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"Die Bedrohung für die Menschen wurde stattdessen verstärkt"

Die Kivu-Provinzen im südlichen Osten des Kongo, die Grenzregion zu Ruanda, sind die Achilles-Ferse der Friedensmission, die die Vereinten Nationenim Land unternommen haben. Eine Mission, deren Erfolg fraglich ist. Ein vertraulicher Bericht wirft aber vor allem ein Licht auf das Dilemma der Blauhelm-Truppen.

Von Antje Diekhans |
    Es ist die größte Friedenstruppe der Welt. 18.000 Blauhelm-Soldaten der Vereinten Nationen sind im Kongo stationiert. Sie sollen die Zivilbevölkerung schützen, Hilfstransporte erleichtern und zusammen mit der kongolesischen Armee Rebellengruppen im Osten des Landes entwaffnen. Das erste Mandat für den Einsatz wurde vor zehn Jahren beschlossen - doch viel scheint die Mammut-Truppe
    seitdem nicht erreicht zu haben.

    Milizen plündern die rohstoffreiche Region weiter, terrorisieren die Einwohner, vergewaltigen Frauen. Die UNO-Soldaten stehen daneben - was auch daran liegen könnte, dass ihre Kräfte zum großen Teil keine ausreichende militärische Ausbildung haben. Zu indischen und pakistanischen Einheiten kommen beispielsweise Soldaten aus Uruguay, die nach einem kurzen Training in das zentralafrikanische Land geschickt wurden. Europäische Soldaten -aus Frankreich oder Großbritannien - sind nur auf der Führungsebene vertreten.

    Bei den Vereinten Nationen selbst zirkuliert jetzt ein Bericht, der ein düsteres Licht auf den Kongo-Einsatz wirft. Eine Expertengruppe untersuchte die Situation zu Beginn des Jahres. Im Fokus dabei: Die Hutu-Miliz FDLR. In ihren Reihen befinden sich zahlreiche Drahtzieher des Völkermordes in Ruanda 1994. Die damaligen Täter tauchten im Nachbarland Kongo unter - und rüsten von dort wieder auf. Die FDLR ist bis nach Europa vernetzt. Erst Mitte November wurde ihr Anführer Ignace Murwanashyaka in Deutschland verhaftet. DAS mag die Miliz geschwächt haben - die UNO-Mission hat dagegen nach Einschätzung der Experten nichts gegen die FDLR ausgerichtet. So heißt es im Bericht:
    "Die militärischen Einsätze gegen die FDLR haben keinen Erfolg gehabt. Die Bedrohung für die Menschen vor allem in der Kivu-Region wurde stattdessen verstärkt."

    Ein Grund dafür: die enge Zusammenarbeit der Blauhelm-Soldaten mit dem kongolesischen Militär. Die Armee steht im Verdacht, Waffen an die FDLR zu liefern. Die Soldaten in ihren Reihen sind zum guten Teil selbst frühere Milizen. Sie haben die Uniform gewechselt - mehr nicht. Auch als Angehörige der Armee verbreiten sie Angst und Schrecken. Die Blauhelme sollen laut Mandat dieser skrupellosen Truppe den Rücken freihalten - und beteiligen sich so indirekt an den Gräueltaten. Einschätzung der Experten: Der Auftrag für die UNO-Mission muss überarbeitet werden.

    "Der Widerspruch liegt möglicherweise schon im Mandat selbst. Zum einen soll der Schutz der Zivilbevölkerung Priorität haben. Zum anderen soll die kongolesische Armee unterstützt werden, die wiederum ihr Unwesen in der Bevölkerung treibt."

    Die Vereinten Nationen stoppten zuletzt zwar die Unterstützung für eine Armee-Einheit, die für den Tod von 60 Dorfbewohnern verantwortlich gemacht wurde. Insgesamt soll an der Zusammenarbeit mit dem kongolesischen Militär und der Strategie für die Blauhelm-Truppe aber festgehalten werden - so zumindest bisher die offizielle Stellungnahme.
    Noch in diesem Monat wird der UNO-Sicherheitsrat über eine Verlängerung des Mandats entscheiden. Den Bericht ignorieren können die Verantwortlichen dabei wohl kaum, meint Donald Steinberg von der International Crisis Group, die Lösungsvorschläge zu Konflikten weltweit liefert.

    "Ich glaube, dieses Mandat steht sehr im Zweifel. Die Vereinten Nationen werden die Kräfte im Kongo zwar nicht abziehen. Aber wir sehen zuletzt, dass die Zahl der Opfer steigt. Es gibt mehr Vergewaltigungen, die Regierung ist machtlos und hat ihre eigene Armee nicht unter Kontrolle. Das Mandat muss so geändert werden, dass dem Rechnung getragen wird."

    Allerdings: Auch in den vergangenen Jahren gab es Kritik am UNO-Einsatz - von Menschenrechtsgruppen und Hilfsorganisationen. Experten empfahlen wiederholt, das Mandat zu überdenken. Bisher ohne Erfolg.