der Privatindustrie bewirbt oder an einer Universität, die Bewerbungsverfahren sind im Kern gleich:

    "Hightech-Firmen in Silicon Valley und anderswo nutzen mathematische Rätsel und logische Fragen seit den 50er Jahren, um bei den Bewerbern den Weizen von der Spreu zu trennen. Microsoft ist berühmt-berüchtigt für seine oft höchst komplizierten Rätsel. Es ist allerdings nicht ganz geklärt, ob diese die effektivste Methode ist, die Bewerber auszusortieren."

    Universitäten und andere private Forschungseinrichtungen halten sich dagegen streng an das traditionelle Bewerbungsschema. Die Dotcom-Firma macht jedenfalls deutlich, dass sie auf intellektuelle Talente außergewöhnlich großen Wert legt

    Die New Yorkerin Liz Kressel sucht für ihr mittleres Unternehmen, das sich Hobbysammlern, ihren Sammelobjekten und deren Vermarktung widmet, immer wieder Angestellte. Die Don'ts im Bewerbungsgespräch sind klar:

    "Kein Kaugummigekaue, keine Schweissachseln, keine Flirterei, kein Handygeklingele, kein Rasierwasser- Parfüm- oder Zigarettengeruch, keine Piercings. Smalltalk, Humor und Lockerheit ja, aber bitte zur Sache kommen. Männer in Anzug - das muss kein teurer sein - und weißem Hemd, Frauen im Hosenanzug oder mit Rock und Jackett. Keine schreienden Farben, sondern dezent. Am Wichtigsten ist mir dann, dass der Bewerber sich schon vorher über die Firma kundig gemacht hat. Wer mich etwas fragt, was ich auf meiner Webseite beantwortet habe, hat schon verloren. Das ist nämlich Zeitvergeudung."

    Als Do's, die für sie von Bedeutung sind, gibt Kressel folgendes Verhalten an.

    " Ein Bewerbungsgespräch, das eine halbe Stunde dauert, locker geführt wird, bei dem der Bewerber nachweist, dass er meine Firma kennt und fachlich qualifiziert ist. Er oder sie sollte versuchen, den Gesprächsverlauf mit zu beeinflussen und nicht nur mir zu überlassen. Ein oder zwei Tage später wäre ein Dankesschreiben nicht schlecht, das mir als Erinnerung an die Person dient."