Aber auch, wenn er sich historischen Stoffen annahm, wie im Roman "Schinderhannes", ging es Fuchs um gegenwärtige Probleme der Gesellschaft. Nach sechs Romanen, die in der AutorenEdition und bei Hoffmann & Campe erschienen sind, und etlichen Kinderbüchern legt der 1932 geborene Autor jetzt sein erstes Buch im Selbstverlag vor: Wie in einer klassischen Reisegesellschaft führt er in einem kleinen Roman ganz unterschiedliche Schicksale zusammen, Menschen, die einander 1892 in Hamburg, dem damals größten Auswandererhafen Europas, trafen, um gemeinsam das Schiff nach Amerika zu besteigen. "Auch heute sind Millionen unterwegs", heißt es in der Widmung, auch in dem neuen Roman entfaltet Fuchs einen historischen Stoff vor aktuellem, aber auch zeitlosem Hintergrund. Dazu der Autor:
"In den letzten vier Romanen spielt das Motiv Auswandern immer eine Rolle. Veith will mit Ulrike nach Amerika fliehen, in Katharinas Nacht geht Katharina ins Exil. Lea Rasch, die Jüdin, ist bereits im Saargebiet im Exil, sie wandert dann weiter aus - sie begeht Selbstmord. In Schussfahrt schwören sich die beiden Wolf-Brüder, nach Kanada zu gehen. Teils aus dem Wunsch, den deutschen Verhältnissen zu entfliehen, aber auch aus dem den meisten Menschen innewohnenden Wunsch, irgendwann einmal einen Neuanfang zu machen, einen radikalen Schnitt zu machen und in einer neuen Welt, einer besseren, ein ganz neues, andersartiges Leben zu führen."
"Die Auswanderer": Kantor und seine Familie fliehen in letzter Minute vor antisemitischen Pogromen in Russland und hängen zunächst in der ostpreußischen Grenzstadt Eydtkuhnen fest, bevor sie über Berlin nach Hamburg gelangen. Tatlin arbeitet als Osteuropa-Agent für die Hamburger Reederei Hapag und versorgt auch Deserteure mit begehrten Schiffspassagen, bis ihm der Boden zu heiß wird. Frau Ebel hat ihren Mann mit dem Kind sitzen gelassen und ist mit ihrem Liebhaber durchgebrannt, eine Nonne kann und will nicht zu ihrem Missionseinsatz nach Afrika zurückkehren und Benz schließlich, ein gerissener Scheckbetrüger, muss vor seinen Gläubigern fliehen. Jeder trägt sein individuelles Schicksal, jeder hat seine eigenen Motive zur Auswanderung. Dazu Fuchs:
"Ja, ich glaube, dass die Motive auszuwandern sehr unterschiedlich sind. Sie sind relativ einförmig in sehr armen Gegenden. Man flieht dort vor dem Elend, aber auch vor dem Polizeiterror und den politisch repressiven Verhältnissen. Aber die deutschen Auswanderer, die ich beschreibe, die tun das zum Teil auch, das sind zum Teil auch politische Motive, aber die Motive sind durchaus gemischt und nicht immer von der ersten Sorte. Aber ich denke, das ist realistisch, denn gerade in der Zeit, Ende des neunzehnten Jahrhunderts, gab es keinen Grund mehr, aus Not aus Deutschland wegzugehen. Die Industrialisierung schritt riesenhaft voran, Arbeitskräfte wurden gebraucht. Also die gingen aus anderen Gründen weg."
Wie in einem ausgeführten Drehbuch, mit harten, filmischen Schnitten führt Fuchs die verschiedenen Lebensgeschichten zusammen, wobei sich der Leser durchaus einen längeren Atem und eine ausführlichere Schilderung der Hintergründe gewünscht hätte. Aber das Buch ist unter Zeitdruck entstanden. Es musste im Mai dieses Jahres fertig werden, denn es steht im Zusammenhang mit verschiedenen Projekten, mit denen die Stadt Hamburg ihre Geschichte als Auswandererstadt aufarbeitet und den Nachfahren der Migranten in Übersee die Möglichkeit gibt, sich auf die Suche nach dem Spuren ihrer Vorfahren zu begeben. Die Einbettung in dieses Projekt ermutigte Fuchs aber erst zu dem Wagnis, "Die Auswanderer" im Selbstverlag zu produzieren:
"Mein Buch ist Teil dieses Projekts. Und ich denke, die Aufmerksamkeit, die dieses Projekt finden wird, wird auch auf mein Buch abstrahlen. Das heißt, das, was ein Verlag an Werbung hätte machen müssen, bekomme ich auf diese Weise praktisch umsonst. Und das war der Grund, warum ich das riskierte und mich in Schulden stürzte. Und so, wie es aussieht, scheint das aufzugehen."
Auf diese Weise konnte Fuchs es vermeiden, sich mit den "Bedenkenträgern in den Verlagen" auseinander zu setzen. So nennt er verbittert die Lektoren und Programmmacher, die heute unter erheblichem Erfolgsdruck arbeiten, kaum noch Risiken eingehen dürfen und die immer seltener bereit sind, Renditen, die ihre Bestseller erwirtschaften, im Rahmen einer Mischkalkulation in ökonomisch unsichere Projekte zu stecken. Dabei ist Fuchs ein anerkannter Erzähler, der aber nie den großen Durchbruch auf dem Literaturmarkt geschafft hat. Für seinen Verlag Hoffmann & Campe sei er, so seine Einschätzung, für die erforderlichen Auflagen nicht tauglich und nicht mehr als ein "ein toter Hund". Als Opfer der Konzentration im Verlagswesen und der stärkeren Renditeerwartungen bei Literatur sieht Fuchs sich aber dennoch nicht - zumindest nicht mehr als viele andere literarisch ambitionierte Autoren auch:
"In gewisser Weise ist jeder Autor Opfer dieser Entwicklung. Das fängt an bei der Summe, die ein Verlag für die Werbung eines Buchs ausgibt, für die Betreuung beispielsweise der Autoren, was ein großer Posten ist. Ein sorgfältiges Lektorat kostet Geld. Und wenn man die Buchproduktion ständig erhöht, aber die Zahl der Mitarbeiter in einem Verlag verringert, geht das ganz klar auf Kosten der Qualität."
Das Modell, das Fuchs nun gewählt hat, kann jedoch nur eine Notlösung, keinen wirklichen Ausweg darstellen. Ein Lektorat und die Kosten für eine entsprechende Ausstattung musste er ebenfalls sparen. Außerdem geht sein Weg auf Kosten der Präsenz im Buchhandel, denn kein Vertreter bietet das Buch dort an, kein Verlag weist in seiner Vorschau darauf hin. Über Hamburg hinaus - und das, obwohl der Autor kein Regionalschriftsteller und das Buch gewiss keine Hamburgensie ist, gelangt das Buch nur über Libri, den größten Zwischenhändler. Damit hat Fuchs sich abgefunden. Um literarische Lorbeeren sei es ihm ein Leben lang gegangen. Jetzt denkt er vor allem an die Rente:
"Es sind durchaus auch massive materielle Überlegungen da gewesen. Denn wenn die Herstellungskosten des Buchs 5,00 Mark betragen, und die deutsche Ausgabe kostet 19,80, dann ist die Differenz mir. Wäre es bei einem Verlag erschienen, hätte ich zehn Prozent vom Netto-Ladenpreis gehabt, das wären gerade mal 1,80. Das ist ein so großer Unterschied, dass das bei mir eine Rolle gespielt hat. Sicher sind das Rückzugsgefechte in gewisser Weise. Nun gut. Ich wandere eben auch aus!"
"In den letzten vier Romanen spielt das Motiv Auswandern immer eine Rolle. Veith will mit Ulrike nach Amerika fliehen, in Katharinas Nacht geht Katharina ins Exil. Lea Rasch, die Jüdin, ist bereits im Saargebiet im Exil, sie wandert dann weiter aus - sie begeht Selbstmord. In Schussfahrt schwören sich die beiden Wolf-Brüder, nach Kanada zu gehen. Teils aus dem Wunsch, den deutschen Verhältnissen zu entfliehen, aber auch aus dem den meisten Menschen innewohnenden Wunsch, irgendwann einmal einen Neuanfang zu machen, einen radikalen Schnitt zu machen und in einer neuen Welt, einer besseren, ein ganz neues, andersartiges Leben zu führen."
"Die Auswanderer": Kantor und seine Familie fliehen in letzter Minute vor antisemitischen Pogromen in Russland und hängen zunächst in der ostpreußischen Grenzstadt Eydtkuhnen fest, bevor sie über Berlin nach Hamburg gelangen. Tatlin arbeitet als Osteuropa-Agent für die Hamburger Reederei Hapag und versorgt auch Deserteure mit begehrten Schiffspassagen, bis ihm der Boden zu heiß wird. Frau Ebel hat ihren Mann mit dem Kind sitzen gelassen und ist mit ihrem Liebhaber durchgebrannt, eine Nonne kann und will nicht zu ihrem Missionseinsatz nach Afrika zurückkehren und Benz schließlich, ein gerissener Scheckbetrüger, muss vor seinen Gläubigern fliehen. Jeder trägt sein individuelles Schicksal, jeder hat seine eigenen Motive zur Auswanderung. Dazu Fuchs:
"Ja, ich glaube, dass die Motive auszuwandern sehr unterschiedlich sind. Sie sind relativ einförmig in sehr armen Gegenden. Man flieht dort vor dem Elend, aber auch vor dem Polizeiterror und den politisch repressiven Verhältnissen. Aber die deutschen Auswanderer, die ich beschreibe, die tun das zum Teil auch, das sind zum Teil auch politische Motive, aber die Motive sind durchaus gemischt und nicht immer von der ersten Sorte. Aber ich denke, das ist realistisch, denn gerade in der Zeit, Ende des neunzehnten Jahrhunderts, gab es keinen Grund mehr, aus Not aus Deutschland wegzugehen. Die Industrialisierung schritt riesenhaft voran, Arbeitskräfte wurden gebraucht. Also die gingen aus anderen Gründen weg."
Wie in einem ausgeführten Drehbuch, mit harten, filmischen Schnitten führt Fuchs die verschiedenen Lebensgeschichten zusammen, wobei sich der Leser durchaus einen längeren Atem und eine ausführlichere Schilderung der Hintergründe gewünscht hätte. Aber das Buch ist unter Zeitdruck entstanden. Es musste im Mai dieses Jahres fertig werden, denn es steht im Zusammenhang mit verschiedenen Projekten, mit denen die Stadt Hamburg ihre Geschichte als Auswandererstadt aufarbeitet und den Nachfahren der Migranten in Übersee die Möglichkeit gibt, sich auf die Suche nach dem Spuren ihrer Vorfahren zu begeben. Die Einbettung in dieses Projekt ermutigte Fuchs aber erst zu dem Wagnis, "Die Auswanderer" im Selbstverlag zu produzieren:
"Mein Buch ist Teil dieses Projekts. Und ich denke, die Aufmerksamkeit, die dieses Projekt finden wird, wird auch auf mein Buch abstrahlen. Das heißt, das, was ein Verlag an Werbung hätte machen müssen, bekomme ich auf diese Weise praktisch umsonst. Und das war der Grund, warum ich das riskierte und mich in Schulden stürzte. Und so, wie es aussieht, scheint das aufzugehen."
Auf diese Weise konnte Fuchs es vermeiden, sich mit den "Bedenkenträgern in den Verlagen" auseinander zu setzen. So nennt er verbittert die Lektoren und Programmmacher, die heute unter erheblichem Erfolgsdruck arbeiten, kaum noch Risiken eingehen dürfen und die immer seltener bereit sind, Renditen, die ihre Bestseller erwirtschaften, im Rahmen einer Mischkalkulation in ökonomisch unsichere Projekte zu stecken. Dabei ist Fuchs ein anerkannter Erzähler, der aber nie den großen Durchbruch auf dem Literaturmarkt geschafft hat. Für seinen Verlag Hoffmann & Campe sei er, so seine Einschätzung, für die erforderlichen Auflagen nicht tauglich und nicht mehr als ein "ein toter Hund". Als Opfer der Konzentration im Verlagswesen und der stärkeren Renditeerwartungen bei Literatur sieht Fuchs sich aber dennoch nicht - zumindest nicht mehr als viele andere literarisch ambitionierte Autoren auch:
"In gewisser Weise ist jeder Autor Opfer dieser Entwicklung. Das fängt an bei der Summe, die ein Verlag für die Werbung eines Buchs ausgibt, für die Betreuung beispielsweise der Autoren, was ein großer Posten ist. Ein sorgfältiges Lektorat kostet Geld. Und wenn man die Buchproduktion ständig erhöht, aber die Zahl der Mitarbeiter in einem Verlag verringert, geht das ganz klar auf Kosten der Qualität."
Das Modell, das Fuchs nun gewählt hat, kann jedoch nur eine Notlösung, keinen wirklichen Ausweg darstellen. Ein Lektorat und die Kosten für eine entsprechende Ausstattung musste er ebenfalls sparen. Außerdem geht sein Weg auf Kosten der Präsenz im Buchhandel, denn kein Vertreter bietet das Buch dort an, kein Verlag weist in seiner Vorschau darauf hin. Über Hamburg hinaus - und das, obwohl der Autor kein Regionalschriftsteller und das Buch gewiss keine Hamburgensie ist, gelangt das Buch nur über Libri, den größten Zwischenhändler. Damit hat Fuchs sich abgefunden. Um literarische Lorbeeren sei es ihm ein Leben lang gegangen. Jetzt denkt er vor allem an die Rente:
"Es sind durchaus auch massive materielle Überlegungen da gewesen. Denn wenn die Herstellungskosten des Buchs 5,00 Mark betragen, und die deutsche Ausgabe kostet 19,80, dann ist die Differenz mir. Wäre es bei einem Verlag erschienen, hätte ich zehn Prozent vom Netto-Ladenpreis gehabt, das wären gerade mal 1,80. Das ist ein so großer Unterschied, dass das bei mir eine Rolle gespielt hat. Sicher sind das Rückzugsgefechte in gewisser Weise. Nun gut. Ich wandere eben auch aus!"