Freitag, 19. April 2024

Archiv


Die Amerikanisierung des Abi-Balls

Das Abitur besiegelt das Ende der Schulzeit - und das wollen die Abiturienten kräftig feiern. Doch ihre Ansprüche sind im Laufe der Jahre gewachsen: Ihre Party soll die der anderen Schulen übertreffen. Immer mehr Event-Agenturen entdecken die Abi-Feier als lukratives Geschäft.

Von Afanasia Zwick | 28.06.2013
    "Das ist rot und hat so einen runden Ausschnitt, breite Träger, die über die Schultern gehen und so ein schwarzes Band dazu."

    "Meins ist kurz mit Trägern und mit Pailletten."

    Es geht ums Kleid. Das Kleid für den einen Abend: den Abi-Ball. Die Abiturientinnen des Heinrich-von-Gagern-Gymnasiums in Frankfurt zerbrechen sich schon seit Monaten den Kopf über ihre Abendgarderobe. Denn nicht nur die Prüfungen, sondern auch das ganze "Drumherum" des Abiturs will gut vorbereitet sein: Angefangen mit dem Abi-Motto und dem Abi-Streich, über die Erinnerungsstücke wie Abi-Shirt, Abi-Buch und Abi-Film, bis hin zu den Abi-Partys, der Abi-Reise und schließlich dem Abi-Ball mit feierlicher Zeugnisübergabe.

    Geld spielt dabei eine immer größere Rolle. Das meiste fließt in den Abi-Ball, der ganz nach amerikanischem Vorbild möglichst glamourös ausfallen soll: Dazu zählt neben schönen Kleidern zum Beispiel ein Profi-Ballfotograf.

    "Der Fotograf macht dann während des Einlasses seine Bilder von den Abiturienten, ein Gruppenbild, und während der Abi-Ball dann voll im Gange ist, werden die Bilder entwickelt und am Ende steht dann der Fotograf mit seinen Präsentationswänden auf dem Ball und dann können die Schüler einzelne Bilder erwerben."

    Agentur-Service mit Mehrwert für die Abi-Kasse
    Sebastian Richter hat das Geschäftsmodell Abitur perfektioniert. Seit drei Jahren betreibt er mit seinem Kompagnon Florian Dyballa die Internetplattform "abilife.de", auf der alles rund ums Abschlussjahr organisiert werden kann:

    "Es wird eigentlich alles nachgefragt, wo die Schüler erst mal kein Geld aufbringen müssen, um etwas zu bekommen, und sogar noch einen Mehrwert durch eine finanzielle Unterstützung der klammen Abi-Kasse haben."

    Am Beispiel des Ballfotografen heißt das: Buchen ihn die Abiturienten über die Agentur, bekommen sie dafür 50 Euro auf das Abi-Konto gutgeschrieben. Am Ballabend zahlen sie dann pro Bild circa acht Euro. Bei 100 Schülern plus deren Angehörige - ein gutes Geschäft. Wohl für den Fotografen als auch die Agentur.

    Ob es sich um eine Abzocke oder eine seriöse und vertrauenswürdige Agentur handelt, könnten Abiturienten an zwei wichtigen Punkten erkennen, sagt Rechtsanawalt Benjamin Dörr.

    Seriös sei der Anbieter, erstens: wenn er an die Schulen geht und dort persönlich seine Angebote präsentiert - ein wesentlicher Vorzug im Vergleich zu denjenigen, die im Netz anonym blieben. Und zweitens: wenn die Abiturienten nicht direkt nach der Buchung den vollen Betrag für ein Angebot überweisen müssten, so der Rechtsanwalt:

    "Dass man bei Abschluss eines solchen Abi-Ball-Vertrages zunächst einmal eine Anzahlung leistet und nachdem man die Bestätigung erhalten hat, dass also hier Dinge reserviert worden sind, wenn der Abi-Ball in einem Hotel oder in einem anderen Veranstaltungsort stattfinden soll, dass dann eben erst die Restsumme fällig ist."

    "Easy Abi"-Skandal erschütterte Branche
    Ganz im Gegenteil hatte der Berliner Veranstalter "Easy Abi" von rund 50 Schulen vier- bis fünfstellige Beträge für den Abi-Ball in Vorkasse erhalten. Aber: Kein einziger Abi-Ball fand statt. Stattdessen: Tausende enttäuschte Schüler und verschwundene Gelder. Der Skandal vor zwei Jahren hat die Branche vielleicht gebrandmarkt, das Geschäft scheint dennoch zu florieren.

    Ein Grund: Die Abschlussklassen werden gerade durch G8 zahlenmäßig größer, sodass die Schulaula als Veranstaltungsort oft zu klein wird. Und die Veranstaltungsorte in der Umgebung werden häufig weit im Voraus durch die Eventagenturen reserviert. Schließlich bieten sie sie den Abiturienten als Gesamtpaket an. Auch Betreiber beliebter Räumlichkeiten kommen zunehmend auf die Absolventen zu. So wie auf Nora Kachabian. Sie ist im Abi-Ball-Komitee des Heinrich-von Gagern-Gymnasiums. Ein Beispiel:

    "Eine Agentur hatte eine Raummiete verlangt und in den Preis inbegriffen waren Sektempfang und Bedienung, also das ganze Personalpaket. Das waren insgesamt 30.000 Euro für 800 Personen. Aber da war noch nicht das Essen dabei, deswegen hätte es sich am Ende bei 40-50 Euro pro Karte ausgewirkt."

    Ihre Klasse hat sich für das Angebot des Sheraton-Airport-Hotels entschieden: 30 Euro für eine Karte, 600 Leute haben bereits eine gekauft. Macht knapp 20.000 Euro für einen Abend. Schicke Klamotten und Fotos nicht einberechnet. Und neben dem finanziellen Gewinn habe das Abi-Geschäft noch einen ganz anderen Vorteil, sagt abilife.de-Gründer Sebastian Richter:

    "Abiturienten kommen jedes Jahr nach und Abiturienten wollen jedes Jahr eine Erinnerung oder ihr Abitur feiern und zelebrieren, sodass der ganze Geschäftszweig krisensicher ist."


    Mehr zum Thema:

    Abi-Krieg statt Abi-Streich - Die traditionellen Scherze und Parties nach den Abschlussprüfungen laufen in Köln aus dem Ruder
    Abi All inklusive - Pompöse Abschlussbälle von Profis organisiert
    Zwischen Schulabschluss und Studienbeginn - Internat Salem bietet Orientierungsjahr an
    Veränderung im Schneckentempo - Bertelsmann Stiftung stellt den "Chancenspiegel" über Bildung in Deutschland vor
    Zurück zum alten Abitur - Pro G9 - breites Bündnis kämpft in Hessen für längere Gymnasialzeit