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Die Brücke im Nirgendwo

Eine neue Brücke über die Donau verbindet seit heute die Orte Widin in Bulgarien und Calafat in Rumänien. Auf der nunmehr zweiten Donaubrücke zwischen beiden Ländern ruhen viele Hoffnungen - doch es fehlen gut ausgebaute Zufahrtswege.

Von Tim Gerrit Köhler |
    Blau der Himmel, grau der Beton, dazwischen einige Dutzend Schutzwesten in Orange und Neongelb. Es herrscht Betriebsamkeit an Brückenpfeiler 4 - letzte Arbeiten vor der großen Eröffnungszeremonie. Stolz sind die Bauarbeiter auf das, was sie hier geschaffen haben: 13 Jahre nach Unterzeichnung der Verträge steht sie, die Donaubrücke 2. Auf fast 500 Kilometern bildet der Fluss die Grenze zwischen Rumänien im Norden und Bulgarien im Süden. Nur ein einziges, altersschwaches Bauwerk verband die beiden Länder bislang, die "Brücke der Freundschaft", errichtet 1954 mit Geldern aus der Sowjetunion. Das Geld für die neue Brücke stammt nicht aus Moskau, sondern zu einem großen Teil aus Brüssel: Mehr als 100 Millionen Euro hat die EU bereitgestellt, ein Drittel der Gesamtkosten. Ein Prestigeobjekt ist entstanden, hochmodern, fast zwei Kilometer lang, mit vier Fahrspuren, in der Mitte verläuft eine Eisenbahnstrecke. Der Tag der Eröffnung - dennoch kein Tag der Freude für den rumänischen Premier Viktor Ponta:

    "Auch die modernste Brücke ist eine sinnlose Geldverschwendung und ein sinnloser Kraftaufwand, wenn an ihrem Ende nicht eine halbwegs vernünftige Straße liegt, die ins Landesinnere führt - und wenn es keinen Eisenbahnverkehr mit dem heutigen Stand der Technik gibt."

    Denn genau hier liegt das Problem: Die neue Vorzeigebrücke liegt im Nirgendwo. Schnellstraßen gibt es nicht in der Region, Autobahnen erst recht nicht. Wer zur Donaubrücke 2 will, muss sich Dutzende Kilometer über schmale, holprige Pisten quälen, schlaglochübersät, vor allem auf der bulgarischen Seite haben sich ganze Abschnitte der Fahrbahn abgesenkt. Für Auto- und Lastwagenfahrer eine Tortur:

    - "Sie sehen ja selber, was das hier für Schlaglöcher sind! Unsere Lkw gehen kaputt, und das war's dann!"

    - "Von was für einer Straße reden Sie? Das ist doch einfach Horror hier, ein Albtraum! Ist das unsere Visitenkarte für Europa?"

    Brüssel wollte diese Brücke - sie soll Teil eines Verkehrskorridors von Zentraleuropa bis nach Griechenland sein, komplett über EU-Gebiet. Wer derzeit die fast durchgehende Autobahn über Serbien und Mazedonien nutzt, verlässt dagegen die EU - und hat sich mit hohen Zöllen, Mautgebühren und mitunter korrupten Polizei- und Grenzbeamten herumzuschlagen. Aber kann eine nagelneue Brücke ohne wirkliche Zufahrten eine Alternative sein? Selbst der Eisenbahnverkehr wird ausgebremst: Statt moderner E-Loks zuckeln zunächst nur veraltete Diesellokomotiven über die Donau. Der Grund: Die spanische Baufirma hat noch offene Forderungen - solange sie nicht ihr Geld sieht, will sie die Strecke nicht elektrifizieren. Angesichts der Probleme verspricht die Politik nun Abhilfe. Rumäniens Premier Ponta will die Versäumnisse der Vorgängerregierungen wettmachen - allerdings nicht aus eigener Kraft:

    "Ich verpflichte mich als Premierminister, dafür zu sorgen, dass wir in die Brückenzufahrt und die Infrastruktur investieren. Doch das kann die Region nicht alleine stemmen. Dafür sind EU-Fonds nötig, und darüber habe ich auch schon mit Verkehrskommissar Hahn gesprochen, im Hinblick auf den Zeitraum 2014 bis 2020."

    Dann soll also wieder Geld aus Brüssel fließen - um endlich das Straßennetz auszubauen und so der Brücke vielleicht irgendwann doch noch die Funktion zu geben, für die sie einst geplant wurde.