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"Dicke Luft"

Im Dezember 1952 starben in London während einer Smog-Periode rund 4000 Menschen. Und auch wenn Luftverschmutzung als Todesursache nicht in allen Fällen hundertprozentig nachgewiesen werden konnte, erließ die Stadtverwaltung daraufhin den "Clean Air Act", der für saubere Luft sorgen sollte. Smog - eine Sprachschöpfung aus den englischen Wörtern "Smoke" - zu deutsch: Rauch - und "Fog" - Nebel - ist schon lange kein Londoner Phänomen mehr. Genau heute vor 25 Jahren wurde in Deutschland der erste Smogalarm ausgelöst.

Von Renate Ell |
    Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei, wir haben Smogalarm. Es ist Smogalarm, Stufe 1; wir bitten die Besitzer von Kraftfahrzeugen, Fahrten auf das unbedingt nötige Maß zu beschränken.

    17. Januar 1979: unter dem "Deckel" einer so genannten Inversionsschicht stauten sich Ruß und Abgase, vor allem Schwefeldioxid. Diese Wetterlage entsteht, wenn bei einem winterlichen Hoch die Luft in Bodennähe wärmer ist als in höheren Luftschichten und außerdem Windstille herrscht. Die Menschen litten unter Husten, Atemnot und Herzbeschwerden.

    Dass vor 25 Jahren der erste Smogalarm ausgelöst wurde, heißt nicht, dass die Luftverschmutzung auf dem Höhepunkt war – im Gegenteil. Nur fehlten vorher die Alarmpläne. Als der rauchende Schornstein noch ein Symbol des Wirtschaftswunders war, im Dezember 1962, gab es während einer Smog-Phase sogar Todesfälle. Das hatte die Politik wachgerüttelt: 1964 erließ die Bundesregierung die "Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft", kurz "TA Luft". Herbert Ludwig, im zuständigen Ministerium lange mit Luftreinhaltung befasst:

    Die hatte bereits Immissionswerte zum Schutz der Nachbarn also Werte die in der Umgebung von Anlagen zum Schutz der dort Wohnenden nicht überschritten werden durften. Sie hatte darüber hinaus auch Emissionswerte, also Werte die oben von dem Schornstein eingehalten werden mussten, diese richten sich nach dem Stand der Technik.

    Das Prinzip ist geblieben, die Verordnung wurde inzwischen nur mehrfach an den aktuellen Stand der Technik angepasst. Und seit 1974 regelt das Bundes-Immissionsschutz-Gesetz die Luftreinhaltung. Das erlaubte dann auch den Bundesländern, Smog-Alarmpläne für bestimmte Gegenden zu erlassen. Entsprechend der Schadstoffkonzentration abgestufte Einschränkungen für Verkehr und Industrie sollten verhindern, dass die Luftverschmutzung während Smog-Perioden noch weiter stieg. Im Januar 1985 galt im Ruhrgebiet sogar einmal die strengste Stufe, und auch über anderen Teilen des Bundesgebietes lag eine schmutzige Dunstglocke.

    Damals litten die Menschen unter den Versäumnissen der 70er Jahre, als das für Umweltschutz zuständige Innenministerium sich nicht gegen die Wirtschaft hatte durchsetzen können. Die Wende kam Anfang der 80er Jahre – aber nicht durch den Smogalarm von 1979, sondern durch das Waldsterben, das ja auch durch Schwefeldioxid verursacht wurde.

    In dem Augenblick bekam der Umweltschutz und vor allem die Luftreinhaltung eine unglaubliche eigenständige Bedeutung, eine eigene Dynamik hat sich entwickelt, die alles andere in den Hintergrund gedrängt hat. Was heute Arbeitslosigkeit ist, war damals Waldsterben.

    Die Jahresmittelwerte der SO2-Belastung sind seither in Deutschland um 90 Prozent und mehr gesunken, Stickoxid- und Staub-Belastung um rund die Hälfte.

    Heute ist Smog ein Thema im Sommer, wenn das Sonnenlicht Stickoxide und Kohlenwasserstoffe in Ozon verwandelt. Ein Problem, das viel schwerer zu bekämpfen ist als die "dicke Luft", denn die Ausgangssubstanzen strömen aus vielen kleinen Quellen, von Auspufftöpfen über die Lösemittel verarbeitende Industrie bis zur einzelnen Lackdose. Neue EU-Regelungen zielen auf alle diese Quellen, sogar die Steuerbefreiung für Flugbenzin steht auf dem Prüfstand. Doch selbst wenn die Emissionen bei uns zurückgehen, in den aufstrebenden Volkswirtschaften im Osten steigen sie noch; Harald Keiter vom Umweltbundesamt:

    Es sind zwei Trends, die gegeneinander gehen. Es ist der nationale und europäische Trend, der eher nach unten zeigt, aber es ist der nordhemisphärische Trend, der eher nach oben steigt, und welcher Saldo sich daraus ergibt, das, glaube ich, lässt sich heute überhaupt noch nicht abschätzen.