Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Die AfD definiert sich um
Auf nach rechts

Mit dem Austritt des ehemaligen Parteichefs Bernd Lucke steht einem Rechtsruck der AfD nichts mehr entgegen. Die Partei wird sich durch den Rückzug einiger Lucke-Jünger nur geringfügig verkleinern; durch klar rechtskonservative Positionen wohl eher noch Wähler hinzugewinnen. Die nächsten Landtagswahlen werden zur Feuerprobe für Partei-Chefin Frauke Petry.

Von Stefan Maas | 09.07.2015
    Die neu gewählte AfD-Vorsitzende Frauke Petry
    Die neu gewählte AfD-Vorsitzende Frauke Petry (picture alliance/dpa/Maja Hitij)
    "Wie alle Parteien wollen wir Wahlen gewinnen. Weil wir wissen, dass Wahlen in der Mitte der Gesellschaft gewonnen oder verloren werden, bemühen wir uns um die Mitte."
    Konrad Adam weiß, wo die Reise hingehen soll. Da gibt es nur ein Problem: In die Mitte wollen sie alle. Gut, vielleicht nicht die Linken. Aber die Grünen – zumindest ein Teil. SPD, CDU und CSU ganz sicher. Bei so einem Andrang könnte es eng werden auf diesem begrenzten Raum. Also schafft Adam, zum Zeitpunkt seiner Rede noch einer der drei AfD-Chefs, Platz:
    "Wir wissen freilich auch, dass sich die Mitte unter dem Einfluss der zeitgeisthörigen Kartellparteien weit nach links verschoben hat."
    Damit hat der frühere Journalist, zumindest am vergangenen Samstag auf dem Parteitag, mitten ins Schwarze getroffen.
    Und schon ist mehr Raum, wenn auch nur nach rechts. Diese Nische hat zwar keiner gerne, gibt auch der 73-Jährige zu - aber das kann man ja ändern.
    Alles nur eine Frage der Definition:
    "Das Wort rechts steht mittlerweile ja schon lange nicht mehr für das, was früher einmal damit gemeint war."
    Extrem rechts.
    "Als rechts gilt heute, wer einer geregelten Arbeit nachgeht, seine Kinder pünktlich in die Schule schickt. Und der Ansicht ist, dass sich der Unterschied von Mann und Frau mit bloßem Auge erkennen lässt. Meine Damen und Herren, in diesem Sinne bin ich rechts. Sie ja wohl auch."
    Problem gelöst. Rechts ist Mitte. Die Mitte ist rechts.
    Eine geschickte Taktik, beobachtet Alexander Häusler, Rechtsextremismusforscher an der Fachhochschule Düsseldorf. Unter dem aktuellen AfD-Parteislogan "Mut zur Wahrheit" wird versucht,...
    "..., das auszusprechen, was bislang mit gutem Grunde kritisch beäugt worden ist. Das als Ausdruck von Meinungsfreiheit dazustellen. Ausgrenzende, diskriminierende Parolen als Ausdruck von Meinungsfreiheit Geltung zu verschaffen."
    Natürlich muss man unterscheiden zwischen rechts, rechtspopulistisch und rechtsextrem, sagt auch Häusler. Zentral bleibt aber die Frage, wer schafft es, zu definieren, was rechts ist.
    Neu definieren, was rechts ist
    "Es wird gesagt, dass rechts sein etwas Demokratisches darstellen würde. Und damit wird die Tür aufgemacht, undemokratische Positionen als Teil von Meinungsfreiheit artikulieren zu können."
    Natürlich gibt es Fälle, da hilft auch eine Neudefinition nicht mehr:
    "Jedes Lebewesen auf dieser Erde hat das Recht, sein Territorium zu verteidigen. Tiger und Löwe, Gans und Ente, selbst Ratten- und Kakerlakenpopulationen. Und es ist überhaupt nicht zu verstehen, warum das die Europäer und die Deutschen nicht kennen. Dafür müssen wir einstehen, das ist klasse."
    Aber es muss ja nicht immer gleich die Axt sein – wie bei dieser Bewerbungsrede um einen Vorstandsposten. Das gab zwar Applaus - geht aber auch eleganter. Auftritt Frauke Petry:
    "Wenn es massive Integrationsprobleme gibt, aufgrund der Tatsache, dass eine Religion wie der Islam nun mal ein Staatsverständnis transportieren, das uns in Mitteleuropa nun völlig fremd ist. Und das mit dem deutschen Grundgesetz nicht vereinbar ist."
    Die neue Petry-AfD unterscheide sich deutlich von der Lucke-AfD, sagt Rechtsextremismusforscher Häusler:
    "Man sieht ja jetzt schon an der Zusammensetzung des Bundesvorstandes, der neuen der AfD, und auch, welche Leute dort mitmachen, dass die Tür nach rechts außen deutlich aufgemacht worden ist."
    "Jetzt aber ist die Partei unwiederbringlich in falsche Hände geraten."
    Landtagswahlen als Probe für Petry
    Bedauert Bernd Lucke. Müde sieht er aus. Abgekämpft. Sein Exil: das Europaparlament. Dort will er bleiben. Ab morgen parteilos.
    "Ich selbst habe sicherlich Fehler gemacht in der Führung der Partei. Und zu diesen Fehlern zählt zweifellos, dass ich zu spät erkannt habe, in welchem Umfang Mitglieder in die Partei gedrängt sind, die die Partei umgestalten wollen zu einer Protest- und Wutbürgerpartei."
    Dieses Bedauern sei nicht wirklich redlich, meint Alexander Häusler. Lucke habe schließlich selbst immer wieder Krumen in Richtung des rechten politischen Randes geworfen. Mit seinen zehn Thesen zum Islam, mit seinem Werben um den umstrittenen Bestsellerautor Thilo Sarrazin:
    "Wenn man sich anguckt, was Lucke zum Thema Sarrazin, zu Thema Zuwanderung mit Worten wie Bodensatz, von Entartung der Demokratie und dergleichen alles geäußert hat, dann hat sich das nicht großartig unterschieden von dem, was Frauke Petry geäußert hat."
    Die ist bloß entschlossener. Auch deshalb haben die Mitglieder auf dem Parteitag Lucke die Koffer vor die Tür gestellt. Petry muss sich bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr an den Zahlen messen lassen. Die Fünf-Prozenthürde steht. Das kann man sich nicht schönreden.