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Die auswärtige Kulturpolitik unter Steinmeier

Der Kulturpolitologe Wolfgang Schneider hat sich positiv über den kulturpolitischen Kurs von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier geäußert. Er habe in den Kulturbereichen, in denen sein grüner Vorgänger "sehr viel gekürzt" habe, durch finanzielle Zuwendungen eine Weiterentwicklung ermöglicht. Steinmeier sehe die Kulturpolitik nach dem Vorbild des letzten Außenministers der Sozialdemokratie, Willy Brandts, als "dritte Säule neben der Diplomatie und der Wirtschaftspolitik", so Schneider.

Wolfgang Schneider im Gespräch mit Rainer Berthold Schossig |
    Rainer Berthold Schossig: Der oberste deutsche Diplomat, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der gestern so plötzlich mitten im die politische Tagesrealität katapultiert wurde, er hatte bereits heute Gelegenheit, sein Profil als auswärtiger Kulturpolitiker neu zu schärfen bei der Botschafterkonferenz in Berlin. Steinmeier will mehr Haushaltsmittel für Entwicklungshilfe, um damit auch auswärtige Kulturpolitik zu fördern. Die neuen Goetheinstitute in Afrika seien dazu ein weiterer Baustein. Frage an Wolfgang Schneider, er hat einen Lehrstuhl für Kulturpolitik an der Universität Hildesheim, und er beobachtet die Kulturpolitik. Anders als sein grüner Vorgänger hat sich Frank-Walter Steinmeier ja intensiv um die Förderung deutscher Kulturpolitik im Ausland gekümmert. Wie könnte man sein kulturpolitisches Profil denn beschreiben?

    Wolfgang Schneider: Na, ich glaube, das Wesentliche ist, dass Außenminister Steinmeier überhaupt erst mal die auswärtige Kulturpolitik wieder in die Lage versetzt hat durch finanzielle Zuwendungen, sich weiterzuentwickeln. Das ist in Zeiten, wo sehr viel gekürzt wird im Kulturbereich und wo sein Vorgänger ziemlich viel hat kürzen lassen, doch eine ganze Menge und es wurde in der Amtszeit Steinmeier immer gerne damit beschrieben, dass ein paar Kilometer Autobahn, wo wir ja wissen, dass die immer gleich ein paar Millionen kosten, hinzugekommen sind.

    Schossig: So viel zu den Kosten, Herr Schneider. Steinmeier selbst hat sich ja zum Beispiel für Offenheit, für Verschiedenheit, politischen Schutz der Kultur ausgesprochen. Kann man denn irgendwie erkennen bereits, was die Schwerpunkte seiner kulturpolitischen Vorstellungen sind?

    Schneider: Generell wäre einmal festzustellen, dass er immer wieder darauf zurückgegriffen hat auf das schöne Bild, was Willy Brandt mal vorgegeben hat. Das war ja der letzte Außenminister der Sozialdemokratie. Der sagte immer, die Kulturpolitik ist die dritte Säule neben der Diplomatie und der Wirtschaftspolitik. Und diese dritte Säule war ein bisschen eingeknickt und sie gewissermaßen zu identifizieren und ihr auch einen Auftrag zu geben und zu sagen, das könnte sogar auch das Fundament von Außenpolitik insgesamt werden, diesen Weg ist Steinmeier gegangen.

    Schossig: Eine Reihe von Beobachtern sagen jetzt, dass Steinmeier den Dialog der Kulturen vorangetrieben hat wie bisher kaum ein anderer Außenminister vor ihm. Er hat sich damit als engagierter Kulturpolitiker zu erkennen gegeben. Wie, sagen wir mal, tief gehen denn seine kulturellen Neigungen?

    Schneider: Ich kenne ihn ja nicht so persönlich, dass ich das jetzt irgendwie biografisch ableiten kann. Aber ich habe ihn ein paar Mal erleben dürfen bei Veranstaltungen und Tagungen. Er hat sich in der Tat inhaltlich eingebracht und es ging ihm jetzt nicht um eine Instrumentalisierung von Kunst und Kultur. Es ging ihm auch nicht darum, jetzt nur das Deutschlandbild zu repräsentieren, sondern viele der Begegnungen waren geprägt in der Tat vom Dialog. Aber der nächste Schritt, der war dann auch immer der Austausch und der übernächste Schritt zumindest gedacht, was Kooperationen, Zusammenarbeit und auch Künstlerisches gemeinsam zu schaffen betrifft.

    Schossig: In diesem Sinne scheint mir auch interessant, dass Steinmeier die Bildungspolitik explizit als integralen Bestandteil seiner Kulturpolitik ja immer betrachtet hat.

    Schneider: Ja, das macht sich ja auch fest, dass die Abteilung im Auswärtigen Amt auswärtige Kultur- und Bildungspolitik betitelt wurde. Und das hat natürlich auch was mit einer innerdeutschen Debatte über die kulturelle Bildung zu tun. Je stärker die da vorangetrieben wurden in den letzten Jahren, desto mehr hat man sich auch eben über Kulturvermittlung im weitesten Sinne auch in der auswärtigen Politik beschäftigt. Und schließlich geht ja ein Großteil des Geldes ja auch in die deutschen Schulen, die eben wiederum auch nicht nur Sprache vermitteln, sondern eben Sprache als Teil der Kultur.

    Schossig: Vielleicht war es ja nur Zufall, dass gerade heute Angela Merkel in München bei ihrem Antrittsbesuch im Goetheinstitut, ihrem ersten Besuch dort in der Zentrale von Goethe, sich auch angesichts der gewachsenen globalen Verantwortung Deutschlands für eine stärkere auswärtige Kulturpolitik ausgesprochen hat. Glauben Sie, Herr Schneider, dass es sein könnte, dass auswärtige Kultur jetzt, lange Stiefkind ja der Politik, zum Wahlkampfthema werden könnte?

    Schneider: Das wäre etwas Besonderes in unserer politischen Landschaft. Die Kultur spielt eine Rolle. Wir bezeichnen uns gerne als Kulturstaat, andere auch als Kulturnation. Wir haben eine Kultur-Enquete des Bundestages gehabt mit vielen Handlungsempfehlungen. Wir wissen, dass die Länder darauf pochen, dass der Kulturföderalismus eben bei ihnen zu Hause ist. In den Wahlkämpfen hat Kultur bisher keine große Rolle gespielt. Man kann aber natürlich diese Karte ausspielen, indem man durchaus wahrnimmt, wir haben einen großen Markt der Kulturwirtschaft. Wir haben Künstler und Kulturschaffende und wir haben große Netzwerke und wir haben natürlich auch ganz viele Menschen, die dort arbeiten und darüber schreiben oder, so wie Sie, berichten und die darf man nicht unberücksichtigt lassen, wenn es um jede Wählerstimme geht.

    Schossig: Soweit der Hildesheimer Kulturforscher Wolfgang Schneider über das kulturpolitische Profil des SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier.