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"Die Architektur muss fröhlich sein"

Das neue Wissenschaftsmuseum in Trento ist ein architektonischer Blickfang. "Muse" heißt es und will einen Bogen von der Frühgeschichte bis in die Zukunft spannen.

Von Bernhard Krieger | 30.07.2013
    Wie Dolomitengipfel ragen die Spitzen des Museums aus der Ebene empor. Die unregelmäßigen Schrägen in der Dachkonstruktion lassen das Gebäude wie ein Trentiner Bergmassiv wirken. Zerklüftet, filigran, mystisch. Fließend gehe die Silhouette des Muse in die Umgebung über, schwärmt die Zeitung "Il Sole 24 ore".

    Das Muse ist tatsächlich perfekt eingebettet – so wie viele andere Museumsbauten des italienischen Star-Architekten. Insofern ist das Muse ein typischer Renzo-Piano-Bau – zugleich ist es aber auch untypisch. In Trento hat der Genueser nämlich nicht nur das Gebäude, sondern erstmals die gesamte Inneneinrichtung entworfen – und das mit viel Sinn für Teamgeist, wie Muse-Direktor Michele Lanzinger betont:

    "Man hat hier nicht irgendeinen Architekten beauftragt, ein Museum zu bauen, und dann den Museumsleuten gesagt: Stellt etwas hinein. Bei diesem Projekt hat Renzo Piano vom ersten Tag an mit uns zusammengearbeitet. Die Form des Gebäudes, seine Gestaltung im Inneren und die Präsentation der Ausstellung – alles wurde miteinander entwickelt. Das ist außergewöhnlich und macht die besondere Qualität dieses Museums in Trento aus."

    Trotz seiner stattlichen Ausmaße von 130 Metern Länge und 35 Metern Breite wirkt das siebenstöckige Gebäude leicht und luftig. Große Glasflächen lassen die Ausstellung über die Natur und Gesellschaft der Dolomiten mit ihrer Umgebung verschmelzen. Ein riesiger Lichthof in der Mitte verleiht zusätzlich Leichtigkeit. Das Muse verzaubere alle, kommentiert die Zeitung "l'Adige"; was für eine starke Architektur, urteilt das Veroneser Blatt "l´Arena". Schwächen verschweigen beide.

    Dabei empfinden viele die Vorderseite des Museums als zu eng an das ebenfalls von Piano auf einer alten Industriebrache gebaute Wohnviertel "Albere" angebunden. Etwas mehr Raum hätte dem Muse gut getan. Die Nähe zum neuen Luxus-Wohnkomplex mag also ein Nachteil sein - ein Vorteil ist auf jeden Fall die Nähe zum historischen Zentrum von Trento, auf die Piano schon bei der Übergabe des Gebäudes vor einem Jahr hinwies:

    "Wussten Sie, dass der Dom nur 800 Meter vom Museum entfernt steht? 800 Meter – physikalisch gesehen ist das nichts – psychologisch und kulturell betrachtet aber ist die Distanz enorm."

    Obwohl die Glocken von San Vigilio bis zum Muse zu hören sind, liegen doch Welten zwischen der alten und der neuen Sehenswürdigkeit der Stadt. Dort der Dom, in dem im 16. Jahrhundert das Vatikanische Konzil tagte, als Ort des Glaubens – und hier das Museum als Haus der Naturwissenschaften, des offenen, kritischen Geistes. Der recht dunklen romanischen Kirche mit ihren wenigen kleinen Fenstern stellt Piano ein lichtdurchflutetes Museum gegenüber:

    "Sie werden sofort eine Art Fröhlichkeit in den Räumen spüren. Ich benutze ganz bewusst diesen banalen Begriff: "Fröhlichkeit". Aber er trifft es ganz genau. Die Architektur muss fröhlich sein, muss Freude bereiten."

    Diese Heiterkeit der Architektur mit ihren Licht- und Schattenspiel bildet den perfekten Rahmen für Lanzingers Museumskonzept. Er will Wissen modern, interaktiv und spielerisch vermitteln:

    "Es gibt viele sehr spannende, sehr packende Orte in diesem Museum. So haben wir zum Beispiel ein Labyrinth der Biodiversität, in dem man die verschiedenen Höhenlagen der Alpen kennenlernt. Wir haben einen Tunnel, in dem unsere Besucher die Alpen erleben, so als würden sie selbst wie ein Adler die Felswände entlang fliegen. Und wir haben eine Grotte, in der man förmlich am Leben der Neandertaler teilnehmen kann. Wir haben viele dieser speziellen Orte, die das Museum sehr gut charakterisieren."

    In dem 12.000 Quadratmeter großen Museum kann man vieles anfassen, eine Menge ausprobieren und mit einem 3-D-Drucker sogar eigene Entwürfe realisieren. Aus passiven Museumsbesuchern würden so aktive Forscher, lobt die Zeitung "La Stampa". Das Muse spannt einen Bogen von der Frühgeschichte bis in die Zukunft. Lehrreich und unterhaltsam.
    Genauso unterhaltsam wie Renzo Piano, der in Trento verriet, warum er selbst eigentlich ungern über seine Bauten spricht:

    "Ein Architekt, der sein eigenes Projekt erklärt, ist eine lächerliche Figur. Das erinnert mich an Sänger, die erst wortreich erklären, was sie singen werden, bevor sie beginnen. Die sind doch schrecklich langweilig. Die sollen singen und gut is! Die Sprache des Architekten ist seine Architektur. Also was soll ich sie langweilen? Zum Glück können sie sich das Projekt ja nun anschauen."