Königin Victoria und der Begriff Avantgarde lassen sich nur schwer zusammenbringen. Und doch waren die jungen Rebellen, allen voran Dante Gabriel Rosetti, John Everet Millais und William Holman Hunt, wahre Neuerer: flache Bildoberflächen, scharfe Konturen, Farben, die den Betrachter buchstäblich anspringen. Und Wahrhaftigkeit der Natur gegenüber - malen, was man sieht.
Die neu erfundene Fotografie schärfte ihren Blick, ihre Themen waren Natur, Geschichte, Religion und Literatur. Rosetti debütierte mit "The Girlhood of Mary Virgin", die Komposition aus parallelen Bildflächen zusammengesetzt, die Farben hell und voller Kontrast. Hunt mit "Rienzi", der den Tod des jüngeren Bruders zu rächen schwört, ein Bild völlig ohne Tiefe. Und Millais mit "Isabella", der reichen Florentinerin, die den armen Lorenzo liebt, der dann von ihren Brüdern ermordet wird, auch hier eine verquere Perspektive.
Mit ihrer Kunst wollten sie sich, so die Schau, auch politisch engagieren. 1848 war immerhin das Jahr der Revolutionen, Karl Marx veröffentlichte sein "Kommunistisches Manifest", die Chartisten riefen in London zu einer Massenkundgebung auf. Doch ist Ford maddox Browns Gemälde "Work" von 1852, mit seinen muskulösen Straßenarbeitern im Mittelpunkt, der Aristokratie hoch zu Ross im Schatten dahinter und der aufstrebenden Bourgeoisie in Wartestellung daneben - ist das Bild des etwas älteren Weggenossen wirklich der beißende soziale Kommentar, zu dem es die Schau machen will? Oder ein eher sentimentaler Blick auf eine ideale Arbeiterklasse?
Ihre radikalste Neuerung war sicher die Behandlung der Natur. 15 Jahre vor den Impressionisten schleppten sie ihre Staffeleien ins Freie und malten Natur vor Ort. Für seine "Ophelia" malte Millais 1851 das grüne Ufer des Hogsmill bei London und ließ in der Mitte der Leinwand eine Stelle frei, wo er im Atelier die im Wasser liegende Selbstmörderin hinzufügte. Brown postierte für "The Pretty Baa-Lambs" seine Frau Emma, mit Babytochter Catherine auf dem Arm, in seinem Garten mit Blick auf die weite Landschaft, die Lämmer stellte ein Schäfer. Nicht umsonst ist das wohl schönste Werk der Schau Millais' "Chill October", eine atmosphärische Flusslandschaft, die der Maler 1870 in Schottland vor Ort schuf.
Doch je länger man durch die Schau geht, desto weniger überzeugt ihre Prämisse. Das meiste ist in seiner Zeit stehengeblieben, schockiert nicht mehr, die Künstler moralisieren zuviel. Und oft malen sie auch nicht besonders gut. Die Figuren sind steif, unbeholfen in ihrer Beziehung zueinander, die Gesichter hölzern, obwohl nicht professionelle Modelle, sondern Freunde und Familie dargestellt sind.
Und dann sind da noch Rosettis Frauen, die man heute fast nicht mehr ertragen kann: die wilden Haare und aufgeworfenen Lippen, die dem Mann dienende Sexualität. Nur eine Frau in der Schau darf ihre eigene Sexualität zeigen, Millais' sich lustvoll streckende "Mariana" von 1850. Sie ist allerdings alleine mit ihrer Stickerei und eingesperrt.
Die Kuratoren beenden ihre Übersicht mit einem wahren Anachronismus: "The Lady of Shalott" von William Holman Hunt, die dazu verdammt ist, in einem Turm Szenen einer Welt zu weben, die sie nur durch einen Spiegel betrachten darf, gegen den Fluch rebelliert und diesen Frevel mit dem Leben bezahlt.
Hunt vollendete sein großformatiges Ölbild erst 1905, fünf Jahre vor seinem Tod. Es ist überkompliziert und manieriert, vollgestopft mit Symbolen. Und war bei seiner Fertigstellung schon längst aus der Mode - der Post-Impressionismus war Vergangenheit. Ein Jahr später malte Picasso seine "Demoiselles d'Avignon". Kann sich eine Avantgarde ihren Drive über Jahrzehnte erhalten, fragt die Schau. Und gibt sich mit Hunts Werk selbst die Antwort: Diese Avantgarde konnte es nicht.
Die neu erfundene Fotografie schärfte ihren Blick, ihre Themen waren Natur, Geschichte, Religion und Literatur. Rosetti debütierte mit "The Girlhood of Mary Virgin", die Komposition aus parallelen Bildflächen zusammengesetzt, die Farben hell und voller Kontrast. Hunt mit "Rienzi", der den Tod des jüngeren Bruders zu rächen schwört, ein Bild völlig ohne Tiefe. Und Millais mit "Isabella", der reichen Florentinerin, die den armen Lorenzo liebt, der dann von ihren Brüdern ermordet wird, auch hier eine verquere Perspektive.
Mit ihrer Kunst wollten sie sich, so die Schau, auch politisch engagieren. 1848 war immerhin das Jahr der Revolutionen, Karl Marx veröffentlichte sein "Kommunistisches Manifest", die Chartisten riefen in London zu einer Massenkundgebung auf. Doch ist Ford maddox Browns Gemälde "Work" von 1852, mit seinen muskulösen Straßenarbeitern im Mittelpunkt, der Aristokratie hoch zu Ross im Schatten dahinter und der aufstrebenden Bourgeoisie in Wartestellung daneben - ist das Bild des etwas älteren Weggenossen wirklich der beißende soziale Kommentar, zu dem es die Schau machen will? Oder ein eher sentimentaler Blick auf eine ideale Arbeiterklasse?
Ihre radikalste Neuerung war sicher die Behandlung der Natur. 15 Jahre vor den Impressionisten schleppten sie ihre Staffeleien ins Freie und malten Natur vor Ort. Für seine "Ophelia" malte Millais 1851 das grüne Ufer des Hogsmill bei London und ließ in der Mitte der Leinwand eine Stelle frei, wo er im Atelier die im Wasser liegende Selbstmörderin hinzufügte. Brown postierte für "The Pretty Baa-Lambs" seine Frau Emma, mit Babytochter Catherine auf dem Arm, in seinem Garten mit Blick auf die weite Landschaft, die Lämmer stellte ein Schäfer. Nicht umsonst ist das wohl schönste Werk der Schau Millais' "Chill October", eine atmosphärische Flusslandschaft, die der Maler 1870 in Schottland vor Ort schuf.
Doch je länger man durch die Schau geht, desto weniger überzeugt ihre Prämisse. Das meiste ist in seiner Zeit stehengeblieben, schockiert nicht mehr, die Künstler moralisieren zuviel. Und oft malen sie auch nicht besonders gut. Die Figuren sind steif, unbeholfen in ihrer Beziehung zueinander, die Gesichter hölzern, obwohl nicht professionelle Modelle, sondern Freunde und Familie dargestellt sind.
Und dann sind da noch Rosettis Frauen, die man heute fast nicht mehr ertragen kann: die wilden Haare und aufgeworfenen Lippen, die dem Mann dienende Sexualität. Nur eine Frau in der Schau darf ihre eigene Sexualität zeigen, Millais' sich lustvoll streckende "Mariana" von 1850. Sie ist allerdings alleine mit ihrer Stickerei und eingesperrt.
Die Kuratoren beenden ihre Übersicht mit einem wahren Anachronismus: "The Lady of Shalott" von William Holman Hunt, die dazu verdammt ist, in einem Turm Szenen einer Welt zu weben, die sie nur durch einen Spiegel betrachten darf, gegen den Fluch rebelliert und diesen Frevel mit dem Leben bezahlt.
Hunt vollendete sein großformatiges Ölbild erst 1905, fünf Jahre vor seinem Tod. Es ist überkompliziert und manieriert, vollgestopft mit Symbolen. Und war bei seiner Fertigstellung schon längst aus der Mode - der Post-Impressionismus war Vergangenheit. Ein Jahr später malte Picasso seine "Demoiselles d'Avignon". Kann sich eine Avantgarde ihren Drive über Jahrzehnte erhalten, fragt die Schau. Und gibt sich mit Hunts Werk selbst die Antwort: Diese Avantgarde konnte es nicht.