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Die Aussicht auf der Zielgeraden

Nach zwei Jahren Aufbau-Studiengang in München und Regensburg stehen die ersten 21 Studenten der Osteuropastudien kurz vor ihrem Abschluss. In vier Wochen müssen sie ihre Master- oder Magisterarbeiten abgeben. Ende September legen sie ihre letzten Prüfungen ab. Einige von ihnen haben konkrete Jobangebote, andere wollen promovieren und zwei schreiben ihre Arbeiten bereits neben ihrem neuen Beruf.

Von Caroline Neider | 21.07.2006
    Die Zukunftsaussichten der bayerischen Elite-Studenten sind gut, doch kurz vor dem Ende geht es den meisten Studierenden ähnlich:

    "Ich habe ständig Kopfschmerzen, also wir haben vorher drüber gesprochen, ich habe nämlich in die Runde gefragt, ob das normal sei, dass man Kopfschmerzen vor der Magisterarbeit hat, aber anscheinend ist das so. Na ja, man gerät halt immer in Panik und denkt, man wird nicht fertig, und es sind nur noch vier Wochen."
    Und Lena Goreliks Thema ist umfangreich, sie schreibt über die russisch-jüdischen Einwanderer in Deutschland. Vor vierzehn Jahren ist die 25-Jährige selbst als Flüchtling aus St. Petersburg hierher gekommen und hat über ihre Erfahrungen auch schon ein Buch geschrieben. Vor der Aufnahme in den Elite-Studiengang hat sie die Deutsche Journalistenschule in München absolviert, und in dieses Metier möchte sie auch wieder zurück:

    "Also grundsätzlich habe ich einfach vor, journalistisch zu arbeiten und das dann hoffentlich mit dem Schwerpunkt Osteuropa. Erstmal gehe ich für sechs Monate nach Israel. Erstmal lerne ich Hebräisch in Jerusalem drei Monate und dann mache ich ein dreimonatiges Praktikum bei der ARD in Tel Aviv."

    Angst scheint sie keine zu haben. Der aktuelle Konflikt im Nahen Osten ist wohl noch zu weit weg. Lena Goreliks großer Traum ist, irgendwann Korrespondentin in Moskau zu werden. Dass der Elitestudiengang Osteuropastudien ambitionierter ausbildet als andere, davon ist Laura Hölzlwimmer überzeugt. Sie hat mit Lena Gorelik die vergangenen beiden Jahre in Bayern studiert.

    "Dadurch, dass wir uns sehr vielseitig mit Osteuropa beschäftigt haben, also auch aus unterschiedlichen Fragehorizonten heraus und eben nicht nur in der Theorie, sondern dass die allermeisten von uns selbst schon in Osteuropa gewesen sind, deshalb bringen wir ein Wissen mit, dass nicht nur auf dem Papier besteht. Und das hebt uns, denke ich, von anderen teilweise ab. Ja, und warum Osteuropa wichtig ist, das denke ich, muss man nicht erklären. Das ist die Region, die uns in der Zukunft noch weiter beschäftigen wird, wahrscheinlich immer mehr noch."

    Die junge Dachauerin möchte über ihr Magisterthema "Die katholische Kirche im stalinistischen Polen" promovieren, also erst einmal an der Uni bleiben. Warum sich die 25-Jährige so sehr für Polen interessiert, kann sie selbst nur schwer erklären:

    "Das weiß ich wirklich nicht so genau. Ich habe überhaupt keine Wurzeln dort. Das kam dadurch, dass ich sehr früh in meinem Studium so wirklich aus einem ganz intuitiven Interesse heraus, angefangen habe, Polnisch zu lernen und mir das irgendwie wahnsinnig Spaß gemacht hat, mich das wahnsinnig gereizt hat, diese schwierige Sprache beherrschen zu lernen."

    Die vergangenen vier Semester mit den Elite-Studierenden wird Laura Hölzlwimmer auf jeden Fall vermissen.

    "Also, es ist halt einfach, wir studieren zusammen seit zwei Jahren, wir kennen uns, wir haben ein paar Kurse wirklich alle gemeinsam gehabt. Wir sind zusammen auf Exkursion gefahren. Also es hat sich schon ein Gemeinschaftsgefühl jetzt gebildet, dass in anderen Studiengängen nicht so da ist."

    Die Ausbildung war für beide Studierenden eine große Chance. Sie haben an einer internationalen Sommerschule in der Slowakei und Ungarn teilgenommen und Arbeitserfahrungen im Ausland gesammelt. Professor Martin Schulze Wessel hat den interdisziplinären Studiengang vor drei Jahren im Rahmen des Elitenetzwerks Bayern mitinitiiert.

    "Wir sprechen im Grunde zwei Gruppen von Studierenden an. Das eine sind die Geisteswissenschaftler, die schon Vorkenntnisse zu Osteuropa haben und auch in dem Bereich Volkswirtschaft und Jura hineinriechen wollen. Und das zweite sind Studierende, die aus den Bereichen Jura oder VWL kommen und Kulturkompetenz erwerben wollen. Werden dann möglicherweise in Bereichen wie EU oder auch Unternehmen arbeiten, aber eben mit einer Osteuropa-Kompetenz, die sie vorher nicht hatten."

    Mit dem bisherigen Ergebnis ist er mehr als zufrieden.

    "In vieler Hinsicht sind die Erwartungen übertroffen worden, insofern als die Studierenden im universitären Alltag auch Kontakt untereinander halten und sehr viel voneinander lernen. Das ist eigentlich der schönste Effekt gewesen an dem Studiengang bislang."

    Über einhundert Bewerbungen hat Professor Schulze Wessel dieses Jahr wieder zu prüfen. Etwa 25 davon werden im Oktober ihr Studium aufnehmen.