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Die Affaire Guy Theunis

Ein Priester als Brandstifter? Wegen des Vorwurfs, 1994 den Völkermord in Ruanda geschürt zu haben, steht ein katholischer Priester dort vor Gericht. Guy Theunis ist jedoch belgischer Staatsbürger - und sein Schicksal beschäftigt nicht nur die Belgier, sondern auch die Brüsseler Regierung: Sie bemüht sich, Guy Theunis an die belgische Justiz zu überstellen. Aus Brüssel Philip Krohn.

    Das Büro ist eng und dunkel. Es liegt nur wenige hundert Meter vom Brüsseler Europa-Viertel entfernt. Drei Schwarzafrikaner teilen sich die zwei schmalen Räume und einen Flur. An den Wänden stehen Regale mit Papieren und alten Ausgaben der Zeitschrift, die hier hergestellt wird: "Dialogue", das französisch-sprachige Organ der Exil-Ruandesen. Charles Ntampaka ist der Chefredakteur des Blattes. Die Vorwürfe, Theunis habe in "Dialogue" zum Völkermord aufgerufen, weist er entschieden zurück:

    "Wir haben zwei Ausgaben von Dialogue, in denen Auszüge aus der rassistischen Zeitung Kangurah abgedruckt sind. In der ersten Ausgabe aus dem Jahr 1991 brandmarkt Guy Theunis diese Zeitung. Er schreibt, dass Kangurah eine rassistische Zeitschrift ist, die die Atemluft in unserem Land immer dünner werden lässt. Das ist eine klare Kritik an dem, was dort geschrieben wird."

    Vor rund 35 Jahren war der Priester für die Afrika-Missionare der Weißen Väter nach Ruanda gegangen. Seit Ende der 80er Jahre arbeitete der Katholik eng mit der christlichen Zeitschrift "Dialogue" zusammen. Einige Jahre übernahm er auch die Redaktionsleitung und hatte deswegen die Verantwortung für einen Pressespiegel, der darin abgedruckt wurde. In dieser Zitatesammlung sollten auch bewusst Auszüge aus extremistischen Publikationen abgedruckt werden. Dadurch sollte sich das interessierte Ausland ein Bild von der Stimmung im Land machen können, wie Charles Ntampaka erläutert:

    "Diese Artikel hat das mehrköpfige Redaktions-Komitee gemeinsam ausgewählt. Alle haben dem Abdruck zugestimmt. Es ging dabei überhaupt nicht darum, die rassistischen Zitate zu glorifizieren oder zu rechtfertigen, was die Zeitung Kangurah getan hat. Es ging eigentlich darum, dies vor der internationalen Gemeinschaft zu verurteilen."

    In Belgien wird Guy Theunis auf breiter Front verteidigt. Neben "Dialogue" nimmt ihn auch die Organisation "Reporter ohne Grenzen" in Schutz. Die katholischen Missionare von den Weißen Vätern sammeln Unterschriften für seine Freilassung. Kris Berwouts koordiniert die Arbeit der belgischen Menschenrechtsorganisationen in Afrika. Auch er schließt kategorisch aus, dass sich Theunis am Völkermord beteiligt habe:

    "Das heißt natürlich nicht, dass wir alle seine politischen Lagebeurteilungen geteilt haben. Wir wissen auch nicht über alle seine Treffen in Ruanda Bescheid und teilen nicht jedes Element seiner Analysen. Aber wir sind zu einhundert Prozent überzeugt, dass Guy Theunis ein integerer Mann ist, der sich für Versöhnung, Frieden und die Achtung der Menschenrechte eingesetzt hat."

    Die Unterstützung von Seiten der Menschenrechtsorganisationen ist nicht selbstverständlich. Gerade hier ist man sich bewusst über die Verwicklung der katholischen Kirche in den Völkermord, der 800.000 Menschenleben gekostet hat. So sind vor vier Jahren vor einem belgischen Gericht zwei ruandische Nonnen zu hohen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Theunis sehen die Organisationen aber als unschuldig an.

    Das einzige Plädoyer zu seinen Gunsten vor dem traditionellen Gericht in Ruanda stammte von einer Vertreterin der Organisation "Human Rights Watch". Bereits frühzeitig hat sich auch die belgische Regierung in den Fall eingeschaltet - die Festnahme stieß auch hier auf große Überraschung, wie der Sprecher des Außenministeriums Rudy Huygelen berichtet:

    "Wir waren verwundert, weil wir hatten nie zuvor gehört, dass es da ein Problem gab. Und der Herr Theunis war noch in Ruanda vor einigen Monaten drei Wochen lang, und dann ist ihm nichts passiert."

    Belgien hatte 1994 als erstes Land seine Schutztruppen aus Ruanda zurückgezogen, nachdem zehn seiner Soldaten in den Unruhen ums Leben gekommen waren. Doch anders als Frankreich hatte sich die frühere Kolonialmacht nicht durch Waffenlieferungen an dem Konflikt beteiligt. Auf dem Wege der Diplomatie haben sich nun Premier Verhofstadt und Außenminister de Gucht für Guy Theunis eingesetzt. Am Rande des UNO-Gipfels in New York haben sie mit der umstrittenen Regierung aus Kigali verhandelt, sagt Rudy Huygelen:

    "Ich kann nur sagen, dass es eine positive Atmosphäre war und dass der Präsident und der Außenminister gesagt haben, dass sie sich jetzt persönlich mit der Sache beschäftigen, was eigentlich die Vorwürfe sind."