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"Die Bildende Stadt"
Berliner Summerschool verknüpft Stadtplanung und Bildung

Was hat Bildung mit Stadtplanung zu tun? Und wie kann eine gute Stadtplanung zu Bildungserfolgen bei den Anwohnern führen? Mit diesen Fragen hat sich jetzt zwei Wochen lang eine Sommerschule an der Technischen Universität Berlin beschäftigt - und zwar am Beispiel eines sozialen Brennpunkts im Norden der Stadt.

Von Claudia van Laak | 18.09.2015
    Ein Junge sitzt mit seinem Schulranzen auf einer Tischtennisplatte auf einem Spielplatz in Berlin und spielt auf einem Smartphone
    Lernen, Spaß und Unterhaltung: Durch ein neues System von Schulwegen sollen die Kinder ihren Kiez besser kennenlernen und sich mit ihm beschäftigen. (picture alliance / dpa / Jens Kalaene)
    "Am Anfang müssen wir mit den kleineren Maßstäben anfangen, nicht direkt etwas Bauliches hinsetzen, sondern temporär, das Gefühl für den Raum schaffen."
    Isabell Tischer von der Fachhochschule Erfurt und die zwei anderen aus ihrer Arbeitsgruppe brüten eine Idee aus. Sie wollen den verwaisten Epensteinplatz im Berliner Lette-Kiez einen Tag lang absperren – um ihn damit wieder ins Bewusstsein seiner Bewohnerinnen und Bewohner zu rücken.
    Bildungsprozesse bei Anwohnern anstoßen
    "Wir wollten dadurch versuchen, die zu bewegen zu reagieren, zu agieren, zu sagen, ey, aber das ist unser Platz, das ist unser Ort, wir wollen den mit gestalten."
    Die Aktion soll also einen Bildungsprozess bei den Anwohnern anstoßen, erzählt Jennifer Münner von der Universität Kassel. Das rot-weiße Flatterband liegt bereit, doch ihr Tatendrang wurde gestoppt. Die Quartiersmanagerin im Lette-Kiez Silke Klessmann findet zwar studentische Visionen gut, verlangt aber mehr Seriosität:
    "Wenn wir Menschen beteiligen, dann nicht im Scherz. Deshalb ist es uns wichtig, dass da ernsthaft mit den Leuten umgegangen wird und ihre Bedürfnisse ernst genommen werden und auch ihre Stimme erst genommen wird. Wir finden das super, dass sich die Studenten neue Wege ausdenken, finden es aber gleichzeitig wichtig, dass sie mit einer Ernsthaftigkeit an die Sache rangehen und die Leute nicht in die Irre führen."
    Neue Wege hat sich die Arbeitsgruppe um Stefanie Fritze ausgedacht, neue Schulwege. Bestimmte markierte Punkte im Kiez, an denen sich die Kinder morgens treffen können, damit sie nicht von ihren Eltern mit dem Auto in die Schule gefahren werden müssen:
    "Wir möchten, dass die Kinder durch dieses Wegenetzsystem auch ihren Kiez kennenlernen. Die Leitfunktion zur Schule ist ein Aspekt. Wir möchten aber auch, dass die Kinder diesen Weg nach der Schule nutzen, um sich im Kiez zu beschäftigen. Deshalb möchten wir auch verschiedene Spielplätze miteinander verbinden und deshalb sind auch verschiedene Elemente auch für Lernen, Spaß und Unterhaltung wichtig."
    Stadtplaner mischen sich in das Thema Bildung ein
    Ein weiterer Vorschlag – das transparente Gewerbegebiet. Warum nicht die Betriebskantine der Chemiefirma für Schulkinder öffnen? Das fördert den Austausch zwischen Schule und Wirtschaft.
    "Bildung ist glaube ich ganz wichtig als Facette in der Stadt, wenn wir darüber reden, ob Quartiere, ob Stadtteile funktionieren. Wie gut Zusammenhalt ist, welche Zukunftschancen wir den Bürgern geben. Und da ist Bildung etwas, was wir in der sozialen Dimension einer Stadt nicht vernachlässigen können", erläutert Juliane Heinrich von der TU Berlin, Fakultät Städtebau und Siedlungswesen – sie leitet die diesjährige Sommerschule zum Thema "Bildung und Stadtplanung":
    "Das ist ein sehr junges Feld. Stadtplaner mischen sich zusehends in den letzten Jahren in das Thema Bildung ein, erkennen es als eine Facette integrierter Stadtentwicklung. Aber was genau dahintersteckt, und was die Aufgabe und Verantwortung von Stadtplanern sein könnte, sein wird, das ist eigentlich unklar."
    Und deshalb sind die Experimente der Studierenden für viele Akteure interessant. Das Bundesbauministerium fördert die Sommerschule genauso wie die Vodafone-Stiftung – Sebastian Gallander:
    "Wir befassen uns ja damit, wie wir die Bildungschancen von benachteiligten Kindern und Jugendlichen verbessern können. Und dabei denken alle immer nur an Elternhaus und Schule. Aber der ganze Aspekt, welchen Beitrag kann das ganze Lebensumfeld leisten, der ist in Deutschland noch völlig unterbelichtet und den wollen wir jetzt mal erschließen."
    Wie der Lette-Kiez grüner und lebenswerter wird und dabei gleichzeitig Bildungserlebnisse vermittelt, auch darum hat sich eine Arbeitsgruppe gekümmert. Die Studierenden haben Samenbomben ausgelegt – kleine Kügelchen aus Erde und Samen: zum Einpflanzen, Gießen und Genießen – so steht es in der Anleitung.