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Die Arbeit trägt Früchte

Die jahrelange Arbeit trägt offensichtlich Früchte, so lautet das zufriedene Fazit des Naturschutzbundes Deutschland, kurz NABU, zum Storchenjahr 2004. Die Naturschutzexperten beobachten derzeit mit Freude, wie sich die inzwischen flügge gewordenen Jungstörche auf die lange Reise in die afrikanischen Winterquartiere vorbereiten. Auch die beiden Hamburger Jungstörche, deren Eltern erst extrem spät, nämlich Ende Mai, mit der Brut begonnen hatten, trainieren bereits kräftig ihre Flugmuskeln, so die NABU-Zweigstelle in der Hansestadt heute. Noch allerdings sind wir weit davon entfernt, dass der Storch - wie früher - eine Selbstverständlichkeit ist. Der Bestand muss genau im Auge behalten und gezählt und die Schutzmaßnahmen für die Störche umgesetzt werden.

Von Claudia Thoma |
    Wo im Frühjahr noch das laute Klappern von Meister Adebar über den Dächern zu hören war, da sieht man jetzt 22 Jungstörche und 14 Paare. In dem kleinen schleswig-holsteinischen Storchendorf Bergenhusen wird es in den Horsten zunehmend unruhig. Der Nachwuchs breitet seine Schwingen aus und wagt immer weitere Ausflüge. Schließlich geht es bald auf große Reise:

    Der Hauptteil unserer Störche nimmt die östliche Zugroute über die Türkei, Israel bis nach Südafrika und ein kleinerer Teil zieht nach Westen ab, Westafrika und in Spanien gibt es große Mülldeponien und Reisfelder, die für Störche sehr attraktiv sind. Der Storch ist ein Nahrungsopportunist und sucht sich seine Nahrung da, wo es am einfachsten ist.

    150 bis 300 km legen die Störche auf ihrer Reise pro Tag zurück, sagt Kai-Michael Thomsen vom NABU. Eltern und Jungstörche fliegen übrigens getrennt. Die gewaltigen Entfernungen könnten sie niemals im aktiven und Kraft zehrenden Ruderflug bewältigen. Ähnlich wie Segelflugzeuge nutzen sie deshalb warme Aufwinde. Das ist energiesparender. Der Transit durch Israel, Palästina und Jordanien ist die am besten erforschte Zugroute. Entlang des Jordan kommt es immer wieder zu Kollisionen zwischen Störchen und Flugzeugen. Gefahren lauern aber auch an Windrädern und Strommasten:

    In Europa sind sehr viele Stromtrassen, -leitungen, an denen Störche verunglücken können. Schweizer Kollegen haben festgestellt, das beispielsweise auch offene Wassertürme für die Störche gefährlich sein können, da fallen sie hinein. In Afrika haben klimatische Bedingungen einen großen Einfluss auf den Weißstorch, weil er nicht mehr genügend Nahrung findet. Und natürlich auch die Bejagung, obwohl die nicht den entscheidenden Einfluss hat.

    Eine sich ausbreitende Bedrohung liegt in der EU-Agrarpolitik, die sich bald auch in den neuen Beitrittsländern auswirken wird, befürchtet Hermann Höttker vom NABU:

    Und das ist schon eine Gefahr für den Storch. Wir befürchten, dass Feuchtgebiete entwässert werden, um sie der landwirtschaftlichen Nutzung zuzuführen und das nimmt dem Storch die Nahrungsgrundlage. Er braucht halt Frösche, watet gerne auch mal im Wasser, ist in feuchten Wiesen zu finden.

    Durch Pestizide verschwinden zudem die Nahrungstiere der Weißstörche:

    Lebensraum ist notwendig: Das sind vor allem Wiesen und Weiden, die nicht zu intensiv genutzt werden. Die Flussauen zu erhalten mit Altwässern, mit Flutmulden, wo Amphibien laichen können, die dann für den Storch als Nahrung dienen können, ist wichtig. Ebenso eine extensive landwirtschaftliche Nutzung als Grünland, mit Rindern auf der Weide.

    Gefahren lauern auch in giftigen Chemikalien. Vor allem in Afrika werden bei uns längst verbotene Pflanzenschutzmittel eingesetzt, beispielsweise um der Wanderheuschrecken Herr zu werden:

    In Afrika fressen die Störche vor allem Heuschrecken oder Insekten, wie der afrikanische Heerwurm, eine Schmetterlingsraupenart, die dort massenweise vorkommt und natürlich Reptilien, Schlangen, Eidechsen - alles, was dort vorkommt. Er ist nicht wählerisch, es muss nur in ausreichender Menge vorhanden sein.

    In den 30er Jahren hatten sich noch 9000 Storchenpaare in Deutschland niedergelassen, in den 80ern reduzierte sich die Anzahl drastisch. Jetzt rechnet man mit 4000 Weißstorchpaaren. Doch dieser leichte Anstieg seit den 80er Jahren ist trügerisch. Als Trendumkehr kann er nicht gewertet werden. Der Bruterfolg in einigen Gebieten reicht nicht aus, um die Verluste auszugleichen:

    Diese zusätzlichen Störche, die sich in Deutschland angesiedelt haben, sind im wesentlichen aus östlichen Verbreitungsgebieten gekommen, aus Polen zum Beispiel, wo allein über 40 000 Paare brüten.

    Also, noch lange keine Entwarnung, was den Bestand von Meister Adebar angeht, so der NABU. Schutz bedeutet internationaler Schutz, und da gibt es noch viel zu tun. In Bergenhusen kümmert man sich derweil auf eigene Weise um die Störche:

    Der Storch ist hier in der Bevölkerung sehr beliebt, viele Leute bauen Nisthilfen, in der Hoffnung, auch mal einen Storch abzubekommen.

    Bergenhusen macht zurzeit von sich reden, weil hier die Storchenzählergebnisse aus aller Welt landen. Denn alle zehn Jahre wird der weltweite Bestand des Weißstorches festgehalten.