Elke Durak: Hat Horst Seehofer aufgegeben? Will er gar nicht mehr Vorsitzender der CSU werden? Oder hat er erkannt, dass er keine Chance hat gegen Erwin Huber? Ich frage das, weil der Kandidat heute wieder laut und vernehmlich davon gesprochen hat, er könnte doch auch Vize werden. So kurz vor dem alles entscheidenden Parteitag am kommenden Freitag und Sonnabend ist dieses Signal aber doch kaum zu überhören. Ist also die Luft raus aus dem bayerischen Entscheidungsparteitag? Mein Gesprächspartner ist Heinrich Oberreuter. Er ist Politikwissenschaftler an der Universität in Passau. Schönen guten Tag Herr Oberreuter.
Heinrich Oberreuter: Ja. Guten Tag!
Durak: Wie deuten Sie die Äußerung von Horst Seehofer?
Oberreuter: Sie liegt auf der Linie dessen, was er eigentlich seit Wochen schon andeutet. Ich habe den Eindruck, dass er im Grunde seit Ende Juli, Anfang August durchblicken lässt, dass er einen schweren Gang geht und dass er mittlerweile auch realistisch öffentlich einräumt, dass er mit einem Sieg gegen Erwin Huber nicht rechnet. Die Bataillone sind aufgestellt und seine sind die schwächeren.
Durak: Dann hat er also ganz schön die Backen aufgeblasen in der Vorzeit?
Oberreuter: Das würde ich so nicht sehen. Er hat, als es in Kreuth zum Schwur kam und zur Verbündung des Tandems, natürlich schon ganz zurecht gesagt, ich bin stellvertretender Parteivorsitzender, mit mir muss man reden. Es hat sich dann bei ihm binnen Stunden eigentlich die Idee verdichtet, dass man mit ihm nicht mehr reden müsste, sondern dass er auch kandidieren solle. Und er hat das wohl ganz ernsthaft durchgetragen und vielleicht einschätzend, dass ich den Chaostagen von Kreuth in der Partei eines gewachsen ist: die Sehnsucht nach Ruhe. Man hat diese Kandidatur ich würde mal sagen ertragen. Man hat ganz andere Kandidaturen dann später noch ertragen müssen. Aber die Partei hat doch wohl mehrheitlich gesehen, dass die Absprache, die da getroffen worden ist - ob die nun stilvoll war oder nicht -, eben doch einen geregelten Übergang ermöglicht, und in dieses Schicksal muss er sich nun fügen.
Durak: Sind also viele, auch die Medien, auch wir, dem Egotrip eines Polit-Junkies gefolgt?
Oberreuter: Das würde ich so nicht sehen. Er hat diese Kandidatur schon sehr ernsthaft betrieben und er hatte wohl geglaubt, dass er durch sein Charisma, durch sein Kommunikationstalent und vielleicht auch durch eine mitreißende Rede auf dem Parteitag eine offenere Situation herstellen kann, als sie sich gegenwärtig darbietet, und muss mittlerweile einsehen, dass ihm das wohl nicht glückt. Also ich würde es nicht als ein öffentliches Täuschungsmanöver interpretieren, vielleicht als eine Fehleinschätzung der Lage. Ernst gemeint ist diese Kandidatur gewesen und in den letzten Tagen haben ja viele auch seine Unverzichtbarkeit erklärt. Huber hat gesagt, er wird ihn mit großer Überzeugung wählen, und wenn man Stoiber zugehört hat, der ja immer auf seine neutrale Rolle aufmerksam gemacht hat, dann konnte man zwischen den Zeilen doch hören, dass er mit Seehofer ganz gut gefahren wäre. Vielleicht hat er ihn sogar ein bisschen favorisiert.
Durak: Und hat ihm damit geschadet?
Oberreuter: Nicht auf lange Sicht. Es gab eine Situation denke ich. Das war bei dem Oberbayern-Parteitag, dessen Abläufe man auch so interpretieren kann, dass Stoiber versucht haben könnte, gegen das Tandem Beckstein/Huber ein Tandem Seehofer/Goppel zu setzen. Da haben die Delegierten einen großen Strich durch die Rechnung gemacht und diese Konzepte sind seitdem vorbei.
Durak: Herr Oberreuter, wie sehen Sie das? Das Tandem Beckstein/Huber, das scheint ja nun gesetzt. Wenn wir Herrn Seehofer als Vize und als Bundesminister als Dritten am Rande sehen, ist er dann der potenzielle Kritiker dieser neuen Führung in Bayern in der CSU?
Oberreuter: Das muss so nicht sein. Ich meine die CSU wird denke ich nach den Erfahrungen etwas lebendiger diskutieren als vorher. Ich meine alleine schon die Doppelspitze ist ja auf Kommunikation und Koordination angewiesen. Früher, wenn der Parteivorsitzende mit dem Ministerpräsidenten sprach, konnte sich Stoiber ja zum Selbstgespräch zurückziehen. Also es wird mehr Unterhaltungen geben und da werden die Berliner natürlich sich mit einmischen, sicher auch kritisch, aber doch nicht so, dass da ein Gegenpol entsteht, ein Gegenmachtzentrum. Das wird sich nicht herausbilden, zumal ja letztendlich auch Erwin Huber nach Berlin drängt und damit ist auch dieses Thema eigentlich erledigt.
Durak: Ist Herr Huber berlinfähig?
Oberreuter: Ja, natürlich! Er ist oft genug in Berlin gewesen und ich vermute er braucht gar keinen Stadtplan, um sich dort auszukennen. Politisch schon gleich gar nicht und es weiß ja nun jedermann, dass Angela Merkel ihn bei der Kabinettsbildung gerne als Kanzleramtsminister gehabt hätte. Er war Bundesratsminister, er war Europabevollmächtigter, er war Generalsekretär. Also Berlin, Bonn und Brüssel sind für ihn keine fremden Dörfer.
Durak: Frau Pauli. Sie werde achtkantig aus dem Vorstand rausfliegen, hat Edmund Stoiber dieser Tage erkennbar wütend noch und auch zu allem entschlossen angekündigt. War es das mit der innerparteilichen Opposition in der CSU?
Oberreuter: Also zumindest mit einer, die letztendlich doch ins klamaukhafte Unseriöse und ich würde fast sagen ins Psychopatische abgeglitten ist. Das ist ja auch nicht fruchtbar für das innerparteiliche Gespräch. Frau Pauli hat Ideen verbesserter innerparteilicher Kommunikation, mehr Einbeziehung der Mitglieder, über die man reden kann und muss angesichts der Situation unserer Volksparteien, durch ihre sehr egozentrischen Aktionsweisen eigentlich entwertet. Schade drum! Ich glaube aber, dass man das, was an Unruhe aufgebrochen ist, natürlich sicher einfangen muss, aber dass doch auch in der CSU, wenn Mitgliederpartei ein ernsthaftes Wort sein soll, die Kommunikation verbessert und verstärkt werden muss. Das hat man aus dieser Sache ganz bestimmt gelernt. Vor allen Dingen die Leute an der Spitze müssen weniger einsame Entscheidungen treffen. Sie müssen ihre Basis und ihre Fraktion mehr einbeziehen.
Durak: Professor Heinrich Oberreuter, Politikwissenschaftler an der Universität in Passau und Gesprächspartner hier im Deutschlandfunk. Danke Herr Oberreuter für das Gespräch.
Heinrich Oberreuter: Ja. Guten Tag!
Durak: Wie deuten Sie die Äußerung von Horst Seehofer?
Oberreuter: Sie liegt auf der Linie dessen, was er eigentlich seit Wochen schon andeutet. Ich habe den Eindruck, dass er im Grunde seit Ende Juli, Anfang August durchblicken lässt, dass er einen schweren Gang geht und dass er mittlerweile auch realistisch öffentlich einräumt, dass er mit einem Sieg gegen Erwin Huber nicht rechnet. Die Bataillone sind aufgestellt und seine sind die schwächeren.
Durak: Dann hat er also ganz schön die Backen aufgeblasen in der Vorzeit?
Oberreuter: Das würde ich so nicht sehen. Er hat, als es in Kreuth zum Schwur kam und zur Verbündung des Tandems, natürlich schon ganz zurecht gesagt, ich bin stellvertretender Parteivorsitzender, mit mir muss man reden. Es hat sich dann bei ihm binnen Stunden eigentlich die Idee verdichtet, dass man mit ihm nicht mehr reden müsste, sondern dass er auch kandidieren solle. Und er hat das wohl ganz ernsthaft durchgetragen und vielleicht einschätzend, dass ich den Chaostagen von Kreuth in der Partei eines gewachsen ist: die Sehnsucht nach Ruhe. Man hat diese Kandidatur ich würde mal sagen ertragen. Man hat ganz andere Kandidaturen dann später noch ertragen müssen. Aber die Partei hat doch wohl mehrheitlich gesehen, dass die Absprache, die da getroffen worden ist - ob die nun stilvoll war oder nicht -, eben doch einen geregelten Übergang ermöglicht, und in dieses Schicksal muss er sich nun fügen.
Durak: Sind also viele, auch die Medien, auch wir, dem Egotrip eines Polit-Junkies gefolgt?
Oberreuter: Das würde ich so nicht sehen. Er hat diese Kandidatur schon sehr ernsthaft betrieben und er hatte wohl geglaubt, dass er durch sein Charisma, durch sein Kommunikationstalent und vielleicht auch durch eine mitreißende Rede auf dem Parteitag eine offenere Situation herstellen kann, als sie sich gegenwärtig darbietet, und muss mittlerweile einsehen, dass ihm das wohl nicht glückt. Also ich würde es nicht als ein öffentliches Täuschungsmanöver interpretieren, vielleicht als eine Fehleinschätzung der Lage. Ernst gemeint ist diese Kandidatur gewesen und in den letzten Tagen haben ja viele auch seine Unverzichtbarkeit erklärt. Huber hat gesagt, er wird ihn mit großer Überzeugung wählen, und wenn man Stoiber zugehört hat, der ja immer auf seine neutrale Rolle aufmerksam gemacht hat, dann konnte man zwischen den Zeilen doch hören, dass er mit Seehofer ganz gut gefahren wäre. Vielleicht hat er ihn sogar ein bisschen favorisiert.
Durak: Und hat ihm damit geschadet?
Oberreuter: Nicht auf lange Sicht. Es gab eine Situation denke ich. Das war bei dem Oberbayern-Parteitag, dessen Abläufe man auch so interpretieren kann, dass Stoiber versucht haben könnte, gegen das Tandem Beckstein/Huber ein Tandem Seehofer/Goppel zu setzen. Da haben die Delegierten einen großen Strich durch die Rechnung gemacht und diese Konzepte sind seitdem vorbei.
Durak: Herr Oberreuter, wie sehen Sie das? Das Tandem Beckstein/Huber, das scheint ja nun gesetzt. Wenn wir Herrn Seehofer als Vize und als Bundesminister als Dritten am Rande sehen, ist er dann der potenzielle Kritiker dieser neuen Führung in Bayern in der CSU?
Oberreuter: Das muss so nicht sein. Ich meine die CSU wird denke ich nach den Erfahrungen etwas lebendiger diskutieren als vorher. Ich meine alleine schon die Doppelspitze ist ja auf Kommunikation und Koordination angewiesen. Früher, wenn der Parteivorsitzende mit dem Ministerpräsidenten sprach, konnte sich Stoiber ja zum Selbstgespräch zurückziehen. Also es wird mehr Unterhaltungen geben und da werden die Berliner natürlich sich mit einmischen, sicher auch kritisch, aber doch nicht so, dass da ein Gegenpol entsteht, ein Gegenmachtzentrum. Das wird sich nicht herausbilden, zumal ja letztendlich auch Erwin Huber nach Berlin drängt und damit ist auch dieses Thema eigentlich erledigt.
Durak: Ist Herr Huber berlinfähig?
Oberreuter: Ja, natürlich! Er ist oft genug in Berlin gewesen und ich vermute er braucht gar keinen Stadtplan, um sich dort auszukennen. Politisch schon gleich gar nicht und es weiß ja nun jedermann, dass Angela Merkel ihn bei der Kabinettsbildung gerne als Kanzleramtsminister gehabt hätte. Er war Bundesratsminister, er war Europabevollmächtigter, er war Generalsekretär. Also Berlin, Bonn und Brüssel sind für ihn keine fremden Dörfer.
Durak: Frau Pauli. Sie werde achtkantig aus dem Vorstand rausfliegen, hat Edmund Stoiber dieser Tage erkennbar wütend noch und auch zu allem entschlossen angekündigt. War es das mit der innerparteilichen Opposition in der CSU?
Oberreuter: Also zumindest mit einer, die letztendlich doch ins klamaukhafte Unseriöse und ich würde fast sagen ins Psychopatische abgeglitten ist. Das ist ja auch nicht fruchtbar für das innerparteiliche Gespräch. Frau Pauli hat Ideen verbesserter innerparteilicher Kommunikation, mehr Einbeziehung der Mitglieder, über die man reden kann und muss angesichts der Situation unserer Volksparteien, durch ihre sehr egozentrischen Aktionsweisen eigentlich entwertet. Schade drum! Ich glaube aber, dass man das, was an Unruhe aufgebrochen ist, natürlich sicher einfangen muss, aber dass doch auch in der CSU, wenn Mitgliederpartei ein ernsthaftes Wort sein soll, die Kommunikation verbessert und verstärkt werden muss. Das hat man aus dieser Sache ganz bestimmt gelernt. Vor allen Dingen die Leute an der Spitze müssen weniger einsame Entscheidungen treffen. Sie müssen ihre Basis und ihre Fraktion mehr einbeziehen.
Durak: Professor Heinrich Oberreuter, Politikwissenschaftler an der Universität in Passau und Gesprächspartner hier im Deutschlandfunk. Danke Herr Oberreuter für das Gespräch.
