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Die Asse leckt weiter

Asse bei Wolfenbüttel ist das wohl bekannteste Endlager für Atommüll. Täglich fließen 12.000 Liter Wasser in das Salzbergwerk ein. Die Bergung der rund 126.000 Atommüllfässer ist beschlossen, wird aber zehn Jahre dauern. Nur ferngesteuerte Roboter können die Arbeiten ausführen.

Theo Geers im Gespräch mit Susanne Kuhlmann | 06.10.2011
    Susanne Kuhlmann: Im früheren Salzbergwerk Asse bei Wolfenbüttel wurden bis 1978 - 126.000 Behälter mit schwach- und mittelradioaktivem Müll abgekippt. Nach schweren Versäumnissen wurde dem Betreiber, dem Helmholtz-Zentrum München, 2009 die Verantwortung entzogen, die seitdem beim Bundesamt für Strahlenschutz liegt. Theo Geers ist im Studio. Sie waren gestern in der Asse, wo die Zeit knapp wird, um zu retten, was zu retten ist, während ständig Wasser eindringt.

    Theo Geers: Es ist in der Tat unverändert ein Wettlauf mit der Zeit und dem eindringenden Wasser. Wasser in einem Salzbergwerk darf eigentlich gar nicht sein, warum muss man wohl nicht erklären, aber es fließen jetzt seit mehreren Jahren jeden Tag 12.000 Liter in die Asse rein.

    10.000 davon kommen Gott sei Dank nicht mit den Abfallkammern in Berührung, die werden relativ zügig immer wieder rausgepumpt, aber beim Rest weiß man es nicht so genau. Und einige Liter - 16 - in Worten: 16 Liter am Tag - die fängt man vor einer Kammer auf, in der der radioaktive Müll eingelagert wurde und diese 16 Liter sind auch belastet. Aber das Hauptproblem sind eben die 12.000 Liter insgesamt, denn die, so Wolfram König, der Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, bedrohen unverändert die Standfestigkeit der Asse als Ganzes:

    "Wir können relativ gut abschätzen, was die Standfestigkeit des Gebirges angeht, den Zeitraum zehn Jahre nach vorne geblickt. Was wir nicht wissen ist wie lange wir mit diesem relativ geringen Wasserzufluss leben können. Wir wissen nicht wie das Gebirge hinter der Salzstruktur aussieht. Wir können auch nicht ausschließen, dass es zu einer schlagartigen Erhöhung der Wassermenge kommt. Deswegen müssen wir uns auf so ein Worst-Case-Szenario einstellen."

    Geers: Das Szenario - das wäre dann der Effekt, den jeder von einer Ketchup-Flasche her kennt: Erst kommt wenig - und dann plötzlich ein ganzer Schwall - und das kann man eben in der Asse nicht ausschließen.

    Kuhlmann: ...und das wäre dann das Katastrophenszenario ?

    Geers: Genau. Wenn die Asse absaufen würde, käme das Wasser mit dem radioaktiven Müll in Kontakt, die Radionuklide könnten ausgespült werden, die dann instabile Asse würde von dem Deckgebirge zusammengedrückt und dann reagieren wie ein Schwamm, den man zusammendrückt, das heißt das belastete Wasser würde früher später aus dem Bergwerk austreten und dann wäre nicht mehr auszuschließen, dass es früher oder später von da unten hoch käme zu uns.

    Kuhlmann: Wann könnte es denn soweit sein, dass die Müllfässer geborgen werden?

    Geers: Das weiß man noch nicht. Man muss grundsätzlich erst mal hoffen, dass die Asse so bleibt wie sie ist, für zehn Jahre ist man da - Wolfram König sagte es gerade - erst mal auf der halbwegs sicheren Seite. Aber man muss ja wissen, was in den Abfallkammern drin ist. Dafür will man jetzt - endlich - noch in diesem Jahr die ersten zwei Abfallkammern probeweise anbohren. Die Technik,- also die Bohrer oder die aufwendige Strahlenschutztechnik, ist schon unter Tage fix und fertig installiert. Was fehlt sind die letzten Genehmigungen und dann, so Wolfram König, ginge es um Folgendes:

    "Also wir rechnen mit 27 Metern, die durchfahren werden müssen, um dann Informationen zu bekommen, wie sieht es darin aus? Wie ist die Atmosphäre, wie ist die Aktivität, wie ist der Druck? Also Informationen, die wir brauchen, um ableiten zu können, welche Sicherungsmaßnahmen sind erforderlich, um in einem zweiten Schritt diese Kammer zu öffnen und in einem dritten exemplarisch auch Abfälle bergen zu können und zu analysieren."

    Geers: Die Bergung selbst dürfte ab Beginn mindestens zehn Jahre dauern und dann auch nur mit ferngesteuerten Robotern ausgeführt werden, Menschen reinstellen können Sie da nicht.

    Kuhlmann: Ein großer technischer Aufwand also, und Erfahrungen mit einer derartigen Bergung von Atommüll gibt es noch nicht. Wo könnte der strahlende Abfall denn schließlich landen und kann man unter den jetzigen Bedingungen in der Asse denn überhaupt bergen?

    Geers:Das ist auch noch offen. Im Gespräch ist der Schacht Konrad bei Salzgitter, aber dort reichen die genehmigten Kapazitäten nicht aus, um auch noch den Abfall aus der Asse komplett aufzunehmen. Es geht um knapp 126 000 Fässer, die meisten davon kaputt, verrostet, zerquetscht. Allein die Fässer haben ein Volumen von 40.000 Kubikmeter. Weil sie kaputt sind muss auch das sie umgebend Salz entsorgt werden. Dadurch steigt Menge auf wahrscheinlich 100.000 Kubikmeter, also mehr als das Doppelte.

    Und um das Zeug aus der Asse hoch zu bringen, braucht man auch noch einen zweiten Schacht, damit Menschen und dann die Transporte des Abfalls getrennt werden können.

    Das Problem: Der von der Technik und Bergsicherheit her einzig mögliche Standort für diesen zweiten Schacht liegt etwa 500 Meter entfernt vom jetzigen Schacht genau in einem Naturschutzgebiet. Zudem würde das Abteufen mehrere Jahre dauern -
    und das immer vor dem Hintergrund, dass die Asse nicht vorher nicht absäuft ...

    Kuhlmann: Danke, Theo Geers.