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Die Ästhetik der Bomberjacke

Ayzit Bostan ist Modedesignerin und Künstlerin. Ihre Entwürfe gibt es nicht nur in Boutiquen zu kaufen, sondern werden auch im Rahmen von Ausstellungen präsentiert. Ganz aktuell ist von Ayzit Bostan die Installation "Replika" im Münchner Hofgarten zu sehen.

Von Andi Hörmann | 30.08.2012
    Babylonisches Sprachengewirr vermischt sich mit dem Duft von Köstlichkeiten aus aller Welt. In einem Rückgebäude der Landwehrstraße im südlichen Münchner Bahnhofsviertel verklingt dieses wuselnde, laute Chaos.

    Glastür, Aufzug, 2. Stock. Schnittmuster auf dem Zuschneidetisch und eine wuchtige Nähmaschine. Ein etwa 30 Quadratmeter großes, weiß dominiertes Modeatelier im schlichten Design. Ayzit Bostan steht am offenen Fenster und raucht eine Zigarette.

    "Ich glaube, dass ich einen deutschen Pass beantragen werde. Aber bis jetzt bin ich Türkin."

    "Ich spiele auch damit, dass ich einen türkischen Background habe. Aber generell würde ich meine Mode als sehr zeitgenössisch und jetzt nicht unbedingt auf meine Wurzeln bezogen bezeichnen."

    Ayzit Bostan, 1968 in Anatolien geboren, kommt im Alter von vier Jahren mit ihrer Familie nach München. Nach einer Schneiderlehre studiert sie an der Meisterschule für Mode. 1995 macht sie sich mit dem Label Ayzit Bostan selbstständig.

    "Mich interessiert die Essenz von Dingen. Und Bands. Und Popkultur."

    Auf dem Kleiderständer direkt am Eingang hängen bedruckte Sweatshirts. Halbmond und Stern - die türkische Nationalflagge als T-Shirt-Print. Schwarz auf Weiß statt Weiß auf Rot. Andere Motive sind auf ihre Outlines reduziert - von Walt-Disney-Figuren und der berühmten Rolling-Stones-Zunge bleiben nur noch Umrisse.

    "Das ist jetzt ganz aktuell. Das hat den Namen 'Cat People' bekommen. Eigentlich auch auf den Song von David Bowie bezogen: 'Putting Out Fire' aus dem Film 'Cat People'. Da habe ich Martin Fengel - das ist ein befreundeter Künstler - gefragt, ob er nicht Lust hätte ... Also Auflage war, dass ich mir eine Katze gewünscht habe. Das hat er dann gezeichnet: Eine Partykatze, die raucht und trinkt."

    Einer ihrer frühen Entwürfe aus dem Jahr 1999 ist ein T-Shirt mit dem Aufdruck "I ♥". Ein Spiel mit dem bekannten Slogan "I ♥ NY" aus den 80er-Jahren. Das T-Shirt wird einige Jahre später vom Kunstverein München ausgestellt und als Sonderedition produziert. Mode oder Kunst, Kunst oder Mode?

    "Es ist beides! Auf einem Bügel an der Wand, würde ich sagen, ist es ein Objekt. Und wenn man es trägt, ist es angewandte Kunst."

    Diesen Sommer hat Ayzit Bostan zusammen mit dem Industriedesigner und Fotografen Gerhardt Kellermann ein Kunstprojekt verwirklicht: Das Siegerkonzept beim Ideenwettbewerb "Aspekte der Gestaltung und des Designs im öffentlichen Raum" vom Kulturreferat München. Unter dem Namen "Replika" haben Bostan und Kellermann die 88 Arkadenbögen im Münchner Hofgarten mit Vorhängen verziert - eine Hommage an eine ähnliche Kunstaktion auf dem Markus-Platz in Venedig.

    Aus dem Pavillon in der Mitte des Hofgartens erklingt Geigenmusik. Grauhaarige Männer spielen auf dem knirschenden Sandboden Boule. Manche der im Sonnenlicht mintgrünen Vorhänge wehen im Wind.

    "Für mich ist es einfach auch eine größere Textilarbeit. Also Mode und Kleider sind ja auch textile Arbeiten. Deshalb sehe ich jetzt da auch gar keinen großen Unterschied, ob ich jetzt im angewandten Kontext arbeite, oder ob es jetzt Kunst im öffentlichen Raum ist. Es hat ja auch etwas mit Verkleiden und Bekleiden des Raumes zu tun."

    In den Arkaden ist der Kunstverein München zuhause. Hier hat Ayzit Bostan 1999 ihre berühmten "I love"-Shirts ausgestellt. Heute läuft dort ein Film über eine ihrer Kollektionen: Irakische Bäcker tragen beim Teigkneten Bomberjacken - von Ayzit Bostan entworfen und aus hochwertigen Stoff gefertigt.

    "Bomberjacken sind ja auch extrem chic. Eine Bomberjacke ist eines der schönsten Kleidungsstücke, die es gibt."

    "Also ich finde es irgendwie wichtig, dass man es nicht nur den Neo-Nazis überlässt, dass sie dieses tolle Kleidungsstück tragen dürfen."


    Webseite der Designerin Ayzit Bostan