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Die Abraumhalde als Weinberg

Südwestlich von Halle im Bundesland Sachsen-Anhalt wird gegenwärtig ein ausgedienter Braunkohle-Tagebau zum größten See dieses Bundeslandes umgestaltet, dem Geiseltalsee. Im Rahmen dieser Umgestaltung gibt es eine Besonderheit: auf der Abraumhalde am Nordufer des geplanten Sees ist ein Weinberg entstanden. Vor wenigen Jahren noch wurde die Idee als April-Scherz verlacht, nun aber wird bald die zweite Ernte eingefahren.

Von Eva Firzlaff |
    Nicht weit vom Geiseltal entfernt liegt Freyburg mit seinen Weinbergen. Von dort kam vor zehn Jahren der Hobbywinzer Rolf Reifert, um sich die Rekultivierung des Braunkohletagebaus anzusehen, damals eine trostlose Mondlandschaft. Doch die Halde am Nordrand der Grube fesselte ihn. Er beobachtete den Lauf der Sonne und stellte fest: Besser könnte es ein Winzer nicht antreffen. In den Behörden wurde er belächelt, schaffte es aber doch, seine Idee durchzusetzen. Auf 1,5 ha wachsen Müller-Thurgau und Spätburgunder. Der Hang hat den ganzen Tag Sonne, oben schützt der Wald vor kaltem Nordwind:

    " Und den restlichen Schub bringt der See durch die Spiegelung der Sonne. Und das zweite ist für uns auch enorm wichtig. Er lässt im Winter die Temperatur in dem Kessel nicht so weit abfallen. Wir haben noch nicht mal in den Spitzen, die am anfälligsten sind, Frostschäden. Wir hatten ja teilweise um minus 15 bis 20 Grad Celsius. Wir haben ja den Vergleich. Wir haben noch Flächen um Freyburg. Da müssen wir zum Beispiel anpflügen, dass an der Veredlungsstelle der Wein nicht erfriert. Das brauchen wir hier nicht zu machen. "

    Reiferts Sohn Lars hat den Weinberg übernommen und freut sich über fünf Tonnen Ernte im Herbst 2004. Die Trauben wurden im Weingut seines Bruders Jan sorten- und lagenrein verarbeitet. Die Qualität des "Goldenen Steigers" kann sich sehen lassen. Der junge Winzer weiß, dass er über die Menge kein Geld machen kann, er muss Qualität bringen:

    " Wir setzen hier nur biologisch abbaubare Spritzmittel gegen die Pilzkrankheiten ein, gegen die man spritzen muss. Herbizide werden bei uns gar nicht eingesetzt, das heißt, zwischen den Reihen wird nur gemulcht, wie mit dem Rasenmäher abgeschlagen. Nennt sich "Projekt umweltschonender Weinbau", da sind wir mit dabei. Das machen auch nur eine Handvoll Firmen im Saale-Unstrut-Gebiet. Dadurch, dass wir hier im Naturschutz-Gebiet sind, haben wir besondere Auflagen, aber wir machen das auch von selbst so. "

    Die Landwirte der Region sagen: wenn wir einen Stock in die Erde stecken, wächst was. Selbst auf der Abraumhalde ist zwar leichter, aber fruchtbarer Boden:
    " Wir waren eigentlich selbst überrascht. Man geht immer davon aus, wenn man Reben setzt, dass 95 Prozent Anwachsrate ist, wir hatten 98 Prozent. Natürlich hatten wir in der ersten Zeit Probleme mit der Bodenerosion. Wir hatten die Rebstöcke 2000 gesetzt. Hatten erst ziemlich spät die Freigabe gekriegt, hatten am 30. Juni 2000 gepflanzt, der heißeste Tag des Jahres. Uns ist die Dauerbegrünung nicht aufgegangen. Nun hat es danach Gewittergüsse gegeben und hat es immer wieder ausgespült. Wir hatten teilweise Auswaschungen, da konnte ich mich reinstellen und war bis zu den Knien weg. Und jetzt über die Jahre mit der Dauerbegrünung, die jetzt aufgegangen ist, haben wir überhaupt keine Probleme mehr, keine Auswaschungen mehr."

    Zumindest in Europa gibt es nichts Vergleichbares, also auch keine Erfahrungen.
    Die Reiferts suchten wissenschaftlichen Beistand und fanden ihn in der Fachhochschule für Gartenbau Erfurt:

    " Wir haben hier Reihenlängen von 250 Metern, ohne eine Dauerbegrünung kann man die nicht halten. Der Prof. Müller hat mit seinen Studenten bestimmte Gräser, Grassorten gefunden, die man in so einem Gebiet anpflanzen kann, die auch kein Problem mit der Trockenheit haben. "

    Das Gebiet liegt im Regenschatten des Harzes. Der Winzer hat deshalb eine Tropfen-Bewässerung gebaut:

    " Das System stammt aus den arabischen Ländern, aus der Wüste. Wir sind der einzige Betrieb, der in solcher Größenordnung diese Anlage installiert hat. Das ist ziemlich teuer, wenn wir das nicht alles selbst installiert hätten. Auch das Wasser, das wir nicht so weit fahren brauchen, sonst wäre es nicht möglich. Wir haben manchmal im Sommer ganze Monate, wo es überhaupt nicht regnet. Und das ist Stress für den Wein. "

    Der die Qualität beeinträchtigen würde. Der 27-Jährige ist an der Unstrut mit Wein groß geworden und steckt nun jede freie Minute in seinen Weinberg auf der Halde. Mittlerweile kommen Unternehmungslustige zu ihm, die sich Ähnliches vorstellen:

    "25 bis 30 Prozent Hangneigung ist die optimale Lage für den Wein. Abfließende Luft muss man haben. Auch aus anderen Tagebaugebieten, zum Beispiel aus Markkleeberg waren Leute hier, sind wir auch hingefahren und haben uns das angeguckt. Da ist zum Beispiel Kies unten drunter als Unterlage, das verträgt der Wein überhaupt nicht, außerdem kann dort nicht der Wind abfließen. Wir waren in Schwarze Pumpe bei Cottbus. Da sind die Voraussetzungen überhaupt nicht gegeben, nur flache Lagen. Wir wollen ja nicht, dass es nur bei uns bleibt. Man muss aber auch den Leuten die Augen öffnen, dass einiges nicht machbar ist. Und auch ohne einiges Fachwissen über den Wein ist das ja nicht machbar."