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Die Dänen und die deutschen Dosen

Zwar ist seit Monatsbeginn das Pfandsystem für Getränkedosen und Einwegflaschen vereinfacht. Doch einfach ist es nur, so lange sich der Kunde in Deutschland aufhält. Im Grenzverkehr wird es schwieriger. Und so häufen sich in Dänemark Klagen über Dosenmüll aus Deutschland. Denn bei Ausfuhren kann die Pfandpflicht erlassen werden.

Von Jasper Barenberg |
    200 Millionen Liter Bier schaffen Besucher aus Dänemark oder Schweden Jahr für Jahr über die Grenze nach Norden. Tendenz steigend. Es ist eben viel billiger als daheim. Gleich palettenweise laden Touristen vor allem Bier in ihre Autos - in der Grenzstadt Flensburg oder dort im Osten von Schleswig-Holstein, wo es auf die Fähren geht nach Skandinavien. Die Sache bringt in Kopenhagen vor allem Connie Hedegaard in Rage, die dänische Umweltministerin. 400 Millionen Dosen landeten jedes Jahr nördlich der Grenze in der Landschaft:

    "Sie liegen dort für viele viele Jahre. Ist es da nicht das Vernünftigste, einen Anreiz zu schaffen, damit diese Dosen und Flaschen wieder zurückgeschafft werden, mit anderen Worten, dass ein Pfand auf sie erhoben wird? Genau das hat mein früherer Kollege Jürgen Trittin im Namen der damaligen rot-grünen Bundesregierung immer wieder versprochen. Und auch die neue Regierung in Berlin hat zugesagt, das Problem bis zum 1. Mai aus der Welt zu schaffen."

    Das aber ist nicht geschehen: Der Umweltminister von Schleswig-Holstein lässt auch weiterhin zu, dass Pfand auf Einwegverpackungen erlassen wird - gegen Vorlage einer Ausfuhrerklärung. Und das Mitgefühl von Christian von Boetticher für die Verärgerung seiner dänischen Amtskollegin hält sich dabei sehr in Grenzen:

    "Ich habe Verständnis dafür, dass sie sauer ist. Sie sollte sauer sein auf ihre dänischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die offensichtlich ja Dosen in die Landschaft werfen. Das ist schlecht, liegt aber nicht an der Dose."

    Die Dose nämlich, die auf dänischer Seite im Grünen landet, ist nach Auffassung des Juristen an der Spitze des Kieler Ministeriums von deutschen Gesetzen gar nicht erfasst:

    "Die Verpackungsverordnung ist eine abfallrechtliche Regelung. Da aber diese Dosen ins Ausland verbracht werden, entsteht der Abfall nicht bei uns. Das ist wie bei jedem Exportprodukt: Wenn ich heute in großem Stil Dosen ins Ausland schicke, wird darauf auch kein Pfand erhoben. Diese Pfandregelung ist also auf Exportsachverhalte nicht anwendbar, da der Müll gar nicht in Deutschland entsteht, daher auch kein Pfand."

    Hans-Jörg Lüth ist da ganz anderer Meinung. Er ist Geschäftsführer des Bundes für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) in Schleswig-Holstein und sieht einen wesentlichen Grundsatz der geltenden Rechtslage missachtet:

    "Es gibt im Abfallkreislaufwirtschaftsgesetz ein Vermeidungsgebot. Das heißt, Abfälle sind zu vermeiden. Und genau gegen dieses Vermeidungsgebot wird hier massiv verstoßen."

    Ähnlich argumentiert auch die dänische Regierung. Mehrfach hat sie Schleswig-Holstein aufgefordert, die Pfandbefreiung aufzuheben, die Verschmutzung der Umwelt zu vermeiden. Umweltminister von Boetticher hält das Argument für vorgeschoben. In seinen Augen geht es der Ministerin in Kopenhagen vor allem darum, die eigenen Unternehmen im rauen Wettbewerb zu stärken. Aus dieser Perspektive betrachtet hält der Christdemokrat den geforderten Pfandaufschlag für nichts anderes als eine Preiserhöhung:

    "Hier geht es darum, dass die Dänen verhindern wollen, dass die Deutschen günstiger sind und dass Dänen in Deutschland einkaufen. Die möchte man in den dänischen Markt zurückholen. Das ist verständlich. Aber dem sollten wir von deutscher Seite aus nicht nachgeben."

    Dieser Rat gilt vor allem dem Bundesumweltministerium in Berlin. Dort hält man Schleswig-Holstein für verpflichtet, Pfand zu erheben, wie sonst überall in Deutschland auch. Durchsetzen aber kann Berlin diesen Standpunkt nur schwer, weil die Verpackungsverordnung des Bundes nur den Rahmen vorgibt, den die Länder in eigener Zuständigkeit mit Leben füllen, unterschiedliche Auslegungen inklusive. Diese Feinheiten des föderalen Systems haben inzwischen auch die Verantwortlichen in Kopenhagen durchschaut. Ihre Brandbriefe richtet die dänische Umweltministerin Connie Hedegaard inzwischen nicht mehr nur an Bundesminister Sigmar Gabriel und Kanzlerin Angela Merkel, sondern auch an die EU-Kommission.

    Im Umweltministerium in Kiel aber sieht Minister von Boetticher seinen Standpunkt auch von europäischem Recht gedeckt. Er hat in erster Linie die rund 1500 Arbeitsplätze in Schleswig-Holstein im Auge, die direkt vom Grenzhandel abhängen. Pfand will er auch in Zukunft nicht erheben, allen Beschwerden aus Kopenhagen zum Trotz.