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Die Apfelfront in Bamberg

Am Tag der Deutschen Einheit veranstaltete die rechtsextreme Partei NPD eine Kundgebung im oberfränkischen Gräfenberg. Das kleine Städtchen in Bayern ist seit einigen Monaten regelmäßiges Ziel einer Gruppe Neonazis. Dagegen hat sich inzwischen ein breites Bündnis von Bürgern, Vereinen und Parteien gebildet. Sie alle machen klar, dass die Rechten Umtriebe in Gräfenberg unerwünscht sind.

Von Carlo Schindhelm | 04.10.2007
    "Guten Morgen liebe Untertanen, liebes Volk, Guten morgen."

    Fritz Sturm trägt einen schwarzen Ledermantel und eine Armbinde. Statt eines Hakenkreuzes ziert die rot-weiße Armbinde allerdings das schwarze Symbol eines Apfels. Hinter ihm läuft seine Gefolgschaft. Fritz Sturm läuft bis zur Polizei-Absperrung, dann schaltet er sein Megaphon ein und hält es in Richtung der Neonazi-Kundgebung.

    "Ich möchte sie auffordern sich mir anzuschließen, mir, der perfekten Person für ihren Personenkult. Ich stelle mich gerne in ihr spirituelles Zentrum. Es wird bald Unterhosen mit meinem Antlitz geben Kaffeetassen, BHs, Autos, lebensgroße Pappaufsteller. Sie können mich anhimmeln zu jeder Tageszeit, sechs Uhr morgens, nachts, mittags, wann Sie wollen. Ich bin über Geschenke und Schwarzgeldkonten immer erfreut. Trauen sie sich kommen sie zu uns."

    Unter dem Motto "Dumm, brutal und national" bietet sich die schräge Truppe den rund hundert Neonazis als die wahre und bessere nationale Alternative an.

    "Was gibt der deutschen Jugend Kraft?" "Apfelsaft! Apfelsaft!" "Was bringt die FDÄ nach vorn?" "Apfelkorn, Apfelkorn!" "Deutsche Äpfel braucht das Land!" "Ananas wird abgebrannt." "Heil Boskop, heil Boskop!"

    Grenzen dicht für Fremdobst, so ihre nationalistische Kampfansage. Gegründet hat die Front Deutscher Äpfel 2004 der Philosophiestudent Alf Thum in Leipzig als Reaktion auf den Einzug der NPD in den sächsischen Landtag. Inzwischen hat die Satire gegen Rechts auch in Franken Anhänger gefunden, als Mittel des Protestes gegen die Umtriebe der Neonazis in der Region, sagt Fritz Sturm, mit richtigem Namen Alexander Iwanski. Er ist 21 Jahre und Lehramtsstudent:

    "Wir haben auch den Hilferuf von Gräfenberg empfangen und sind dem natürlich gefolgt, um die Bevölkerung, sage ich mal, vor diesem Belagerungszustand, sage ich mal, der andauernden Nerverei und Nötigung der Nazis ein bisschen zu unterstützen, um Solidarität zu bekunden und das Volk zu belustigen. Bisschen zu unterhalten - das ist denke ich sehr wichtig."

    Wie kam da dieser Punkt. dass du gesagt hast das ist meine Art des Protestes?

    "Ich bin der Meinung, es gibt verschiedene Sorten des Protestes, wobei jetzt die Form der Satire des Spiegelvorhaltens, das Ausnutzen gewisser intellektueller Ideen, Sprichwörter und vor allem das Umkehren der Symbolik, also das Zurückklauen, wie wir früher gesagt haben, zu nutzen."

    Wer die Satire-Gruppe mit ihren geklauten Nazi-Symbolen noch nicht kennt, dürfte im ersten Moment irritiert sein. Bei den meisten im bürgerlichen Lager der Gegendemonstranten stoßen die Apfelfrontler allerdings auf positive Resonanz:

    "Ich wusste schon Bescheid, wer da kommt, ich kannte die schon vom Hörensagen her, finde ich eine witzige Aktion."

    "Vor allem ist da das Gehirn angesprochen in erster Linie. Klar im ersten Moment zuckt man, aber ich finde es eine witzige gelungene Aktion."

    Auch der Pädagogikstudent Leon Schuster aus Bamberg hat sich für die ungewöhnliche Art des Protestes entschieden:

    "Wir haben keine Lust auf das zivilgesellschaftliche mürrische In-der-Gegend-rumstehen und wir halten das einfach für die angemessenste Art, mit dem Thema umzugehen und den Neonazis damit auch wirklich den Boden zu entziehen. Um sie einfach von diesem Thron der bösartigen Bewunderung herabzuholen, weil ich denke, dass die meisten Menschen Nazis schon mit so einer bösartigen Bewunderung betrachten, und wir wollen dieses Bild einfach zerstören."

    Als Linke wollen sich die Mitglieder der Deutschen Apfelfront nicht einordnen lassen, wenn schon dann lieber als nicht rechts.