Wie sind die Virus-Gene hinein gekommen in das Erbgut der Mäusezellen?
"Wir hatten keine Ahnung, wenn es reell ist, wie es zustande kommt."
An einen banalen Messfehler, ein Artefakt wollte Lars Hangartner vom Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich nicht glauben.
"Wir haben fast zehn Jahre lang gebraucht, bis wir das dann wirklich bis zu dem Grad entschlüsselt haben, wie wir das zur Zeit präsentieren."
Es geht um LCMV, ein Virus, das bei Mäusen weit verbreitet ist. Gene des so genannten RNA-Virus fand Lars Hangartner in Zellen der Thymus-Drüse von Mäusen. Der Befund widerspricht den Biologie-Lehrbüchern. Die sagen: Es gibt Viren, die ihre Erbinformation in das Erbgut von Zellen einbauen können – das sind die so genannten "Retroviren". RNA-Viren dagegen – wie Masern-, Mumps- oder Polio-Viren oder eben das LCMV - können das nicht.
Das bekannteste Retrovirus ist HIV. Wenn sich ein Mensch mit dem Aids-Virus ansteckt, dann läuft die immer gleiche, komplizierte Choreografie ab. Das Virus dringt zunächst in eine Immunzelle ein. Dann übersetzt es seine eigene Erbinformation – es schreibt sie um in eine für die Zelle archivierbare Form: in das Erbmolekül DNA. Das entsprechende Werkzeug bringt HIV mit. Dann baut es seine Erbinformation fest ein in das Erbgut der Zelle. Von da an wird die Zelle immer neue Aids-Viren produzieren.
Das Aids-Virus ist längst nicht das einzige Retrovirus, das den Weg des Menschen im Laufe der Jahrtausende gekreuzt hat. Und alle haben ihre Spuren hinterlassen im menschlichen Erbgut - und dem anderer Säugetiere.
"Bis zu acht oder zehn Prozent, je nach Organismus, des ganzen Erbgutes besteht aus Teilen, die ursprünglich mal von einem Retrovirus gestammt haben."
Eine HIV-Infektion ist – auf lange Sicht - tödlich. Die vielen alten in unserem Erbgut archivierten Retrovirus-Fragmente dagegen sind für uns Menschen nicht mehr bedrohlich – ihre Erbinformation wird nicht mehr genutzt zur Herstellung von krank machenden Viren. Hangartner:
"Bei den Mäusen ist es zum Beispiel so, dass diese Retroviren noch recht aktiv sind."
Eine Tatsache, die erklärt, wie RNA-Viren ihr Erbgut in Zellen einschmuggeln. Denn ein spezielles Retrovirus-Fragment ist im Thymus von Mäusen aktiv. Und dieses hat – bildlich gesprochen – die Erbinformation des LCM-Virus aufgeschnappt und in das Erbgut der Thymuszelle eingebaut. Ohne die Hilfe des Retrovirus wäre dies nicht geschehen. Hangartner:
"Das war ein Dogma in der molekularen Biologie, dass RNA-Viren sich nicht ins Erbgut integrieren, weil sonst wären sie Retroviren."
Es handelt sich um ein extrem seltenes Ereignis. Dennoch: Das Dogma ist gefallen. Die Erkenntnis: Die Grenze zwischen RNA- und Retroviren lässt sich in der Natur nicht so scharf ziehen. In diesem Punkt müssen die Biologie-Lehrbücher umgeschrieben werden. Hat die neue Erkenntnis praktische Bedeutung - zum Beispiel für die Medizin? Im Bereich der Gentherapie schon, meint Lars Hangartner. Denn RNA-Viren galten bislang als unbedenkliche Transportmittel, um heilende Gene in Zellen einzuschleusen. Sollten einige der Gentaxis aber ihre eigene Erbinformation in die Zellen integrieren, dann könnte das unangenehme Folgen haben. Die Zellen könnten sich plötzlich anders verhalten – sich zum Beispiel schneller teilen.
"Die größte Sorge diesbezüglich ist eigentlich die Krebsentstehung."
Die Forderung des Virologen Lars Hangartner daher: Bevor ein Virus als Gentaxi genutzt werden darf, muss ausgeschlossen werden, dass es Wechselwirkungen gibt mit einem der alten Retroviren in unserem Erbgut.
"Und wenn dieser Test negativ verläuft, denke ich mir, ist man aus dem Schneider."
"Wir hatten keine Ahnung, wenn es reell ist, wie es zustande kommt."
An einen banalen Messfehler, ein Artefakt wollte Lars Hangartner vom Institut für Medizinische Mikrobiologie der Universität Zürich nicht glauben.
"Wir haben fast zehn Jahre lang gebraucht, bis wir das dann wirklich bis zu dem Grad entschlüsselt haben, wie wir das zur Zeit präsentieren."
Es geht um LCMV, ein Virus, das bei Mäusen weit verbreitet ist. Gene des so genannten RNA-Virus fand Lars Hangartner in Zellen der Thymus-Drüse von Mäusen. Der Befund widerspricht den Biologie-Lehrbüchern. Die sagen: Es gibt Viren, die ihre Erbinformation in das Erbgut von Zellen einbauen können – das sind die so genannten "Retroviren". RNA-Viren dagegen – wie Masern-, Mumps- oder Polio-Viren oder eben das LCMV - können das nicht.
Das bekannteste Retrovirus ist HIV. Wenn sich ein Mensch mit dem Aids-Virus ansteckt, dann läuft die immer gleiche, komplizierte Choreografie ab. Das Virus dringt zunächst in eine Immunzelle ein. Dann übersetzt es seine eigene Erbinformation – es schreibt sie um in eine für die Zelle archivierbare Form: in das Erbmolekül DNA. Das entsprechende Werkzeug bringt HIV mit. Dann baut es seine Erbinformation fest ein in das Erbgut der Zelle. Von da an wird die Zelle immer neue Aids-Viren produzieren.
Das Aids-Virus ist längst nicht das einzige Retrovirus, das den Weg des Menschen im Laufe der Jahrtausende gekreuzt hat. Und alle haben ihre Spuren hinterlassen im menschlichen Erbgut - und dem anderer Säugetiere.
"Bis zu acht oder zehn Prozent, je nach Organismus, des ganzen Erbgutes besteht aus Teilen, die ursprünglich mal von einem Retrovirus gestammt haben."
Eine HIV-Infektion ist – auf lange Sicht - tödlich. Die vielen alten in unserem Erbgut archivierten Retrovirus-Fragmente dagegen sind für uns Menschen nicht mehr bedrohlich – ihre Erbinformation wird nicht mehr genutzt zur Herstellung von krank machenden Viren. Hangartner:
"Bei den Mäusen ist es zum Beispiel so, dass diese Retroviren noch recht aktiv sind."
Eine Tatsache, die erklärt, wie RNA-Viren ihr Erbgut in Zellen einschmuggeln. Denn ein spezielles Retrovirus-Fragment ist im Thymus von Mäusen aktiv. Und dieses hat – bildlich gesprochen – die Erbinformation des LCM-Virus aufgeschnappt und in das Erbgut der Thymuszelle eingebaut. Ohne die Hilfe des Retrovirus wäre dies nicht geschehen. Hangartner:
"Das war ein Dogma in der molekularen Biologie, dass RNA-Viren sich nicht ins Erbgut integrieren, weil sonst wären sie Retroviren."
Es handelt sich um ein extrem seltenes Ereignis. Dennoch: Das Dogma ist gefallen. Die Erkenntnis: Die Grenze zwischen RNA- und Retroviren lässt sich in der Natur nicht so scharf ziehen. In diesem Punkt müssen die Biologie-Lehrbücher umgeschrieben werden. Hat die neue Erkenntnis praktische Bedeutung - zum Beispiel für die Medizin? Im Bereich der Gentherapie schon, meint Lars Hangartner. Denn RNA-Viren galten bislang als unbedenkliche Transportmittel, um heilende Gene in Zellen einzuschleusen. Sollten einige der Gentaxis aber ihre eigene Erbinformation in die Zellen integrieren, dann könnte das unangenehme Folgen haben. Die Zellen könnten sich plötzlich anders verhalten – sich zum Beispiel schneller teilen.
"Die größte Sorge diesbezüglich ist eigentlich die Krebsentstehung."
Die Forderung des Virologen Lars Hangartner daher: Bevor ein Virus als Gentaxi genutzt werden darf, muss ausgeschlossen werden, dass es Wechselwirkungen gibt mit einem der alten Retroviren in unserem Erbgut.
"Und wenn dieser Test negativ verläuft, denke ich mir, ist man aus dem Schneider."