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Die beste Therapie berechnen

Noch nie gab es so viele Medikamente gegen Krebszellen: Klassische Chemotherapeutika, die schnell wachsende Zellen abtöten, neue Wirkstoffe, die gezielt Stoffwechselwege der Tumoren blockieren und immer mehr Antikörper, die das Immunsystem auf den Krebs aufmerksam machen. Die Vielfalt erhöht die Chancen der Patienten, sie stellt den Arzt aber auch vor ganz neue Herausforderungen. Er muss entscheiden, welche der vielen möglichen Kombinationen am besten gegen den Krebs wirkt. Der Blick auf die Einzelstudien führt hier nicht weiter, deshalb gehen zunehmend Mathematiker den Ärzten zur Hand.

Von Volkart Wildermuth |
    Am Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Epidemiologie in Leipzig sammelt Prof. Markus Löffler möglichst viele Informationen zum Lymphknotenkrebs, Daten aus Zellkulturversuchen ebenso, wie erste Befunden zu Wirkungen und Nebenwirkungen aus der Klinik. Daraus errechnet der Arzt und Physiker ein im Computer ein mathematisches Modell des Krebsgewebes.

    " Da begeben wir uns gewissermaßen in einen Patienten hinein und wir betrachten viele einzelne Zellen die wachsen, die miteinander Wechselwirkungen, das berücksichtigen wir in diesen Modellen und wir berechnen dann die Dynamik der zellulären Entwicklung über die Zeit hinweg, Monate oder Jahre hinweg und können in diese Zellbasierten oder Gewebsbasierten Modelle dann Behandlungsoptionen hineinbauen. "

    Am Modell lässt sich dann eine optimale Dosis oder ein günstiger Fahrplan für die Behandlung ablesen. Statt alle Kombinationen durchzuprobieren können sich die Mediziner dann auf die vielversprechendsten Varianten konzentrieren und bei denen in klinischen Studien prüfen, was die mathematischen Vorhersagen in der Praxis taugen. Bisher haben sich die Modelle von Markus Löffler bewährt, zum Beispiel bei einer Form des Lymphknotenkrebses.

    " Dort haben auch basierend auf solchen Modellbetrachtungen therapeutische Verbesserungen nachgewiesen werden können, die so stark sind, stärker als wir sie überhaupt vorhergesagt haben, so dass dort inzwischen auch für fortgeschrittenste Fälle auch hervorragende Prognosen gestatten. "

    Konkret hatten die Mathematiker den Medizinern geraten, einzelne Medikamente in der Kombination geringfügig höher zu dosieren um den Behandlungserfolg deutlich zu verbessern. Bei einer anderen Form des Lymphknotenkrebs legten die Modelle dagegen nahe, nicht die Dosis zu verändern sondern die Reihenfolge der Wirkstoffe. Auch in diesem Fall konnte der Vorteil für die Patienten in klinischen Studien belegt werden. Inzwischen setzen die Ärzte gezielt Antikörper gegen einzelne Formen des Lymphknotenkrebs ein. Auch hier ist die optimale Kombination noch nicht gefunden. Die Hersteller der teuren Medikamente raten zu einer Dauerbehandlung, doch davon ist Markus Löffler nach ersten Modellrechnungen nicht überzeugt.

    " Also natürlich möchte man ein Therapieprinzip so oft wie möglich verkaufen aus Sicht der Industrie aber ob das klinisch biologisch gerechtfertigt ist, dass ist am Anfang nicht klar. Und dieses ist letztendlich eine Frage, die man nur in klinischen Studien prüfen muss. Die klinischen Studien lassen sich unterstützen wieder durch die mathematischen Modelle und unsere derzeitige Stand der Erörterung ist, dass man nicht gleich den Plan fassen sollte, Behandlungsoptionen jahrelang ins Auge zu fassen wenn vielleicht die Option am Anfang viel besser sind. "

    Also eher zu Beginn der Behandlung viel Antikörper geben, als ihn dauerhaft in kleinen Dosen zu verabreichen. Allerdings sind die Modelle noch nicht fertig, aber in gut einem Jahr werden die Mathematiker den Klinkern wohl konkret sagen können, welche Kombination aus klassischer Chemotherapie und Antikörper die besten Ergebnisse verspricht und die deshalb in aufwändigen klinischen Studien erprobt werden sollte. Am Ende kommt so die Mathematik dann auch den Patienten zugute.