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Dicke Luft im Erzgebirge

Seit Jahren klagen Bürger im Erzgebirge über üble Gerüche, die aus Tschechien herüberwehen. Mittlerweile hat sich manches getan. Zumindest einige große Verschmutzer auf Industrieseite filtern ihre Abgase. Zufrieden ist man auf sächsischer Seite indes noch nicht.

Von Dagmar Borchert | 07.06.2006
    Die Luftbelastung dies- und jenseits der Grenze liege schon seit fast fünf Jahren unter den von der Europäischen Union vorgegebenen Grenzwerten. Und im Industriebereich seien viele tschechische Firmen gegenüber den deutschen geradezu beispielgebend, sagt Jens Albrecht vom sächsischen Umweltministerium:

    "Die tschechischen Großbetriebe haben schon sehr viel getan, bevor die EU ihnen das gesagt hat. Die sind zum Beispiel an einem Öko-Audit beteiligt, was in Deutschland auch nicht alle Betriebe machen, sondern nur vorbildliche. Die tschechischen Kollegen haben die gleichen Vorgaben wie unsere Betriebe auch. Sie müssen bis Ende Oktober nächsten Jahres komplett ihre Anlagen auf einen integrierten Umweltstandard gebracht haben und der Stand ist nach unseren Erkenntnissen sehr gut. Also die 80 Anlagen, die in dem 20-Kilometer-Streifen an der deutsche Grenze entlang laufen, werden zum großen Teil sogar vor den deutschen Betrieben im gleichen Bereich, das sind 55 Anlagen auf deutscher Seite, ihre Standards erfüllen und ihre Genehmigung erhalten."

    Doch es gibt keinen gleichmäßigen Trend. Das zeigen die Messergebnisse, die bei genauerem Hinsehen oft Stundenwerte erreichen, die über dem 60- bis 80-fachen der Belastungsgrenze liegen. Jedoch gehen diese Daten im Monats- und Jahresdurchschnitt unter. Und nur der ist EU-weit maßgebend. Das ist für Bewohner einzelner Grenzregionen nur ein schwacher Trost. Beispiel Seiffen, das Spielzeugmacherdorf mit Kurortstatus: Dort klagen Anwohner über starken Benzolgeruch, der vor allem des Nachts auftritt und sich immer wieder verändert.

    "Die Gerüche sind chemischer, denn gerade in den Großbetrieben, die Produktpalette ist ja enorm, und diese Gerüche, die so schwer definierbar sind, die auch schwanken, und es kann ja auch nicht alles gemessen werden, diese verursachen Beschwerden. Die Kinder haben oft Pseudokrupp, ältere Leute Gelenkbeschwerden, Magen-Darmbeschwerden, und viel bei den Kindern Schleimhautreizungen."

    Eine Bürgerinitiative kämpft seit Jahren gegen diesen Gestank, man fürchtet um ausbleibende Touristen. So haben Bewohner auf eigene Faust schon geforscht, waren im Chemiekomplex Litvinov. Doch die Antworten von dort haben nicht befriedigt.
    "Der hat gesagt, dass da ab und zu Havarien entstehen, dass was dann raus kommt, sie können es gar nicht genau übersehen. Ich habe so gesagt, ist es nicht möglich, dass wir bei der Wahrheit bleiben, und da haben sie gesagt, dass sie für ihre Betriebe da sind, aber im Grunde genommen fühlten wir uns verkohlt."

    Die Politik müsse Druck machen, meinen die Grenzbewohner. Doch dies - so Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann - sei nur im gutnachbarlichen Miteinander zu regeln. Man könne nicht jeden unbekannten Geruchsstoff unter ein Regime stellen, so lange er nicht durch EU-Recht als gesundheitsgefährdend eingestuft sei. Dafür fände sich in der Europäischen Union keine Mehrheit. Und dies, meint Bellmann, wüssten die tschechischen Betriebe ganz genau.

    "Ich denke schon, dass eine Tendenz nach vorne zu sehen ist, wobei sie immer nur so viel gerne zugeben, wie es eben unbedingt sein muss. Sie haben allerdings ein firmeneigenes ökologisches Zentrum gegründet, wo sie eben auch die Daten zur Verfügung stellen, eine Datenbank eröffnet haben, wo alle Zugriff haben, das haben die auch gesteuert über das tschechische Umweltministerium und über die Verwaltungsstrukturen auf tschechischer Seite. Also da merkt man schon eine Öffnung, die vielleicht die Betriebe, wenn sie nicht die Ministerien im Hintergrund hätten, nicht gemacht hätten."

    Die tschechische Republik hat viele EU-Verwaltungsvorschriften im Gegensatz zu Deutschland in nationales Recht umgesetzt. Das dortige Umweltministerium vergibt zudem ein eigenes Zertifikat, wofür es landesweite Kontrollen gibt. In diesem Zusammenhang wurden bereits mehrfach hohe Bußgelder verhängt. Zu den Details aber hält sich die tschechische Regierung zurück. Schließlich, und dies bestätigten ja auch Kontrollen des sächsischen Umweltministeriums, halte man sich schon seit Jahren an die von der EU vorgeschriebenen Grenzwerte.