Gestern Mittag - in der Berliner Wilhelmstraße. Der Himmel über dem Berliner Regierungsviertel ist grau. Es regnet. Die Stimmung: trist. Sinnbildlich für die FDP. Vor einer Stunde hat Generalsekretär Christian Lindner seinen Rücktritt erklärt. Es ist DIE Nachricht für die Hauptstadt-Medien.
Denn sie kam überraschend. Alle suchen nach Begründungen. Auch Oliver Luksic. Der 32-Jährige sitzt seit zwei Jahren für die FDP im Bundestag. In diesem Jahr haben ihn die Delegierten im heimischen Saarland zum Landesvorsitzenden gewählt. Oliver Luksic ist ein politisches Talent der Liberalen. Genauso wie der gleichaltrige Christian Lindner.
Luksic musste wegen dessen Rücktritt schnell seine Ausschuss-Sitzung verlassen. Das Telefon stand nicht mehr still. Mehrere Radiosender in seiner Heimat wollten ihn sprechen. Er musste erklären, was er nicht erklären konnte.
"Also ich wurde, wie alle Kollegen, überrascht. Das ist wirklich ein Paukenschlag. Christian Lindner war und bleibt ein Hoffnungsträger der FDP. Die Partei ist in einer Krise, die sich durch diesen Rücktritt noch mal zuspitzt."
Kritik am eigenen Lager in der Öffentlichkeit ist in der Politik selten. In der FDP häufen sich solche Stimmen in den letzten Tagen.
"Es kommen einfach verschiedene Faktoren zusammen. Das ist dann auch eine Art Negativspirale. Wenn es erstmal schlecht läuft, werden auch noch eigene Fehler gemacht. Der Mitgliederentscheid, die Kommunikation dazu, hat das Klima in der Partei in den letzten Wochen auch nicht unbedingt in allen Folgen verbessert."
Der Mitgliederentscheid ist der Ausgangspunkt für die aktuelle Krise in der FDP. Was als lebendige Diskussion um die europapolitische Position der Liberalen verkauft werden sollte, artete in einen Streit um Verfahrensfehler und Führungspersonal aus.
Damit konnte Initiator Frank Schäffler nicht rechnen. Er wollte nur für seine Überzeugung eintreten - Deutschland dürfe nicht die Schulden anderer Staaten bezahlen. Diese Position vertritt Schäffler radikal und realitätsfern, sagt Oliver Luksic, ohne Loyalität zur Parteiführung und zur Regierung.
"Frank Schäffler ist ein sehr orthodoxer Finanzpolitiker, der wenig kompromissbereit in seinen Vorstellungen allgemein ist. Und meines Erachtens, leider auch in vielen Punkten überzieht. Es ist meines Erachtens völlig irrig ist und realpolitisch fern der Realität zu erwarten, dass jeder Parteitagsbeschluss der FDP sich in Gipfelbeschlüsse von 27 Regierungen umsetzt. Also insofern halte ich seine allgemeine Herangehensweise an das Problem nicht zielführend."
FDP-Politiker Luksic kann die Linie seines Bundestagskollegen Frank Schäffler nicht verstehen. Politisch und inhaltlich. Luksic ist überzeugter Europäer. Er hat sein Abitur an einem Deutsch-Französischen Gymnasium gemacht, er hat unter anderem in Nancy, Paris und London studiert. Er sitzt im Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union. Schäfflers Position würde Europa schaden, würde Deutschland schaden und habe der FDP geschadet. Und Schäffler schadet sogar sich selbst, meint Luksic.
"Das ist ja das Paradoxe. Wenn Frank Schäffler sich mit seiner Linie durchsetzt, wir die Regierung verlassen, kommt ja all das, was er nicht will. Dann werden Eurobonds kommen, eine stärkere Beteiligung der EZB, also eine Monetarisierung der Schulden. Insofern ist es doch besser, wir gestalten mit und versuchen möglichst viel zu beeinflussen."
Viel Zeit könnte der FDP dafür nicht mehr bleiben, um Dinge zu beeinflussen. Zum Beispiel bei der Vorratsdatenspeicherung. Die FDP setzt sich seit Jahren gegen die massenhafte Speicherung von Kommunikationsdaten ein. Sie sieht den Datenschutz gefährdet, wenn die Telefon- und Internet-Provider die Daten ihrer Nutzer über Monate speichern müssen.
Hier steht die FDP in einem Konflikt mit ihrem Regierungspartner. Die Union will die Vorratsdatenspeicherung einführen und verweist auf EU-Vorgaben:
"Zunächst ist es ja eine europäische Richtlinie. Die damals von Brigitte Zypries, SPD, mit vorgeschlagen wurde, vom Europäischen Parlament, vom Ministerrat verabschiedet worden ist. Das ist eine verbindliche Richtlinie. Die muss umgesetzt werden."
Peter Altmaier - parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion - kennt auch das Gegenargument der liberalen Justizministerin. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger pocht darauf, dass die Richtlinie noch nicht umgesetzt werden müsse, sondern lediglich bis Jahresende eine deutsche Stellungnahme erforderlich sei. Danach gebe es dann weitere Beratungen in Brüssel und dort werde über die genaue Umsetzung erst im nächsten Jahr entschieden. Aber Peter Altmaier verweist auch auf die Gefahren durch den Rechts-Terrorismus:
"Der zweite Punkt ist, dass viele in der CDU sie auch inhaltlich für richtig halten, weil es möglich wird, schwere Verbrechen leichter zu verhindern oder aufzuklären."
Im Jahr 2007 hatte CDU-Politiker Wolfgang Schäuble, damals Innenminister, die Vorratsdatenspeicherung schon einmal durchgesetzt. In der großen Koalition - mit den Stimmen der SPD. Und auch jetzt haben sich die Sozialdemokraten auf ihrem Bundesparteitag wieder für die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Es wäre also ein Leichtes für die CDU, den eigenen Koalitionspartner mit der Opposition zu überstimmen. Trotzdem bleibt für Peter Altmaier die FDP der erste Ansprechpartner - zunächst.
"Wir haben grundsätzlich das Prinzip, dass wir keine wechselnden Mehrheiten im Deutschen Bundestag haben wollen. Das heißt die Koalition bleibt zusammen. Andererseits gibt es eine Tradition seit vielen Jahren, dass wir grundlegende Reformen der inneren Sicherheit immer fraktionsübergreifend betreiben. Und deshalb werden wir uns mit allen Beteiligten an einen Tisch setzen. Zunächst mit dem Koalitionspartner und dann sicherlich auch regierungsübergreifend."
Unionsfraktions-Geschäftsführer Altmaier ist die Unterstützung der SPD sehr recht. Sie macht Druck auf den kleinen Mehrheitsbeschaffer, der ja ohnehin schwer angeschlagen ist:
"Natürlich wird die FDP gebraucht und wir fühlen uns auch an die Koalitionsabsprachen gebunden. Allerdings steht im Koalitionsvertrag nicht drin, dass es die Vorratsdatenspeicherung nicht geben darf. Und deshalb sagen wir, dass das Europarecht umzusetzen ist und daran wird sich auch die Bundesjustizministerin halten müssen."
Sonst könnte sich die CDU vielleicht doch noch an ihren früheren Koalitionspartner SPD halten.
Denn sie kam überraschend. Alle suchen nach Begründungen. Auch Oliver Luksic. Der 32-Jährige sitzt seit zwei Jahren für die FDP im Bundestag. In diesem Jahr haben ihn die Delegierten im heimischen Saarland zum Landesvorsitzenden gewählt. Oliver Luksic ist ein politisches Talent der Liberalen. Genauso wie der gleichaltrige Christian Lindner.
Luksic musste wegen dessen Rücktritt schnell seine Ausschuss-Sitzung verlassen. Das Telefon stand nicht mehr still. Mehrere Radiosender in seiner Heimat wollten ihn sprechen. Er musste erklären, was er nicht erklären konnte.
"Also ich wurde, wie alle Kollegen, überrascht. Das ist wirklich ein Paukenschlag. Christian Lindner war und bleibt ein Hoffnungsträger der FDP. Die Partei ist in einer Krise, die sich durch diesen Rücktritt noch mal zuspitzt."
Kritik am eigenen Lager in der Öffentlichkeit ist in der Politik selten. In der FDP häufen sich solche Stimmen in den letzten Tagen.
"Es kommen einfach verschiedene Faktoren zusammen. Das ist dann auch eine Art Negativspirale. Wenn es erstmal schlecht läuft, werden auch noch eigene Fehler gemacht. Der Mitgliederentscheid, die Kommunikation dazu, hat das Klima in der Partei in den letzten Wochen auch nicht unbedingt in allen Folgen verbessert."
Der Mitgliederentscheid ist der Ausgangspunkt für die aktuelle Krise in der FDP. Was als lebendige Diskussion um die europapolitische Position der Liberalen verkauft werden sollte, artete in einen Streit um Verfahrensfehler und Führungspersonal aus.
Damit konnte Initiator Frank Schäffler nicht rechnen. Er wollte nur für seine Überzeugung eintreten - Deutschland dürfe nicht die Schulden anderer Staaten bezahlen. Diese Position vertritt Schäffler radikal und realitätsfern, sagt Oliver Luksic, ohne Loyalität zur Parteiführung und zur Regierung.
"Frank Schäffler ist ein sehr orthodoxer Finanzpolitiker, der wenig kompromissbereit in seinen Vorstellungen allgemein ist. Und meines Erachtens, leider auch in vielen Punkten überzieht. Es ist meines Erachtens völlig irrig ist und realpolitisch fern der Realität zu erwarten, dass jeder Parteitagsbeschluss der FDP sich in Gipfelbeschlüsse von 27 Regierungen umsetzt. Also insofern halte ich seine allgemeine Herangehensweise an das Problem nicht zielführend."
FDP-Politiker Luksic kann die Linie seines Bundestagskollegen Frank Schäffler nicht verstehen. Politisch und inhaltlich. Luksic ist überzeugter Europäer. Er hat sein Abitur an einem Deutsch-Französischen Gymnasium gemacht, er hat unter anderem in Nancy, Paris und London studiert. Er sitzt im Ausschuss für Angelegenheiten der Europäischen Union. Schäfflers Position würde Europa schaden, würde Deutschland schaden und habe der FDP geschadet. Und Schäffler schadet sogar sich selbst, meint Luksic.
"Das ist ja das Paradoxe. Wenn Frank Schäffler sich mit seiner Linie durchsetzt, wir die Regierung verlassen, kommt ja all das, was er nicht will. Dann werden Eurobonds kommen, eine stärkere Beteiligung der EZB, also eine Monetarisierung der Schulden. Insofern ist es doch besser, wir gestalten mit und versuchen möglichst viel zu beeinflussen."
Viel Zeit könnte der FDP dafür nicht mehr bleiben, um Dinge zu beeinflussen. Zum Beispiel bei der Vorratsdatenspeicherung. Die FDP setzt sich seit Jahren gegen die massenhafte Speicherung von Kommunikationsdaten ein. Sie sieht den Datenschutz gefährdet, wenn die Telefon- und Internet-Provider die Daten ihrer Nutzer über Monate speichern müssen.
Hier steht die FDP in einem Konflikt mit ihrem Regierungspartner. Die Union will die Vorratsdatenspeicherung einführen und verweist auf EU-Vorgaben:
"Zunächst ist es ja eine europäische Richtlinie. Die damals von Brigitte Zypries, SPD, mit vorgeschlagen wurde, vom Europäischen Parlament, vom Ministerrat verabschiedet worden ist. Das ist eine verbindliche Richtlinie. Die muss umgesetzt werden."
Peter Altmaier - parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion - kennt auch das Gegenargument der liberalen Justizministerin. Sabine Leutheusser-Schnarrenberger pocht darauf, dass die Richtlinie noch nicht umgesetzt werden müsse, sondern lediglich bis Jahresende eine deutsche Stellungnahme erforderlich sei. Danach gebe es dann weitere Beratungen in Brüssel und dort werde über die genaue Umsetzung erst im nächsten Jahr entschieden. Aber Peter Altmaier verweist auch auf die Gefahren durch den Rechts-Terrorismus:
"Der zweite Punkt ist, dass viele in der CDU sie auch inhaltlich für richtig halten, weil es möglich wird, schwere Verbrechen leichter zu verhindern oder aufzuklären."
Im Jahr 2007 hatte CDU-Politiker Wolfgang Schäuble, damals Innenminister, die Vorratsdatenspeicherung schon einmal durchgesetzt. In der großen Koalition - mit den Stimmen der SPD. Und auch jetzt haben sich die Sozialdemokraten auf ihrem Bundesparteitag wieder für die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Es wäre also ein Leichtes für die CDU, den eigenen Koalitionspartner mit der Opposition zu überstimmen. Trotzdem bleibt für Peter Altmaier die FDP der erste Ansprechpartner - zunächst.
"Wir haben grundsätzlich das Prinzip, dass wir keine wechselnden Mehrheiten im Deutschen Bundestag haben wollen. Das heißt die Koalition bleibt zusammen. Andererseits gibt es eine Tradition seit vielen Jahren, dass wir grundlegende Reformen der inneren Sicherheit immer fraktionsübergreifend betreiben. Und deshalb werden wir uns mit allen Beteiligten an einen Tisch setzen. Zunächst mit dem Koalitionspartner und dann sicherlich auch regierungsübergreifend."
Unionsfraktions-Geschäftsführer Altmaier ist die Unterstützung der SPD sehr recht. Sie macht Druck auf den kleinen Mehrheitsbeschaffer, der ja ohnehin schwer angeschlagen ist:
"Natürlich wird die FDP gebraucht und wir fühlen uns auch an die Koalitionsabsprachen gebunden. Allerdings steht im Koalitionsvertrag nicht drin, dass es die Vorratsdatenspeicherung nicht geben darf. Und deshalb sagen wir, dass das Europarecht umzusetzen ist und daran wird sich auch die Bundesjustizministerin halten müssen."
Sonst könnte sich die CDU vielleicht doch noch an ihren früheren Koalitionspartner SPD halten.