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"Die Angst verlässt dich nicht"

Die Besessenheit von Militär und Krieg macht das Leben in Eritrea zur Qual. Doch selbst wem die Flucht zum Beispiel nach Deutschland gelingt, der lebt weiter in Angst und tiefer Sorge seine Familie.

Von Bettina Rühl | 02.10.2007
    Die junge Frau steht am Herd einer schlichten, braunen Küchenzeile; der Raum ist klein und fensterlos. Er liegt im Keller eines Flüchtlingsheims in Deutschland.

    "Es wäre für mich nicht gut, meinen Namen zu nennen, denn die Situation in meinem Land ist sehr schwierig. Weil mein Mann ziemlich bekannt ist, können sie leicht rauskriegen, wer wir sind. Und dann rächen sie sich vielleicht an unseren Familien zu Hause."

    Die junge Frau, nennen wir sie Astier, ist vor einigen Monaten aus Eritrea geflohen, einem kleinen Land im Osten Afrikas. Doch selbst hier in Deutschland fühlt sie sich von Mitarbeitern der eritreischen Botschaft beobachtet und verfolgt. Zwar ist sie selbst zunächst in Sicherheit, doch ihre Eltern und Geschwister blieben in Eritrea zurück. Sie fühlen sich wie Geiseln in der Hand des Regimes.

    "Meistens koche ich für mich und meinen Mann, aber manchmal lade ich Leute zum Essen ein. Es fällt mir viel leichter, in einem Heim zu leben, als ich befürchtet hatte. Hier wohnen zwar viele Familien, aber die Küche müssen wir uns nur zu dritt teilen. Es gibt sauberes, fließendes Wasser - alles kein Problem."

    Astiers Heimatland Eritrea ist eine karge, in weiten Teilen fast wüste Region. Die meisten der etwa fünf Millionen Eritreer würden wohl als Bauern oder Hirten leben, wären da nicht die permanente Bedrohung des Krieges und die chronische Generalmobilmachung. 30 Jahre lang kämpften die Eritreer für ihre Unabhängigkeit von dem großen südlichen Nachbarn Äthiopien, zunächst gegen Kaiser Haile Selassie und später gegen Diktator Mengistu Haile Mariam. Als einzige Verbündete hatten sie nur den äthiopischen Widerstand. 1991 wurde Mengistu schließlich gestürzt, und in der Hauptstadt Addis Abeba übernahmen die einstigen Guerillakämpfer die Macht. Eritrea erlangte 1993 per Referendum die Unabhängigkeit.

    Doch der kurze Frieden währte nicht lange: 1998 erklärte Äthiopien seinem neuen nördlichen Nachbarn Eritrea den Krieg. Auslöser war der Streit um den Verlauf der gemeinsamen Grenze. Zwar wird seit dem Jahr 2000 nicht mehr gekämpft, doch befriedet ist der Konflikt deshalb noch nicht: Die Truppen beider Seiten wurden nicht demobilisiert. Schon in nächster Zukunft drohen neue Kämpfe. Dass der Feind angeblich immer nahe ist, erlaubt beiden Regimes den Aufbau einer gnadenlosen Diktatur.

    Astier hat fertig gekocht und bringt das Essen einige Schritte weiter in das kleine Zimmer, das sie mit ihrem Mann bewohnt. Der Fernseher steht direkt neben dem Sofa, es ist eng in dem winzigen Raum. Das weiß geflieste Zimmer wirkt unwirtlich und liegt wie die Küche im Keller des Flüchtlingsheims. Astiers Mann, er könnte Abraham Teklemichael heißen, macht den Fernseher während des gemeinsamen Essens aus.

    "In Eritrea fühlt man sich nie sicher, Tag und Nacht ist man unruhig: Sie können kommen und dich zur Armee mitnehmen. Oder sie kommen und stecken dich ins Gefängnis - du weißt nie, was als nächstes auf dich zukommt, und das gilt für jeden, der in Eritrea lebt. Wer nach Deutschland kommt, fühlt sich sofort sicherer. Dann lebt es sich in einem so kleinen Zimmer wie in einem Palast."

    Abraham Teklemichael und Astier waren jahrelang bei der Armee, beide haben in wechselnden Militärkrankenhäusern gearbeitet: er als Chirurg, sie als Krankenschwester. In Eritrea gilt die allgemeine Wehrpflicht für alle Männer und Frauen zwischen 18 und 40 Jahren. Laut Gesetz müssten die Wehrpflichtigen eigentlich nur 18 Monate in der Armee bleiben, in der Praxis jedoch wird kaum jemand aus dem Militärdienst entlassen, solange er noch einigermaßen kräftig ist. Abraham Teklemichael hatte während des Krieges gegen Äthiopien Ende der 90er Jahre die Verwundeten und Verstümmelten auf dem OP-Tisch liegen.

    "Die meisten Menschen, die wir behandelt haben, hatten Verletzungen an Armen und Beinen. Ich habe im Laufe der Zeit immer häufiger Patienten gesehen, die schon Fäulnis an den Extremitäten entwickelt hatten. Ihnen waren die Arme zur Strafe sehr eng gefesselt worden - das ist eine Art von Folter. Einigen von ihnen mussten wir einen oder beide Arme abnehmen, weil der Wundbrand schon so weit fortgeschritten war. Es ist eine Schande, so etwas zu sehen. Wir haben in den letzten Jahren miterlebt, wie sich unsere Regierung in eine Militärdiktatur verwandelt hat, die aggressiv gegen ihre eigene Bevölkerung vorgeht."

    Flüchtlinge und Menschenrechtsorganisationen berichten von vielen weiteren Formen der Folter. Dazu gehört zum Beispiel, dass Soldaten gefesselt und zum Teil für mehrere Tage in die pralle Sonne gelegt werden, bis ihre Haut in Fetzen hängt. Manche werden vorher mit einem Gemisch aus Milch und Zucker übergossen, um den Sonnenbrand noch zu verstärken. Frauen berichteten amnesty international, dass weibliche Rekruten häufig sexuell missbraucht und vergewaltigt würden. Die Politologin Nicole Hirt hat schon viele Berichte über Folter in Eritrea gehört.

    "Also ich denke, wovon ganz viele betroffen sind, dass es überhaupt kein geregeltes Justizsystem gibt, dass es sehr viele willkürliche Verhaftungen gibt, dass Menschen für Monate im Gefängnis verschwinden ohne Anklage, ohne Prozess, bevor sie dann wieder freigelassen werden, womöglich mit der Warnung, überhaupt nicht darüber zu sprechen, dass sie überhaupt verhaftet waren, sich jeglicher politischer Tätigkeit zu enthalten in der Zukunft. Also es sind ganz viele willkürliche Verhaftungen einfach an der Tagesordnung."

    Das Militär durchdringt inzwischen den gesamten Staat und die Gesellschaft: die Wirtschaft, die Landwirtschaft, das Bildungswesen.

    "Was wirklich schlimm ist, die Universität gibt es ja praktisch gar nicht mehr, die wurde im vergangenen Sommer geschlossen, nachdem sie schon Jahre vorher keine neuen Studenten mehr erhalten hatte, es gibt jetzt nur noch s genannte Colleges, also technische Colleges und andere, landwirtschaftliche und so weiter, die aber interessanterweise nicht unter Aufsicht des Erziehungsministeriums sind, sondern unter Aufsicht des Verteidigungsministeriums, die also praktisch als quasi-militärische Organisationen geführt werden. Das heißt, es kann in Eritrea kein international anerkannter höherer Bildungsabschluss mehr erworben werden, zudem wurde das zwölfte Schuljahr, also das Abschlussschuljahr, für alle Schülerinnen und Schüler nach Sawa, also in ein Militärcamp verlegt, das heißt, die müssen dahin gehen, erhalten militärisches Training, und wenn sie den Schulabschluss nicht schaffen, werden sie praktisch direkt ins Militär eingezogen."

    Die Besessenheit von Militär und Krieg erklärt sich zum Teil aus der Geschichte der eritreischen Regierung: Sie wird von der ehemaligen EPLF gebildet, der Eritreischen Volksbefreiungsfront, die sich inzwischen Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit nennt. Die sozialistische Guerillagruppe kämpfte 30 Jahre lang für die Unabhängigkeit von Äthiopien und führte damit einen Kampf, der zunächst aussichtslos schien: Knapp 100.000 Guerillakämpfer widersetzten sich einer der stärksten Armeen Afrikas.

    Doch am Ende siegte die EPLF, Seite an Seite mit dem äthiopischen Widerstand. Jetzt können weder die einen noch die anderen vom Kämpfen lassen: Denn jetzt stehen sich die einstigen Waffenbrüder als Feinde gegenüber und führen sogar Krieg gegen die eigene Bevölkerung.

    Ein Gemeindezentrum in Frankfurt am Main: Rund ein Dutzend Eritreer hat sich an dem langen Tisch zu einem ihrer regelmäßigen Treffen versammelt; sie sind Mitglieder der Eritreischen Anti-Militaristischen Initiative. Fast alle waren zum Militärdienst gezwungen worden, viele saßen aus nichtigen Gründen in Haft und wurden dort gefoltert oder misshandelt. Durch ihre Flucht haben sie sich dem Krieg und der penetranten Kriegspropaganda ihres Regimes entzogen.

    Jetzt kämpfen sie von Deutschland aus gegen eine Militärdiktatur, die ihre Heimat auch wirtschaftlich ruiniert: Da jeder arbeitsfähige und kräftige Mensch zum Militärdienst gezwungen ist, bleiben nur die Greise und die Kinder im zivilen Leben zurück. Weite Teile der produktiven Bevölkerung sind schon seit Jahren zwangsrekrutiert und werden dabei auch für eine sogenannte Entwicklungskampagne eingesetzt: Als Wehrpflichtige bauen sie Häuser und Straßen oder arbeiten auf großen Plantagen, die dem Militär gehören. Dort werden Cash-Crops angebaut, also Exportfrüchte, die dem Regime Devisen bringen. Die private Wirtschaft, die sich nach der Unabhängigkeit von Äthiopien und einer Privatisierungswelle zu entwickeln begann, liegt am Boden.

    Abraham Mehreteab gehört zu den Gründern der Eritreischen Anti-Militaristischen Initiative.

    "Ich habe zwar keine Statistik dazu, aber nach allem, was ich mitkriege, wird in Eritrea gehungert, und zwar ohne dass die Menschen humanitäre Hilfe bekämen. Ich erinnere mich noch an die 80er Jahre, als es die schlimme Dürre in Äthiopien und Eritrea gab. Damals haben viele internationale Organisationen geholfen und Lebensmittel verteilt. Aber das jetzige Regime lässt keine humanitären Organisationen mehr ins Land - angeblich aus Sicherheitsgründen. Stattdessen hat es spezielle Läden eingerichtet und verteilt dort selbst Brot, aber das auch nur in den Städten. Dort stehen die Menschen jetzt um fünf Uhr morgens auf und stellen sich vor den Ausgabestellen des Regimes in die Schlangen der Wartenden, um Brot zu bekommen. Das ist wirklich furchtbar und zeigt, dass die wirtschaftliche Lage immer schlechter wird."

    Die Mitglieder der eritreischen Initiative leben in ganz Deutschland verstreut, nicht immer kommen alle zu den Treffen. Die, die da sind, diskutieren über eine Demonstration, zu der sie aufrufen wollen, und ein Flugblatt. Ihre Forderung: eine friedliche Lösung für den Grenzkonflikt mit Äthiopien. Denn erstens drohen an der Grenze neue Kämpfe zwischen eritreischen und äthiopischen Truppen. Zweitens stehen sich die verfeindeten Nachbarn schon seit einigen Monaten wieder in einem Stellvertreterkrieg gegenüber.

    Der Austragungsort ist das benachbarte Somalia. Äthiopien hat die Unterstützung der USA und sogar eigene Truppen vor Ort, deren Stärke auf 30.000 bis 40.000 Mann geschätzt wird. Sie kämpfen auf der Seite einer sehr labilen somalischen Regierung, die in der Bevölkerung wenig Rückhalt hat. Auf der anderen Seite steht Eritrea, das den radikal-islamischen Widerstand unterstützt und die Führungskräfte der sogenannten Vereinigten Islamischen Gerichte beherbergt: Sie halten sich in der eritreischen Hauptstadt Asmara auf und veranstalteten dort Mitte September sogar eine große Konferenz, die viele internationale Beobachter anzog. Die USA mussten zugucken, wie einer ihrer Intimfeinde im Fokus der internationalen Aufmerksamkeit auf die politische Bühne stieg: Sheikh Hassan Dahir Aweys, den Washington der Kontakte zu El Kaida verdächtigt - wobei Aweys diese Vorwürfe zurückweist.

    Wegen dieser Kontakte zu den somalischen Islamisten steht auch Eritrea im Fokus der USA: Washington ist davon überzeugt, dass nicht nur Sheikh Hassan Dahir Aweys Kontakte zum El-Kaida-Netzwerk unterhält. Eritrea gilt als ein Land, das den internationalen Terrorismus fördert, und soll schon bald auf die entsprechende Liste kommen. So geht es nicht allein um den Vorwurf, Islamisten Unterschlupf zu gewähren, sagt Nicole Hirt:

    "Es gab diesen Bericht der UN-Kommission, die das Waffenembargo gegen Somalia überwacht, dass es recht zweifelhafte Flüge eben gab, die in Eritrea gestartet sind, die mit Ziel eigentlich Mosambik waren, dann aber in Mogadischu gelandet sein sollen, und es ist nicht auszuschließen, dass es tatsächlich Waffenlieferungen gab, obwohl die eritreische Regierung dies kategorisch ablehnt. Man muss aber natürlich sehen, dass Somalia aus ganz vielen Ländern mit Waffen beliefert wird. Das hat ja auch die UN-Kommission in einem früheren Bericht festgestellt, da wurden beispielsweise Saudi-Arabien, Ägypten, Djibuti, die Hisbollah-Miliz im Libanon und andere Staaten beschuldigt, Waffen nach Somalia geliefert zu haben, von daher kann man praktisch sagen: Eritrea mag ein Land sein, das Waffen dahin liefert. In welchem Umfang, wird sich wohl nie so genau feststellen lassen. Es ist aber mit Sicherheit nicht das einzige Land."

    Wie stichhaltig die verschiedenen Vorwürfe in dem erwähnten UN-Bericht letztendlich sind, ist umstritten. Sicher ist derzeit nur eins: Die Arbeit der Eritreischen Anti-Militaristischen Initiative wird immer brisanter. Denn an beiden Fronten spitzt sich die Lage zu, in Somalia und an der äthiopisch-eritreischen Grenze. Dort könnte es schon in nächster Zeit neue Kämpfe geben, denn im November 2007 läuft eine Frist der internationalen Schiedskommission aus: Bis dahin muss Äthiopien den Grenzverlauf anerkannt und seine Truppen aus den umstrittenen Gebieten abgezogen haben. Danach aber sieht es derzeit nicht aus, ganz im Gegenteil: Die Kriegspropaganda wird auf beiden Seiten lauter. Abraham Mehreteab ist ein scharfer Kritiker seiner Regierung, doch in diesem Fall hält er deren Argumente für richtig:

    "Ich muss einfach mal die Gründe dafür nennen, warum die Entscheidung der Schiedskommission nicht umgesetzt wurde. Denn das ganze Verhalten der eritreischen Regierung erklärt sich aus diesem ungelösten Grenzstreit. Und der ist nicht gelöst, weil Äthiopien sich weigert, den Schiedsspruch umzusetzen. Grundsätzlich bemühen sich weder Eritrea noch Äthiopien um Frieden, aber in diesem Fall blockiert eindeutig Äthiopien. Das ist jedenfalls meine Meinung. Äthiopische Truppen stehen immer noch in dem umstrittenen Gebiet. Es könnte für die äthiopische Regierung unangenehme innenpolitische Folgen haben, wenn der Grenzstreit gelöst wird. Außerdem schwächt dieser Konflikt Eritrea stärker als Äthiopien. Seit Beginn des Krieges im Jahr 1998 gibt es in Eritrea keine nennenswerte wirtschaftliche Produktion mehr - also immerhin schon neun Jahre."

    Bei ihrer Arbeit wird die Eritreische Anti-Militaristische Initiative von Rudi Friedrich und dem Connection e.V. begleitet. Der Verein unterstützt Kriegsdienstverweigerer und Deserteure aus der ganzen Welt. Friedrich warnt: Wer die Petition gegen Krieg und Diktatur unterzeichnet, bringt sich und seine Verwandten in Gefahr, das müsse jedem bewusst sein. Die Runde greift das auf: Wir müssen alle, die unterzeichnen wollen, vor den möglichen Folgen warnen, sagt einer. Und dürfen niemanden zu einer Unterschrift drängen, ergänzt ein anderer. Darauf haben sich alle schnell geeinigt, denn jeder teilt die Angst um Verwandte und Freunde, die noch zu Hause sind. Yemane Abraham ist seit zwei Jahren in Deutschland. Ihm war es gelungen, aus einem Militärgefängnis zu entkommen.

    "Einer meiner Onkel ist vor Kurzem in den Sudan geflohen, weil er den Druck nicht mehr ausgehalten hat. Die Regierung weiß, dass ich Mitglied dieser Initiative bin, und sie haben ihn ständig gefragt, wo ich bin und was ich mache. Irgendwann konnte er nicht mehr, hat seine fünf Kinder zurückgelassen und ist in den Sudan geflohen, nach Khartoum. Er hatte in Eritrea sogar versucht, sich einen Laden aufzubauen, aber diesen Laden haben sie einfach nationalisiert. Zum Glück lassen sie meine anderen Verwandten bis jetzt in Ruhe. Sie hatten es nur auf diesen Onkel abgesehen."

    Die Eltern eines seiner Freunde, der ebenfalls desertierte, wurden deshalb verhaftet. Die Regierung stellte sie vor die Alternative: Entweder rund 3000 Dollar für den entflohenen Sohn zu zahlen - oder im Gefängnis zu bleiben. Von einer solchen Geiselhaft ihrer Verwandten berichten viele Eritreer - und in dem kriegszerstörten Land haben nur wenige ein paar tausend Dollar zur Hand, um sich freizukaufen. Die Eltern von Yemanes Freund hatten Glück: Die ganze Großfamilie legte zusammen und holte die Geiseln aus dem Gefängnis. Obwohl Yemane Abraham seine Familie vermisst, ist ein Besuch zu Hause für ihn undenkbar.

    "Die eritreische Regierung erpresst uns. Wer wieder in seine Heimat zurück möchte, muss eine Art Steuer bezahlen, nämlich zwei Prozent seines Besitzes. Wer das nicht tut, bekommt kein Visum. Und wer nach seiner Rückkehr zu Hause irgendeine Art von Geschäft aufbauen möchte, muss diese Steuer auch bezahlen. In Eritrea muss man eine Quittung der hiesigen Botschaft vorlegen und nachweisen, dass man regelmäßig bezahlt hat. Ob einer arbeitet oder von Sozialhilfe lebt, ist ihnen völlig egal. Es müssen diese zwei Prozent bezahlt werden."

    Yemane Abraham zahlt nicht, ganz einfach weil er diese Politik ablehnt. Das wird ihn bald mit den deutschen Behörden in Konflikt bringen: Da er nicht als Asylbewerber anerkannt ist, benötigt er einen gültigen Pass. Den aber erhält er von seiner Botschaft nur, wenn er regelmäßig zahlt. In dieser Zwickmühle stecken die meisten Flüchtlinge. Etliche von ihnen sind irgendwann gezwungen, die sogenannte Steuer für ein paar Jahre nachzuzahlen. Da kommen leicht ein paar tausend Dollar zusammen - unerreichbar viel Geld für die Flüchtlinge, die nach deutschem Recht in der Regel nicht arbeiten dürfen und von Sozialhilfe leben müssen.

    "Vielleicht schaffst du es sogar, hier eine Wohnung zu finden und einen guten Job. Aber mit der Hälfte des Herzens bleibst du immer zu Hause. Die Angst verlässt dich nicht, sie ist immer da - nicht mehr die Angst um dich selbst, sondern die Angst um deine Geschwister und deine Freunde, die du zurückgelassen hast. Es ist hart, aber irgendwie musst du mit diesem Leben klarkommen."