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Die Angst der Mittelschicht vor dem Abstieg

Jeder zweite Deutsche hat Angst vor dem sozialen Abstieg, hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap herausgefunden. Die Angst ist nicht ohne Grund: Nur jeder fünfte ehemalige Mittelschichtler schaffte den Aufstieg nach oben, weit mehr rutschten nach unten ab, wo seit den rot-grünen Sozialreformen eine Arbeitslosenhilfe auf Sozialhilfeniveau wartet.

Von Sandra Pfister | 06.07.2008
    Julia Enste: " Also ich hab das Gefühl, dass die Unsicherheit noch größer geworden ist als vor 15 Jahren. Weil es heute auch ist, dass ein ungeheurer Leitungsdruck auf den Kindern liegt. Weil die Eltern wollen, dass es sich aus dieser Menge hervorhebt, und fördern ihr Kind schon sehr, sehr früh, Englisch ab drei und Bewegung und Schwimmen, so dass ein Plan von drei schon dem gleicht, den andere vor 15 Jahren als Schulkinder hatten. "

    Ein Babykurs in Köln. Die 15 Monate alte Matilda schlägt Legosteine gegeneinander, der wenig jüngere Jakob schmeißt die Rasseln in die Ecke, während die Leiterin einer anderen Kleinkindgruppe die Eltern schon mal auf Englisch auffordert, ihre Kinder aufzusammeln - gleich wird getanzt.

    Die Baby- und Kleinkindförderung erlebt einen Boom. Gymnastik, Frühenglisch, musikalische Früherziehung - gebucht werden die Kurse vorwiegend von gut situierten Akademikern. Sie wollen ihren Nachwuchs bereits mit drei Monaten fit machen für die besten Schulen, für die Eliteuniversität. Seit die "Unterschicht" Einzug gehalten hat in unser Vokabular und das mediale Bewusstsein, bemüht sich anscheinend auch die Mittelschicht wieder um Abgrenzung nach unten. Eine neue Bürgerlichkeit hat Konjunktur, analysieren Trendforscher. Bis in die späten 90er ließ sich der typische Wunsch von Mittelschicht-Eltern so beschreiben: Unsere Kinder sollen es einmal besser haben. Heute sitzen viele Mittelschicht-Eltern in der abbezahlten Doppelhaushälfte und denken: Hoffentlich werden es unsere Kinder genau so gut haben wie wir. Der Bielefelder Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer bemerkt:

    " Diese immer weiter sich verbessernden Statusgewinne von Familien, also der Großvater war Schlosser, der Vater Schlossermeister, der Sohn Ingenieur, der Enkel dann noch eine Stufe höher. Dieser ganze Prozess ist also doch deutlich ins Stocken geraten, und bei Statusbedrohungen reagieren auch gerade die Menschen in der Mittelschicht meines Erachtens nach ziemlich rabiat. Da werden alle Dinge genutzt, die man sich überhaupt denken kann. Ob das nun mit den Benimmkursen direkt verwertbar ist, aber die Leistungsanstrengungen, also Kinder auf sehr gute Schulen zu schicken,, all das sind natürlich Dinge, die auf diese Leistungsanforderungen reagieren. "

    Der Soziologe Helmut Schelsky nannte die deutsche Gesellschaft zu Beginn der 50er Jahre, im beginnenden Wirtschaftswunder, deshalb eine "nivellierte Mittelstandsgesellschaft". Deutschland war auf bestem Wege zu einem Volk der Facharbeiter und Häuslebauer. Später galt die solide Reihenhausidylle ihrer Eltern zwar vielen Jungen als zu langweilig - aber nur so lange, wie sie selbst die Gewissheit hatten: Wenn ich nur fleißig genug bin, dann schaffe ich es. Im Moment aber setzt sich in der Mitte der Gesellschaft die Gewissheit fest, dass es dafür keine Garantien mehr gibt.

    " Und da kann man sich so typische Menschen vorstellen, die eben Handwerker sind, die normale Personen sind, die einen mittleren Bildungsabschluss haben, auch Personen, die durchaus einen Hochschulabschluss haben und als normaler Angestellter in einem Unternehmen arbeiten, also die Mittelschicht ist in der Tat ausgesprochen breit, und jeder von hat sicher eine Person vor Augen, oftmals hat man sich selbst vor Augen, wer denn zur Mittelschicht gehört. "

    Michael Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung, DIW, in Berlin. Auch er glaubt, die Sorgen der Mittelschicht seien nicht aus der Luft gegriffen. Die Mitte brösele. Waren früher die Einkommensgruppen wie eine Zwiebel geschichtet, mit dicker Mitte und schmalen Rändern, ähnelt die gefühlte Lage heute eher einer Sanduhr: Die Unterschicht wächst, die Oberschicht wächst, die Mitte dünnt aus. Zugleich ist aber die Arbeitslosigkeit so niedrig wie seit 17 Jahren nicht mehr und das Normalarbeitsverhältnis immer noch bei weitem nicht so tot, wie es geredet wird. Und so galt die Krise der deutschen Mittelschicht bis vor kurzem eher als gefühltes Unbehagen. Das DIW hat dieses Gefühl nun jedoch empirisch unterfüttert. Michael Grabka, einer der beiden Verfasser der Studie:

    " Wir können sehen, dass Mitte der 80er und 90er Jahre die Mittelschicht vergleichsweise stabil war, d.h. die umfasste etwas mehr als 60 Prozent der Gesamtbevölkerung, und seit der Jahrtausendwende ist ein klares Schrumpfen dieser Mittelschicht beobachtbar, und zwar um fünf Millionen, d.h. von 49 Millionen auf nur noch 44 Millionen. "

    Und selbst die plagen immer größere Sorgen. So hat das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap am vergangenen Donnerstag aktuelle Zahlen veröffentlicht, die eine überraschende Brisanz ausdrücken. Jeder zweite Deutsche hat danach Angst vor dem sozialen Abstieg. Ebenso viele sagen, sie wüssten nicht mehr, wo sie in ihrem Leben überhaupt noch einsparen könnten. Selbst viele Akademiker glauben, an Geld und Lebens-Planbarkeit eingebüßt zu haben. Rentenkürzungen, höhere Gesundheitskosten und höhere Mehrwertsteuer, ein geringerer Sparerfreibetrag, mehr befristete Arbeitsverhältnisse - das trifft auch sie. Und jeder kennt einen, der einen kennt, der in Hartz IV abgerutscht ist. Der mögliche drohende Abstieg kann annähernd so schlimm wirken wie der echte - und der ist für einige immerhin Realität.

    " Das interessanteste Ergebnis ist, dass in den letzten Jahren das Schrumpfen überwiegend in eine Richtung gegangen ist, eben mehr in Richtung der einkommensschwachen Personengruppen. "

    Jedem fünften ehemaligem Mitglied der Mittelschicht gelang es der Studie zufolge, die Mitte nach oben hin zu verlassen. Aber viel mehr rutschten eben von der Mitte in den unteren Einkommensbereich ab. Alarmierend ebenso: Die Armen schafften es kaum noch, in die Mitte aufzusteigen. Unterschicht bleibt Unterschicht, das ist heute die wahrscheinlichste Variante. Und Oberschicht bleibt Oberschicht. Der untere Teil der Mittelschicht, Facharbeiter, kleinere Selbständige, prekär beschäftigte Akademiker, ist dazwischen eingeklemmt wie in einem Sandwich. Hier wirken auch demographische Prozesse: Je weniger klassische Familienhaushalte es gibt, desto schmaler wird die Mittelschicht. Besonders junge Menschen, Alleinerziehende und Geschiedene ringen um Aufstieg oder Klassenerhalt.

    " Es ist so, dass wir für die vergangenen Jahre beobachten, dass wir eine klare Zunahme von Ein-Personen-Haushalten haben in Deutschland, aber auch von Alleinerziehenden. Und wenn man das in Verhältnis setzt zu einer Standardfamilie, dann ist das klar, dass eine Familie, die in einem Haushalt lebt, besser mit den finanziellen Mitteln umgehen kann, als wenn diese sich aufspalten und auf zwei Haushalte verteilen, das vorhandene Geld. "

    Eine zweite, entscheidende Ursache für die Krise der Mittelschicht bildet der Arbeitsmarkt - viele fürchten, jederzeit ihren Job verlieren zu können, oder retten sich in geringfügige Beschäftigung, Zeitarbeit oder Kleinst-Selbständigkeit. Alle diese Gruppen verdienen meist schlechter als der Durchschnitt. Und das zu Zeiten, wo das soziale Netz die Mittelschicht weniger abfängt als früher, Stichwort: Hartz IV. Die rot-grünen Sozialreformen haben die Arbeitslosenhilfe de facto auf Sozialhilfeniveau abgesenkt. Gering Qualifizierte, Unflexible, Ältere - sie leiden besonders unter den Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt.

    " Und was ganz wichtig ist, dass für zahlreiche Menschen nicht mehr klar ist, nach welchen Regeln gespielt wird, etwa im Besitzerkapitalismus war klar, wenn die Gewinne da sind, wird niemand entlassen. Im Finanzkapitalismus spielt das alles keine Rolle mehr, d.h. hoher Einsatz bei hoher Qualifikation garantiert fast ebenso wenig wie kein Einsatz. "

    Dass die Mittelschicht schrumpft, dazu hat aber auch die Politik ihr Scherflein beigetragen. Nicht die Mitte, sondern Geringverdiener und Einkommensmillionäre wurden durch die Steuerreformen der jüngsten Zeit stark entlastet. Den Spitzensteuersatz zahlt heute allerdings schon, wer als Lediger mehr als 52.000 Euro pro Jahr verdient. Das heißt, der Spitzensteuersatz greift schon bei jemandem, der nur das 1,4-fache des Durchschnittseinkommens verdient. Vor 50 Jahren musste er dafür noch das 17-fache verdienen. Die Einkommensmitte trage eine ungerecht hohe Steuerlast und habe bei gleichem Einkommen weniger im Geldbeutel als früher, resümiert Hans-Ulrich Liebern vom Bund der Steuerzahler Nordrhein-Westfalen.

    " Ein gut verdienender Facharbeiter gehört für uns zur Mittelschicht. Der hat ja auch schon ein Bruttoeinkommen von 4000, 4500 Euro, wenn man das hochrechnet, befindet dieser Facharbeiter sich, sofern er ledig ist, im Bereich des Spitzensteuersatzes, und das kann aus unserer Sicht nicht sein, ein Spitzenverdiener ist nicht jemand, der ein gutes Facharbeitergehalt bekommt, sondern ein Spitzenverdiener ist jemand, der nach heutigen Maßstäben über 17, 20.000 Euro verfügt. Aber ein Facharbeiter ist eben jetzt schon mit 42 Prozent am oberen Rand und da wird eben viel von diesen Lohnsteigerungen auch aufgezehrt. "

    Für Liebern ist es die Folge der so genannten "kalten Progression", dem Anstieg der Steuerlast, dass selbst Lohnerhöhungen kaum beim durchschnittlichen Arbeitnehmer ankommen.

    " Je größer die Lohnzuwächse sind, desto höher ist auch die steuerliche Belastung, weil wir ja einen linear ansteigenden Steuertarif haben. Also es ist dringend nötig, dass gerade diese Mittelschicht entlastet wird. "

    Diese Entlastung könnte sich politisch auszahlen. Denn so wie der deutsche Mittelstand als das Rückgrat der Wirtschaft gesehen wird, gilt die Mittelschicht als tragende Säule der deutschen Demokratie. Denn die Mitte bedeutet nicht nur, ein bestimmtes Einkommen und eine Steuerlast zu haben, sondern auch eine Geisteshaltung: die der "Vernünftigen" des "juste milieu", der "richtigen Mitte", die Maß hält zwischen den Extremen - auch im politischen Sinn. Die Demokratie braucht die Mitte - sie ist die tragende Schicht, erläutert der Bonner Parteienforscher Frank Decker.

    " Wenn man Wahlen gewinnen will in der BRD, muss man sie in der Mitte gewinnen. Also sind natürlicherweise die Angehörigen der Mittelschicht am stärksten umworben.

    Die Parteien, die die Mittelschichten adressieren, insbesondere die Volksparteien, verlieren an Zuspruch, und die Parteien am rechten und am linken Rand gewinnen an Bedeutung, in der Bundesrepublik sind das interessanterweise eher die linken Parteien, die profitieren. "

    Es gibt danach also einen Zusammenhang zwischen dem Schwund der Mitte und der Krise der beiden großen Volksparteien. Hausbesitzer und Beamte planen keine Revolution, lautete das materialistische Credo der alten Bundesrepublik. Solide Handwerker, Selbständige und Akademiker, deren Wahlverhalten von jeher als Versicherung gilt gegen politischen Radikalismus, interessieren sich nun aber auf einmal für die Linkspartei. Nur noch ein Viertel der Wähler von CDU und SPD gelten als Stammwähler, politisch wirkt die Mitte immer schwerer berechenbar. Ist also jetzt die Demokratie in Gefahr? In gewisser Weise ja, glaubt der Bielefelder Konfliktforscher Wilhelm Heitmeyer. Er untersucht seit Jahren die Befindlichkeiten der Deutschen. Sein klares Fazit: Wenn in der Mittelschicht die Angst vor dem sozialen Absturz wächst, grassiere auch der Hass auf alle, die anders seien: Ausländer, Frauen, Juden, Muslime:

    " Es ist durchaus deutlich, dass wir in den letzten Jahren die Zunahme an Fremdenfeindlichkeit eher in den Mittelschichten feststellen konnten, die Zunahme, nicht die absolute Höhe, da sind andere Gruppen verantwortlich eher am Rande der Gesellschaft, aber die Zunahme war auf die Mitte zurückzuführen, und das liegt natürlich daran, wenn wir eine konkurrenzbasierte Fremdenfeindlichkeit haben, also Konkurrenz um knappe Ressourcen etc., dann sind auch die Mittelschichten davon nicht gefeit, und das hat unter Umständen auch politische Konsequenzen, denn wir müssen sehr darauf achten, wenn sich solche Desintegrationsängste dann auswirken auf das, was wir Demokratieentleerung nennen. Das heißt nicht, dass das System selbst abgeschafft wird, aber die innere Qualität sich aushöhlt, und es gibt Zusammenhänge zwischen Desintegrationsängsten und rechtspopulistischen Einstellungen. "

    Überspitzt könnte man sagen: Die Hemmschwelle bleibt hoch, rechtsextrem zu wählen, aber Teile der politischen Mitte werden feindseliger gegenüber Minderheiten. Droht hier doch Gefahr für unsere Demokratie? Nein, entgegnet der Bonner Politologe Frank Decker, nicht, solange das Demokratieverständnis bei den Eliten solide verankert sei. Aber große Umbrüche in der politischen Landschaft würden wahrscheinlicher, und die Politik werde anfälliger für Populismus. Decker:

    " Ganz sicherlich, früher konnten sich die Parteien ja relativ sicher sein, dass sie von einem bestimmten Prozentsatz der Wähler, komme, was da wolle, unterstützt werden, es war also nicht abhängig, ganz konkret also, vom politischen Handeln. Heute müssen die Parteien sich im Grunde stärker bekämpfen, weil sie um dieselben Wählergruppen konkurrieren. Insofern ist der Wettbewerb ja fast paradoxerweise heute schärfer, als er früher war, obwohl die ideologischen Unterschiede eher gering geworden sind. Und das führt die Parteien dazu, dass sie auf andere Strategien ausweichen müssen, um diese Unterschiede dann noch deutlich machen zu können. Dann spielen natürlich Strategien der Symbolpolitik eine große Rolle, Personalisierung spielt eine große Rolle, bis hin zum blanken Populismus. "

    Mit vielen kleinen Geschenken und Versprechen buhlen die Parteien derzeit darum, den Mittelschicht-Wählern das kuschelige Gefühl vergangener Zeiten zurückzugeben. Auch dass die Rentenkürzung ausgesetzt wird und Politiker sich mit Vorschlägen zur Wiedereinführung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer, Steuer- und Abgabensenkungen derzeit überbieten, soll Balsam sein für die geschundenen Seelen der Mittelschicht. Michael Grabka vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung glaubt, dass diese teils populistische Politik der weißen Salbe das eigentliche Problem verkennt:

    " Ja, da wird natürlich auch Politik draus geschlagen. Wenn Sie es sich vergegenwärtigen, letztes Jahr, als ich angefangen habe, diese Berechnungen anzustellen zur schrumpfenden Mittelschicht, da gab es verschiedenste Parteitage der CDU und der SPD und der FDP, und alle haben reklamiert, dass sie die Vertreter der Mitte sind, und ich musste doch ein Stück weit darüber mich amüsieren, wenn ich gleichzeitig diese Ergebnisse gesehen habe, dass die Mittelschicht immer weiter schrumpft. Das heißt also, die Parteien kümmern sich derzeit um eine Gruppe, die immer kleiner wird, anstatt sich darum zu kümmern, wie wir mehr die Personen wieder in die Mittelschicht zurückbringen. "

    Denn das gerät dabei allzu schnell aus dem Blick: Den wirklich Armen - arm an Geld und Bildung - geht es immer noch viel schlechter als der Mitte. Die Politik, sagen Experten, entwickle die Tendenz, sich mehr um den Erhalt der Einkommen und Privilegien der Beschäftigten zu sorgen als darum, wie sie den Arbeitslosen wieder Arbeit verschaffe. Doch die so genannte Unterschicht steht nicht mehr im Fokus des Interesses - nicht mal mehr bei der SPD, und im Grunde genommen nicht einmal bei der Linken. Frank Decker:

    " Der Punkt ist sicher der, dass die Unterschichten sich von der Politik und von den etablierten Parteien so stark abgekoppelt haben, dass sie von diesen nicht mehr zurückgewonnen werden können. Sie sind im Grunde genommen schon ein Stück weit abgeschrieben worden von den Volksparteien, die sich deshalb mehr um diejenigen kümmern, die vielleicht ebenfalls drohen, hinten runter zu fallen, also die Angehörigen der Mittelschichten. "

    Was aber stärkt den Zusammenhalt und führt weiter? Was kann die gesellschaftliche Mitte wieder stärken? Derzeit dreht die Bundesregierung an kleinen Stellschrauben. Die Familienpolitik inklusive Elterngeld hilft explizit der Mittelschicht. Im Gespräch ist darüber hinaus, die Eigenheimzulage wieder einzuführen, ebenso die Pendlerpauschale ab Kilometer Eins. Weitreichender als diese einzelnen Maßnahmen könnte sich eine Absenkung der Sozialabgaben auswirken, wie die SPD sie vorantreibt. Davon würde die untere Mittelschicht profitieren, analysiert der Politologe Frank Decker, während eine Steuerreform vor allem dem privilegierten Teil der Mitte zugute komme. Wie aber kann die Politik eine möglichst große Zahl von Menschen erreichen und die Gefahr des sozialen Abstiegs für sie verringern?

    " Sicherlich nicht durch Maßnahmen wie eine Rentenerhöhung, die sehr viel Geld kostet, dass dann für andere Dinge nicht mehr zur Verfügung steht, die aber notwendig wären, wie etwa Investitionen in Bildung, ohne auf der anderen Seite den Parteien nennenswerten Zuspruch einzutragen. "

    Bildung gilt auch dem Wirtschaftsexperten Michael Grabka als wichtigster Zugangsweg in die Mitte.

    " Wenn man mittelfristig das Schrumpfen der Mittelschicht verändern und dem begegnen möchte, dann ist dies sicherlich die Investition in mehr Bildung in Deutschland. Der Schlüsselfaktor (hier) ist die Bildung, da ist in der Bundesrepublik vieles liegen geblieben, und wenn hier stärker investiert wird, dann wird sicherlich dieser Trend einer Erosion der Mittelschicht nicht von Dauer sein müssen. Das ist allerdings politisches Handeln, das seinen Nutzen erst mittel- oder langfristig abwirft, und in der Demokratie haben die Parteien in der Regel nicht den langen Atem, den man braucht, um dann auch die Bevölkerung von solchen Maßnahmen zu überzeugen. Die Belastungen wirken also kurzfristig, der Nutzen fällt erst in Zukunft an, das ist in der Demokratie schwierig zu organisieren. "