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Die CDU steht an der Seite der USA

Spengler: Die Union bietet derzeit nicht gerade ein Bild der Geschlossenheit. Umstritten sind nicht nur die sozialen Reformpläne des CSU-Vorsitzenden Stoiber. Für Streit sorgt auch der Irak-Krieg und die rigide Haltung der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel. Sie hat sich eindeutig auf die Seite Amerikas und Großbritanniens gestellt und in einem Fernsehinterview vorgestern Abend gesagt, dass der Krieg unvermeidbar gewesen sei. Vor dieser Sendung war der außenpolitische Sprecher der CDU-CSU-Fraktion, Wolfgang Schäuble, im Studio des Deutschlandfunk. Ich habe ihn zunächst gefragt, ob auch er der Meinung ist, dass der Krieg nicht zu vermeiden war.

    Schäuble: Das weiß ich nicht. Wir hätten uns gewünscht, dass er hätte vermieden werden können. Das ist auch die Position von Angela Merkel. Wenn er nicht vermeidbar war, oder wenn sich herausstellte, er ist nicht zu vermeiden - man hat ja nicht den letzten Druck auf Saddam Hussein ausüben können, weil der Sicherheitsrat nicht einig gewesen ist -, wenn es zum Krieg hätte kommen müssen, dann wäre uns lieber gewesen, durch einen Beschluss des Weltsicherheitsrats. Wir haben als Fraktion ausdrücklich gesagt - und das ist auch die Position von Frau Merkel -, dass die Verantwortung dafür, dass es nicht dazu gekommen ist, bei vielen liegt. Also nicht nur auf der Seite von Frankreich und Deutschland, sondern natürlich haben auch die Amerikaner dazu beigetragen, dass es nicht zu einer Einigung im Sicherheitsrat gekommen ist.

    Spengler: Wie zum Beispiel?

    Schäuble: Indem man sich nicht genügend abgestimmt hat. Es war ja am Schluss mehr ein Spiel der Europäer gegen die Amerikaner, anstatt dass man gesagt hat, unser gemeinsamer Gegner ist Saddam Hussein. Und dadurch ist der Krieg wahrscheinlicher geworden. Insofern ist das unsere Meinung, und das ist auch die Meinung von Frau Merkel. Aber nun ist es so. Und der Gegner ist immer noch Saddam Hussein, und von ihm gehen die Gefahren aus. Der Papst hat gesagt, die Frage, ob Krieg oder Frieden ist, liegt in den Händen von Saddam Hussein. Er ist die Gefahr für den Frieden. Und deswegen sagt sie zu Recht, jetzt stehen wir natürlich ungeachtet dessen, was man sich anders gewünscht hätte, an der Seite der Amerikaner. Und deswegen sehe ich den Streit in der Union nicht. Stoiber sagt, wir sind nicht glücklich, dass es zu dieser Entscheidung gekommen ist, aber natürlich ist Stoiber auch der Meinung, unser Platz ist an der Seite der Vereinigten Staaten von Amerika.

    Spengler: Stoiber sagt, der Krieg ist völkerrechtlich vertretbar, aber der saarländische CDU-Chef Peter Müller sagt, Krieg ist völkerrechtswidrig. Was meinen Sie?

    Schäuble: Ich teile die Meinung der Bundesregierung, dass es keinen Sinn macht, diese Völkerrechtsdebatte bis ins Extrem oder bis zum Exzess zu führen. Es gibt unterschiedliche Meinungen. Das ist bei Juristen häufig so. Beim Völkerrecht gibt es das Problem, dass wir kein Gericht haben, das den Streit bei der Frage entscheiden kann. Verfassungsfragen entscheidet letztlich das Verfassungsgericht. Dann kann man die Entscheidung für falsch halten, aber sie gilt. Beim Völkerrecht gibt es das Gericht nicht. Man muss sich nur im klaren sein, wer sich auf den Standpunkt stellt, das ist völkerrechtswidrig, müsste bestimmte Konsequenzen vertreten, die auch Herr Müller nicht vertreten will. Deswegen haben wir im Präsidium der CDU darüber gesprochen.

    Spengler: Welche Konsequenzen?

    Schäuble: Dann darf man den Amerikanern beispielsweise keine Überflugrechte gewähren, wenn der Krieg wirklich völkerrechtswidrig ist. Das ist klar. Deswegen hat die Bundesregierung Recht; und das ist unsere Meinung, und ich muss auch sagen, wir waren uns im Präsidium einig, dass wir das Argument, das sei völkerrechtswidrig, nicht verwenden. Man kann sagen, er ist falsch, aber nicht völkerrechtswidrig. Deswegen bedaure ich, dass Herr Müller das jetzt fortsetzt, aber das ist seine Sache. Die Haltung der Union als Ganze - auch der CDU-CSU-Bundestagsfraktion - in dieser Frage ist ganz klar.

    Spengler: Sie erinnert aber an die Kakophonie, die wir lange Zeit von der Regierung kannten. Wie kommt denn die Union wieder zu einer geschlossenen Haltung?

    Schäuble: Wir haben eine geschlossene Haltung in Sachen Irak, aber wir sind eine große Volkspartei, wo niemand seinen Verstand oder seine eigene Meinung an der Garderobe abgeben muss...

    Spengler: Aber es ist Süßmuth, es ist Müller, es ist Gauweiler...

    Schäuble: Frau Süßmuth ist aus dem Bundestag ausgeschieden. Ich weiß auch gar nicht, sie hat sich zu dieser Frage nach meiner Kenntnis gar nicht geäußert. Es gibt einzelne Stimmen, und das ist auch in Ordnung und legitim. Die Bundestagsfraktion hat mit ganz wenigen Stimmen, mit ganz wenigen Gegenstimmen, ihre Position formuliert. Das Präsidium der Partei genau so. Wir haben dafür gewählte Gremien, Institutionen, die sind legitimiert durch die Wähler, in der Partei durch die Mitglieder, durch den Parteitag. Diese sprechen für die Partei, und da gibt es eine klare geschlossene Haltung, und einzelne, die abweichende Meinungen vertreten, dürfen das, müssen sich selber überlegen, welche Wirkungen das hat. Journalisten sollten sich aber nicht nur mit abweichenden Meinungen beschäftigen, sondern in erster Linie mit dem, was die Verantwortlichen und die Zuständigen für die Partei formulieren.

    Spengler: Herr Schäuble, hatten Sie denn nie den Verdacht, dass für die Bush-Administration von vornherein feststand, was sie im Falle Iraks machen wollen, nämlich tatsächlich militärische Gewalt einsetzen?

    Schäuble: Innerhalb der Bush-Administration hat es solche Stimmen gegeben, es hat auch gegenteilige Stimmen gegeben. Deswegen hätten wir Europäer alles darauf setzen müssen, die durch verlässliche Partnerschaft zu stärken, die nicht auf jeden Fall für einen militärischen Einsatz gewesen sind. Es gab ja beispielsweise noch in der Endphase den Vorschlag Großbritanniens für eine neue Resolution im Weltsicherheitsrat. Ich habe nicht verstanden, warum die deutsche Regierung und die französische Regierung diesen Kompromissvorschlag abgelehnt haben. Das wäre eine Chance gewesen, der war sicher mit Amerika abgestimmt. Der britische Premierminister wird da keinen Alleingang gemacht haben. Dieser Vorschlag beweist, dass es eine Chance gab, zu einer gemeinsamen Haltung im Weltsicherheitsrat, zu einer neuen Resolution, zu mehr Frist für die Inspektoren zu kommen, und das ist gescheitert an der Uneinigkeit der Europäer. Das ist es, was ich beklage und bedauere.

    Spengler: Diese Gefahr einer amerikanischen Hegemonie und das Streben danach sehen Sie nicht?

    Schäuble: Was heißt Streben nach Hegemonie? Die Amerikaner sind die stärkste Macht. Es ist mir übrigens viel lieber, die Amerikaner sind es als wenn Saddam Hussein oder Russland oder China die stärkste Macht der Welt wären. Man muss zwischendurch noch mal ein bisschen daran denken: Es gibt nicht so furchtbar viele verlässliche Demokratien und Rechtsstaaten auf dieser Welt. Die Amerikaner sind die größte und mit die älteste neben Großbritannien. Wir verdanken der amerikanischen Demokratie und der Verlässlichkeit der Amerikaner ungeheuer viel, und ich glaube, unsere eigene Chancen für eine gute Zukunft würden sehr viel schlechter, wenn Amerika in seiner Fähigkeit, Frieden zu sichern, geschwächt würde.

    Spengler: Werden die Amerikaner Ihrer Ansicht nach wieder in den Schoß der UNO zurückkehren?

    Schäuble: Die Amerikaner haben gesagt, die UNO hat jetzt zwölf Jahre lang gesagt, Saddam Hussein darf keine Massenvernichtungswaffen haben, das muss jetzt endlich mal durchgesetzt werden, und sie wollten es mit Hilfe der Vereinten Nationen durchsetzen. Das ist nicht gelungen. Ich glaube, die Amerikaner sollten alles daran setzen - und wenn die Europäer sie geschlossen dabei unterstützen geht das auch -, dass die UNO in der Lage ist, das, was sie beschlossen hat, auch durchzusetzen.

    Spengler: So weit der CDU-Politiker und stellvertretende außenpolitische Sprecher der CDU, Wolfgang Schäuble, im Deutschlandfunk.

    Link: Interview als RealAudio