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Die älteste Zeitfunk-Sendung im deutschen Sprachraum

Die Sendung "Echo der Zeit" im Schweizer Radio DRS sendet seit 60 Jahren Aktuelles und Hintergründiges. Dreimal täglich informiert die reine Wortsendung die Hörer über das Geschehen in der Schweiz und im Rest der Welt. Erfolgreich ist "Echo der Zeit" auch deshalb, weil am grundlegenden Konzept in den vergangenen 60 Jahren nicht viel verändert wurde.

Von Thomas Wagner | 08.10.2005
    "Schweizer Radio DRS 1 – Echo der Zeit. Die Themen: Schlechte Verfassung und noch schlechtere Gesetze. Die UNO verlangt von der irakischen Regierung, die umstrittene Änderung des Abstimmungsrechtes wieder zurück zu nehmen. "

    So klingt es heute, wenn "Echo der Zeit" im Schweizer Radio dreimal täglich über Aktuelles und Hintergründiges in der Schweiz und in aller Welt informiert. Vor 60 Jahren, zum Start des ältesten Zeitfunk-Magazins im deutschen Sprachraum, hat’s noch ein wenig gekratzt:

    "Wir danken auch für die materielle Hilfe, die uns die Schweiz und auch die Schweizer Stände gebracht haben. Das Wesentliche dabei, dass diese Hilfsaktion ein Eindruck ihrer Sympathie und Anteilnahme am norwegischen Volk für Recht und Gerechtigkeit ist. "

    Ein norwegischer Regierungssprecher bedankt sich im Herbst 1945, in der zweiten Ausgabe von "Echo der Zeit", für die Hilfe aus der Schweiz während des Krieges. Der Wechsel von Hintergrundreportagen, Interviews und Kommentaren bildete damals schon das Fundament der Sendung; daran hat sich im Wesentlichen bis heute nichts geändert. "Echo er Zeit" – das ist bis heute kein Magazin, dass jeder aktuellen Meldung in größer Eile nachhechelt. Für jugendliche Ohren hört sich "Echo der Zeit" eher anachronistisch an. Außerdem dem Sendungsindikativ, der sich seit Jahrzehnten nicht verändert hat, werden so gut wie keine Jingles, Trailer oder sonstigen Programmelemente gesendet, die viele Hörer vom modernen Format-Radio kennen. Auch Musik kommt nicht vor. "Echo der Zeit", pro Ausgabe etwa eine Dreiviertel Stunde lang, ist eine reine Wortsendung. Die Beiträge sind häufig viel länger als in vielen anderen Programmen, mal vier, mal fünf, auch schon mal acht Minuten lang. Dennoch: 600.000 Hörer sind im Durchschnitt mit dabei, wenn "Echo er Zeit" auf Sendung geht. Das ist bei gerade mal knapp vier Millionen Einwohnern in der deutschsprachigen Schweiz eine ganze Menge. Monika Öttli, Mitglied der "Echo-Redaktion im Funkhaus Bern des Schweizer Radios:

    " Also wir bekommen oft zu hören, dass die Qualität des ‚Echos der Zeit’ sei, dass wir Themen hintergründiger als andere Medien abhandeln, dass wir manchmal auch Zeit aufwenden auf mal für ein Thema, wo man erst glaubt, das nicht erklären zu können oder das nicht aktuell ist in anderen Zeitungen. "

    So kann es dann schon mal passieren, dass in der gleichen Sendung über den Machtpoker in Berlin, über den Verfassungsstreit im Irak und über die sozial desolate Situation in brasilianischen Favelas berichtet wird. Ganz wichtig dabei: Das Netz der Auslandskorrespondenten. Das ist zwar nicht ganz so dicht geknüpft wie das der ARD, das vom Schweizer Radio genutzt wird. Dennoch gibt es, so der langjährige Echo-Moderator Martin Durrer, doch einen ganz wesentlichen Unterschied:

    "Wenn wir zum Beispiel mit Christoph Heinzle sprechen in Indien von der ARD, wenn er in Afghanistan ist, dann bekommen wir ein Fünf-Minuten-Slot für ein Gespräch, weil er dann sagt: Ich habe alle fünf Minuten ein neues Gespräch mit der ARD. Das heißt: Der ist ganz anders gefragt als unsere Korrespondenten, die weitgehend exklusiv für uns arbeiten … "

    … und sich für ihre Beiträge auch mehr Zeit nehmen können. Einen breiten Raum in der Berichterstattung nimmt seit Anfang an der ‚große deutsche Nachbar’ ein:

    "Der Verkehr in der geteilten Stadt ist mittlerweile zusammen gebrochen. Im Osten stauen sich kilometerlange Schlangen von Trabbis mit Leuten, die endlich mal wieder den Kurfürstendamm mit eigenen Augen sehen wollen. "

    So berichtete der einstige Deutschland-Korrespondent Robert Stähli am 9. November 1989 über die Maueröffnung. Dass die Deutschland-Berichterstattung einen breiten Raum im Schweizer "Echo der Zeit" einnimmt, zeigte sich erst dieser Tage. Kaum eine Sendung verging, in der nicht der zähe Prozess der Regierungsbildung in Berlin kommentiert wurde. Für deutsche Ohren klingt das, was da im Schweizer "Echo der Zeit" über die deutsche Innenpolitik berichtet wird, häufig ein wenig distanzierter als in vielen deutschen Medien. Und das liegt nicht nur am Schweizer Zungenschlag der Echo-Moderatoren. Martin Durrer:

    "Es ist ganz einfach die Sicht von außen, auf Deutschland. Wir sind nicht direkt betroffen, wir die, die Regierung wählen müssen, sie aushalten müssen oder sich darüber freuen können. Es ist die Sicht von außen. Die ist ruhiger, die ist distanzierter als in Deutschland, wo ich die Berichterstattung oft als etwas zu hektisch und manchmal auch ein wenig zu oberflächlich betrachte, weil man auf jedes kleine Detail aufspringt…"

    Genau das aber ist nicht die Sache des "Echos der Zeit". Das hat möglicherweise auch mit der Schweizer Konsens-Demokratie zu tun: Vertreter aller großen Parteien bilden schon seit Jahrzehnten eine Konsens-Regierung. "Zauberformel" sagen die Schweizer selbst dazu. Das hat Konsequenzen auch auf die Philosophie eines Zeitfunkmagazins wie dem "Echo der Zeit."

    "Die Politik ist wesentlich pragmatischer hier und sehr viel weniger mediatisiert. Die Medien spielen eine Rolle, eine wichtige Rolle, aber nicht die gleiche Rolle, wie sie in Deutschland und in Italien spielen. Das bestimmt nicht. "