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Die Biometrie der leblosen Dinge

Beim Begriff Biometrie denkt man an die Erfassung von bestimmten unverwechselbaren Merkmalen eines Menschen. An Fingerabdrücke etwa oder an das Muster der Iris im Auge. Aber unter Kriminaltechnikern setzt sich die Bezeichnung Biometrie auch durch, wenn es darum geht, leblose Dinge voneinander zu unterscheiden. Damit soll Fälschern von Kreditkarten, Ausweisen oder anderen wichtigen Dokumenten ebenso das Handwerk gelegt werden, wie Raubkopierern von Musik-CDs.

Von Arndt Reuning |
    Auf dem Tisch liegt ein Metallkasten, etwa in der Größe eines gebundenen Buches. Auf seiner Oberseite befindet sich ein kleiner Schlitz. Russell Cowburn von der Universität Durham hat ein weißes, unbeschriftetes Blatt Papier auf den Kasten gelegt, mit einer Ecke genau auf den Schlitz, hinter dem sich ein Laser-Scanner verbirgt. Auf dem Monitor seines Laptops erscheint eine Meldung: Sheet of paper No. 1 - Blatt Nummer eins. Dann legt der Physiker ein zweites Blatt Papier auf und lässt es von dem Laser abtasten. Äußerlich nicht zu unterscheiden von dem ersten. Ergebnis des Scannens: Sheet of paper No. 2 - Blatt Nummer zwei.

    Wir alle haben Fingerabdrücke, an denen man uns eindeutig erkennen kann. Nun hat sich aber gezeigt, dass auch jedes Blatt Papier seinen eigenen Fingerabdruck hat. Normalerweise kann man den mit bloßem Auge nicht sehen. Aber mit Hilfe der Nanotechnologie können wir diese Fingerabdrücke sichtbar machen und das Original-Dokument von einer Fälschung unterscheiden.

    Es ist die Mikrorauigkeit, die jedes Stück Papier so unverwechselbar macht. Denn Papier besteht zum größten Teil aus Cellulosefasern. Unter einem Mikroskop kann man sie sichtbar machen. Wie die einzelnen Fasern ineinander verschlungen sind, wie sie einander kreuzen und sich durchdringen, ist charakteristisch für jedes einzelne Blatt Papier. Nun wäre es natürlich zu aufwändig, jedes Dokument mit einem Mikroskop zu untersuchen. Deshalb hat Russell Cowburn den Laserscanner entwickelt. Sein Lichtstrahl wird von der Papieroberfläche zurückgeworfen. Der Scanner registriert dabei feinste Unterschiede des reflektierten Lichtes. Und in diesen Unterschieden drückt sich die Mikrolandschaft der Papieroberfläche aus. Ein Vorteil dieser Methode: Die Mikrorauigkeit ändert sich durch den Gebrauch des Papiers kaum.

    Wir haben einiges mit dem Papier angestellt, um es zu beschädigen. Wir haben es in Öfen gesteckt, wir haben es unter Wasser gehalten. Haben darauf herumgerieben und es zerknäult. Nur um sicher zu gehen, dass das an unserem Mess-Signal nichts ändert. Selbst wenn das Dokument Schaden erleidet.

    Mit dem Scanner könnte sich beispielsweise die Echtheit von Ausweispapieren oder Visa nachweisen lassen, wenn deren Fingerabdruck vorher abgespeichert worden ist. Aber auch mit Kreditkarten aus Plastik funktioniert das Gerät. Und mit Verpackungen von Medikamenten. Ein Pharmaunternehmen könnte beispielsweise alle Verpackungen scannen und registrieren. Medikamentenfälschungen ließen sich auf diesem Wege aussortieren.

    Zu den am häufigsten nachgemachten Objekten zählen CDs. Jede Dritte von ihnen weltweit stammt von professionellen Raubkopierern. Ihnen will Patrick Smith von der Firma FraudHalt in Dublin das Leben schwer machen. Er hat ein Gerät entwickelt aus einem Mikroskop, einer Digitalkamera und einem Auswertesystem. Dem Wissenschaftler kommt es nicht darauf an, Unterschiede zwischen einzelnen CDs sichtbar zu machen, sondern Gemeinsamkeiten.

    Die CD-Presse hinterlässt eine Art Fingerabdruck auf jeder CD. Kann man dieses Muster auslesen, dann kann man ganz genau sagen, auf welcher Maschine die CD hergestellt worden ist. Eine Raubkopie trägt natürlich einen anderen Fingerabdruck als eine CD, die rechtmäßig hergestellt wurde. Auf einer CD-Presse, die das Original produziert.

    Auf einer CD gibt es nur eine einzige Stelle, an der man solch einen charakteristischen Abdruck finden kann. Denn die gesamte Oberfläche wird nach dem Pressen auf Hochglanz poliert. Nur ein schmaler Ring um das Loch in der Mitte trägt weiterhin die Spuren der Produktionsmaschine. Aber die genügen für einen eindeutigen Beweis.

    Zwischen unterschiedlichen CDs, die in der selben Press-Form hergestellt wurden, kann man eine perfekte Übereinstimmung zeigen. Sogar wenn unterschiedliche Arten von CDs hergestellt werden. Egal, ob eine Musik-CD oder eine Software-CD, solange sie von derselben Maschine stammen.

    Bisher existiert nur Prototyp des Gerätes. Aber mit dem, sagt Patrick Smith, konnten schon professionelle Raubkopierer vor Gericht gebracht werden.