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Die C-Frage
Die Kanzlerin und der Kardinal

Angela Merkel bekam den Eugen-Bolz-Preis für christliche Verantwortung, Laudator war der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz Reinhard Marx. Kirchen und Regierung sind sich so nah wie selten.

Von Uschi Götz | 02.02.2017
    Gebhardt Fürst (l-r), der Bischof Rottenburg-Stuttgart, Kardinal Reinhard Marx, der Erzbischof von München und Freising, der Rottenburger Oberbürgermeister Stephan Neher (CDU), Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Bündnis 90/die Grünen) stehen vor der Verleihung des Eugen-Bolz Preis 2017 am 01.02.2017 im Neuen Schloss in Stuttgart (Baden-Württemberg) zusammen.
    "Angela Merkel ist weit davon entfernt, sich eine messianische Überforderung zu eigen zu machen", lobte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, in seiner Laudatio auf die Preisträgerin. (picture alliance / dpa / Deniz Calagan)
    Bundeskanzlerin Angela Merkel genoss eine Feierstunde in Stuttgart, die ihr nach eigenen Angaben etwas unwirklich vorkam:
    "Es ist ein bisschen komisch, wenn man gewöhnt ist, den ganzen Tag immer mehr so im Kampf zu verbringen … Wenn man hier so eine Stunde sitzt und so viel Gutes hört."
    In der Regel muss die Bundeskanzlerin ihre Flüchtlingspolitik verteidigen, nun wurde sie für genau diese Politik mit dem Eugen-Bolz-Preis ausgezeichnet. In ihrer Dankesrede ging Angela Merkel nicht mehr auf Entscheidungen ein, die sie auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Sommer 2015 traf. Vielmehr erinnerte sie an die werteorientierte Politik von Eugen Bolz, der am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee von den Nazis hingerichtet wurde:
    "Wenn man überlegt, was Eugen Bolz damals auf sich nahm. Dass selbst in der Todesgefahr diese Menschen die Kraft aufgebracht haben, es war Eugen Bolz, es war Dietrich Bonhoeffer, es waren viele viele andere, Zuversicht auszustrahlen. Dann sollte das uns auch heute ein Beispiel sein, fest zu unseren Grundwerten zu stehen und nicht am dritten Tag schon zu verzagen und alles in Zweifel zu stellen."
    Politik aus dem christlichen Glauben heraus
    Vielmehr ginge es darum, sich einzubringen, nicht schon vorher zu fragen, ob der Erfolg sicher sei. Merkel erinnerte an die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg:
    "Wenn wir sehen, welche Gräben die Mütter und Väter der europäischen Einigung überwunden haben, dann sollte es für uns heute doch in einer unvergleichlich besseren Situation möglich sein, Europa neuen Schwung zu verleihen."
    Die Kanzlerin betreibe Politik aus dem christlichen Glauben heraus, trüge jedoch ihre Glaubensüberzeugungen nicht vor sich her. Das sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, in seiner Laudatio auf die Preisträgerin. Angela Merkel wisse, Christen dürften der Welt nicht einfach ihren Lauf lassen, so Marx, der zugleich betonte:
    "Angela Merkel ist weit davon entfernt, sich eine messianische Überforderung zu eigen zu machen."
    Angesichts der komplexen Probleme unserer Zeit suchten manche das Heil in der nationalen Lösung, in geschlossenen Gesellschaften, so Marx. Ein solches Zurück werde es nicht geben können, betonte er und es könne auch nicht mit dem christlichen Geist begründet werden.
    "Und wir als Kirche, als Christen, müssen uns fragen, auf welcher Seite wollen wir stehen? Wir haben hier die Stimme des Mannes, der aus der Vergangenheit eine Stimme für die Zukunft ist, Eugen Bolz gehört. Wir müssen auf der Seite der verantwortlichen Freiheit stehen, der Menschenwürde, der Menschenrechte, der einen Menschheitsfamilie, einen anderen Platz können wir für uns Christen nicht finden."
    Merkel gehöre zu den vielen, die die Freiheit verteidigen, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Marx abschließend:
    "Wir schätzen diese Arbeit und das wird über Parteigrenzen hinweg deutlich, dass das eine Arbeit ist, die Unterstützung findet. Und dass die Kirche das auch tut, in kirchlich, konstruktiver Wegbegleitung gehört zum guten Verhältnis von Kirche und Gemeinwesen in unserem Land. Sie stehen in einer besonderen Verantwortung, es kommen besondere Zeiten auf Sie zu. "