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Die Blumeninsel im Bodensee

Die Mainau das sind 45 Hektar Grün inmitten von Blau. Das ist eine fast südlich anmutende Insel voller Blumen, Bäume und exotischen Gewächse von gerade mal drei Kilometern Umfang im Bodensee. Den Mittelpunkt der kleinen Ausflugswelt bilden das barocke Schloss und die danebenstehende Kirche.

Von Franz Lerchenmüller | 08.09.2013
    "Ich schlage gerade einen Dahlienpfahl in den Boden. Der Dahlienpfahl stützt die Dahlie vor dem Umkippen, viele Dahlien sind einfach sehr hoch und die bleiben nicht von selbst stehen, deswegen brauchen die eine Anbindestütze."

    Matthias Wagner ist einer der fünf Gartenplaner der Mainau und speziell für die Dahlien zuständig. 12.000 davon leuchten auf dem weiten Südhang. Wie feuerrote Seesterne recken sie ihre Blüten der Sonne entgegen, wie rosa Bälle oder Igel mit purpurnen Stacheln. Matthias Wagners Favoritin nimmt sich neben all den feurigen Schönheiten eher bescheiden aus.
    "Ich hab eine Lieblingsdahlie, die ist eigentlich total unscheinbar, das ist die Dahlie Evelyn. Die Evelyn ist eine Balldahlie, ist auf den ersten Blick weiß, aber im Aufblühen ganz zart violett, lila, sie macht für mich einen ganz reinen, sauberen Eindruck - eine absolut verborgene Schönheit."

    Aber sie – und all die anderen Prachtexemplare - haben auch Feinde. Gefräßige Feinde - gegen die Gärtner Wagner sich durchaus zu wappnen weiß.

    "Ich streue Schneckenkorn. Hier gibts auch Schnecken, und die mögen natürlich das frische Gemüse an den Dahlien, und da muss man rechtzeitig vorsehen, sonst kanns durchaus passieren, Sie kommen am nächsten Morgen und die halbe Pflanze ist abgefressen, deswegen müssen wir leider auch auf solche Mittel zurückgreifen."

    Die Mainau - das sind 45 Hektar Grün inmitten von Blau. Das ist eine fast südlich anmutende Insel voller Blumen, Bäume und exotischen Gewächse von gerade mal drei Kilometern Umfang im Bodensee.

    Den Mittelpunkt der kleinen Ausflugswelt bilden das barocke Schloss und die danebenstehende Kirche. Drumherum gruppieren sich Glashäuser für Palmen, Zitrusfrüchte und Orchideen. Türme, Brunnen und Statuen sind weiträumig im Park verteilt. 150 Mitarbeiter sind ganzjährig angestellt, ein Drittel von ihnen sind Gärtner. Ihrer Arbeit ist es im Wesentlichen zu verdanken, dass jedes Jahr weit über eine Million Menschen die Anlagen besuchen.

    Stefan Reisch etwa ist für die Orchideen zuständig. Die unscheinbaren Pflanzen mit den samtweichen, porzellanzarten oder leidenschaftlich geflammten Blüten seien die interessantesten Gewächse überhaupt, findet er.

    "Orchideen ist eine der wenigen Pflanzen, wenn nicht fast die einzige Pflanze, die es weltweit in allen Ländern gibt, außer an den Polkappen. Das sind etwa 25.000 verschieden Arten, reine Naturformen, wo der Mensch nie was dran verändert hat, die es weltweit gibt - und auch bei uns hier in Deutschland gibt es Orchideen."

    Einmal im Jahr siedeln viele der Pflanzen ins benachbarte Palmenhaus um – zur großen Orchideenschau von März bis Mai. Exakt in diesem Zeitraum sollen dann möglichst viele Exemplare blühen - was die Natur nicht unbedingt so vorgesehen hat. Das heißt: Der Gärtner muss nachhelfen.

    "Wir haben 8000 Orchideen in unserem Bestand. Davon blühen bei der Orchideenschau immer zwischen 2500 und 3000 Exemplare. Einige haben tatsächlich zu diesem Zeitpunkt ihren Hauptblütepunkt, andere muss man einfach ein bisschen kühler räumen, ein bisschen wärmer räumen, ein bisschen trockener halte, das ist je nach Art unterschiedlich, das sind einfach Dinge, die muss man wissen."

    Im Orchideenhaus ragen ein paar lila Dolden, zartgelbe Rispen und schwarz-orange Windräder aus dem grünen Laub. Manche ihrer Namen erinnern an die Männer, die sie entdeckt haben.

    "Wir haben hier zum Beispiel deutsche Orchideengrößen wie Hennis aus Hildesheim verewigt, das ist ein Frauenschuh, Paphiopedilum hennisianum heißt die, ist benannt nach Kurt Hennis, ein Orchideengärtner hier aus Deutschland, oder hier oben zum Beispiel Cattleya, ganz bekannte Orchidee, wurde benannt nach William Cattley, auch ein Orchideengärtner aus England, hier ist es jetzt die Gattung die den Namen vom Herrn Cattley bekommen hat, und so gibt es eben jede Menge verschiedene."

    Die Geschichte der Orchideen, ihrer Entdeckung und des Handels damit, ist eine wahre Abenteuersaga. Skrupellose Schmuggler kommen darin vor, und Botaniker mit unstillbarer Neugier. Aber auch fanatische Züchter, und Sammler, die für Raritäten ein Vermögen hinblättern. Vom "Orchideenfieber" sprach man im England des 19. Jahrhunderts, als Orchideenzüchten als schick galt. Ist der Mainau-Gärtner etwa auch von dieser ungewöhnlichen Krankheit befallen?

    "Doch, dieses Orchideenfieber verspürt man ganz, ganz schnell, wenn man da mal angefangen hat, ist man da ganz schnell angefressen. Man möchte einfach Orchideen kultivieren, wo man immer dachte, ja, die sind zu kompliziert oder zu schwer oder die kriegst du niemals zur Blüte, das reizt einen schon irgendwann, das auszuprobieren, auch wenn man zehn Mal auf die Nase fällt - beim 11. Mal klappts dann hoffentlich, und natürlich schon auch neue Dinge zu präsentieren, die wir einfach zuvor nie hatten hier auf der Mainau."

    Sind es im Winter die Orchideen, bestimmen im Sommer die Rosen das Bild. In stolzem Gelb und lebensfrohem Rot prangen sie, in sinnlichem Purpur und elegantem Weiß. Landschaftsgärtner Reinhold Gaudermann sorgt dafür, dass ihre Schönheit möglichst lange erhalten bleibt.

    "Rosen machen schon Arbeit. Sie müssen beschnitten werden im Frühjahr, im Sommer, im Herbst. Dann müssen sie natürlich gedüngt werden, im Frühjahr haben wir das damals schon gemacht, Unkraut jäten zwischen den Stacheln und Dornen, das müssen wir auch noch machen und bisschen Pflanzenschutz eventuell."

    Ohne den geht es nicht. Denn auch für die Königin der Blumen und ihre Betreuer hat die Natur ein paar knifflige Herausforderungen parat.

    "Diese Pilzkrankheiten, die sind das Problem. Der Sternrußtau, Rosenrost und Mehltau, die befallen die Blätter, und das kann also zum Blattfall, zum vollständigen Verlust aller Blätter führen und dann kann die Rose nicht mehr gut assimilieren und blüht dann auch nicht mehr."

    Die Mainau ist für die Gärtner kein Arbeitsplatz wie jeder andere. An manchen Tagen sind zwischen Schwedenturm und Schloss, zwischen Blumentreppe und Orangerie Tausende, ja Zehntausende von Besuchern unterwegs. Und viele haben Fragen, viele möchten von eigenen Garten-Erfahrungen erzählen - oder auch einfach mal die Gartenkünstler loben.

    "Manchmal ist es ja ganz nett, wenn man den ganzen Tag den Rücken krumm macht und dann kommt mal jemand und hat Interesse und dann steht man mal auf und gibt ein kurzes Beratungsgespräch, also das kann auch mal ´ne nette Abwechslung sein. Andererseits, wenn wir dann mal unsere Ruhe suchen, dann gehen wir zu den Hauptzeiten mehr an den Rand des Rosengartens, wo dann nicht so viele Gäste sind. Das kommt schon auch mal vor, dass man sich ein bisschen zurückzieht."

    Auch das Staudenbeet ist im Sommer eine große Attraktion. Sonnenauge, Sonnenbraut und Sonnenhut leuchten hellgelb bis dunkelbraun, tieforange und feuerrot. Und dazwischen steht Nina Busse, die Staudengärtnerin, bringt einen Buxbaum in Form und entfernt ein paar abgeblühte Stängel.

    "Wenn wir so kleine Büsche in Form schneiden, dann machen wir das gerne mit der Handheckenschere. Die macht einen sauberen Schnitt und es geht schneller als mit der Rosenschere. Wenn wir aber grobe Stauden haben, die wir ganz runterschneiden müssen, dann ist es das einfachste, wir nehmen einfach die elektrische Akkuschere."

    Wer Tag für Tag mit Blumen und Pflanzen zu tun hat, der wird leicht blind für die Schönheit, die ihn umgibt. Nina Busse hat sich den Blick für den Zauber ihres Arbeitsplatzes bewahrt.

    "Morgens bildet sich auf vielen von den Stauden Tau, das heißt, man hat so glitzernde Tröpfchen oder auch in den Gräsern hat man diese vielen kleinen Perlen, das ist einfach wunderschön. Wenn man dann hier im Garten ist, ist es einfach unheimlich romantisch und, ja, mysthisch."

    Aber auch in diesem farbenprächtigen Paradies der Stauden herrscht nicht immer eitel Sonnenschein. Von Zeit zu Zeit rücken Feinde an. Sie haben vier Beine, einen grauen Pelz- und großen Appetit.

    "Neben dem Staudengarten gibt es unsere berühmten Tulpenwiesen, die ein wahres Mäuseparadies sind. Wenn es ihnen mit den Tulpen zu einseitig geworden ist, kommen sie immer gern in den Staudengarten rüber und holen sich hier so ein bisschen Abwechslung. Um das zu verhindern stellen wir hier im Garten zwischendurch mal so Fallen auf." – Falle schlägt zu. – "Und dann wars das mit den Mäusen."

    Im Herbst beginnt der Kreislauf dann von neuem. Die Blumenzwiebeln müssen in die Erde, damit im März ein Teppich aus dottergelben Narzissen, kobaltblauen Hyazinthen und ziegelroten Tulpen die Hügel überzieht. Drei Wochen lang sind die Gärtner allein damit beschäftigt. Auch für diese blühenden Landschaften trägt Matthias Wagner die Verantwortung.
    "Es sind Größenordnungen zwischen 600.000 und 800.000 Zwiebeln, die wir jedes Jahr pflanzen. Vergangenen Herbst waren es kanpp 700.000 Zwiebeln. Die größte Gruppe hierbei sind die Tulpen mit weit über der Hälfte aller Zwiebeln, es sind etwa 100.000 Narzissen und im vergangenen Jahr waren es etwa 150 000 Krokusse, die wir gepflanzt haben."

    Frühling, Sommer, Herbst und Winter - zu jeder Jahreszeit zeigt sich die Mainau anders und unverwechselbar. Und das verdankt sie den Menschen, die nicht nur ihr Wissen und ihre Erfahrung in ihre Arbeit stecken, sondern auch ganz viel Herzblut.
    "Als ich da angefangen habe mit der Ausbildung, wollte ich eigentlich gar nicht so lange das machen und bin irgendwie hängengeblieben dann beim Beruf, weil er ist sehr vielseitig. Hier auf der Mainau habe ich wieder neue Aspekte kennengelernt. Hier gibt es auch immer wieder neue Aufgaben, es wird wieder was geändert an den Arbeitsweisen. Und irgendwie vom Herz her sind`s einfach die Pflanzen – uns allen, der ganzen Gruppe, denen liegt es einfach, mit Pflanzen zu arbeiten."