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Die Arbeitswelt von morgen

Ob in der Automobilproduktion oder im Büro: Der Arbeitnehmer der Zukunft wird wieder älter sein, Frühverrentungen und Altersteilzeit sind out. Diese These veranlasst die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) dazu, gemeinsam mit Arbeitswissenschaftlern an hiesigen Universitäten, einen Forschungsschwerpunkt mit dem Titel ”Altersflexible Arbeitssysteme” auf den Weg zu bringen.

Von Ludger Fittkau |
    Bei der praktischen Gestaltung eines Arbeitsplatzes muss in Zukunft wieder mehr an ältere Beschäftigte gedacht werden. Das ist der Ansatz eines Forschungsschwerpunktes, den die Gesellschaft für Arbeitswissenschaft jetzt gemeinsam mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft auf den Weg bringt. Ekkehart Frieling vom Institut für Arbeitwissenschaft der Universität Kassel nennt die Autoindustrie als Beispiel:

    " Wenn sie jetzt davon ausgehen, dass sie in der Automobil-Industrie fast keinen mehr finden, an den Montagebändern, der älter ist als 50, das heißt sie haben kaum Arbeitsplätze für 50 und 60- Jährige oder 65-Jährige, müssen sie sich überlegen, wie kann man jetzt mit diesen Personen, die man nicht mehr über Altersteilzeitmodelle, über Steuermittel im Grunde genommen,
    aus dem Betrieb entfernt, wie kann man diese Personen sinnvoll beschäftigen, das sie auch noch wirtschaftlich tätig sind."

    Nicht nur Montagejobs in der Werkshalle, sondern auch Büroarbeitsplätze könnten künftig eine altersgerechte Ausstattung bekommen, glaubt Anette Hoppe von der Technischen Universität Cottbus:

    " Zum Beispiel Computer, die anders aussehen müssen, ergonomisch anders aussehen müssen, auch von der Bedienbarkeit für die Psyche anders ausgerichtet sein müssen, als für junge Leute, Licht muss anders sein und und und..."

    Ältere – aber auch zunehmend junge Arbeitnehmer leiden in der Arbeitswelt überdies an einem Phänomen, das man in der Arbeitswissenschaft ”Technikstress” nennt. Da müsse auch mit wissenschaftlichen Mitteln gegengesteuert, forderte Anette Hoppe:

    " Wir merken es immer mehr, dass der Einfluss von Technik in der Arbeitswelt und auch im gesellschaftlichem Umfeld neue Stressoren-Bilder ergibt und dadurch neue Krankheitsbilder, mit denen wir heute noch gar nicht rechnen."

    So seien neuerdings regelrechte Panikzustände bei Menschen zu beobachten,
    wenn neue Technik am Arbeitsplatz eingeführt werde, so die Cottbusser Psychologin.

    Lothar Funk war ein Teilnehmer der Tagung an der Uni Heidelberg, der die Chance hat, die Anregungen der Arbeitswissenschaftler aufzugreifen und den Arbeitsalltag vieler tausender Menschen zu verändern  in der Autoindustrie nämlich. Denn Lothar Funk ist bei VW in der Weiterbildung für Ergonomie zuständig  das heißt, für eine möglichst körperschonende Arbeitshaltung in der Produktion – einem klassischen Forschungsgebiet der Arbeitswissenschaften.
    Auf diesem Feld hat er schon einige Erfolge erzielen können, glaubt Lothar Funk. So werde bei VW heute in weniger in gebückter Körperhaltung gearbeitet als früher:

    " Ich sehe es, wenn ich durch die Anlagen gehe, dort, wo also so gestaltet ist, das in aufrechter Körperposition gearbeitet werden kann, zum Beispiel beim Einbau von Bremsleitungen, wo wir früher Über-Kopf-Arbeit hatten, das ist ne andere Art zu arbeiten und ich meine immer, ich merke es den Kollegen schon an, das sie zufriedener sind bei der Arbeit."

    Etwa 1000 Arbeitswissenschafter  Psychologen, Ingenieure, Sportwissenschaftler oder Betriebswirte arbeiten an deutschen Universitäten daran, die Arbeitsplätze der Menschen angenehmer und sicherer zu gestalten.

    Dabei wird nicht nur mit der Auto-Industrie kooperiert. So zeigt Sabine Hochholdinger, Psychologin an der Universität Paderborn, mittels eines e-learning-Programms Mitarbeitern des Siemens-Konzerns, wie sie Störungen in Produktionsanlagen schneller erkennen und beheben können:

    " Wenn bei einer solchen Anlage ein Bauteil ausfällt, das mag ne Sicherung sein oder ein Sensor, dann kommt diese Anlage zum Stehen, die Anlage hat auch inzwischen Möglichkeiten zu melden, an einen Operator, das sie eben steht, das auch bestimmte Teile sich nicht mehr bewegen, das ist zu sehen, aber woran das jetzt genau liegt, ob das zum Beispiel an der Programmierung liegt, im Ablauf etwas ist, also ne Information die fehlt oder ein mechanisches Problem, das kann die Anlage selbst nicht sagen, sie bleibt einfach stehen."

    So genannte ”Störungsdiagnosekompetenz” sei dann in der industriellen Produktion gefragt – und diese Kompetenz vermittelt Annette Hoppe in einem Programm, das von der DFG finanziert wird.

    Die Arbeitswissenschaft, die sich entspannteres und humaneres Arbeiten zum Ziel gesetzt hat, trifft allerdings auf eine Realität, die zunehmend nur noch nach den Geld fragt. Wie die Manager in den Weiterbildungskursen bei Volkswagen, berichtete VW-Ergonom Lothar Funk:

    " Wir haben im Augenblick das Problem, das wir unter einem starken Kostendruck stehen. Und ergonomisch gestaltete Arbeitsplätze, heißt es immer, kosten viel Geld. da kann ich als ergonom immer nur sagen: Ja, im Nachhinein, wenn wir ändern müssen, dann kosten sie wirklich richtig viel Geld, wenn wir bei der Planung, beziehungsweise bei der konstruktion schon darauf Rücksicht nehmen, dann ist es nur ein Bruchteil oder gar nicht viel mehr, denn es gehört einiges an Gehirnschmalz dazu, um Kosten einzusparen."

    Gehirnschmalz in der Arbeitswissenschaft zum Beispiel -- der in dieser Woche an der Universität Heidelberg reichlich zu finden war.