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Die Debatte in Gang halten

Was in Deutschland noch zur Ratifizierung des EU-Reformvertrag von Lissabon fehlt, ist die Unterschrift von Bundespräsident Köhler auf der Urkunde. Die soll erfolgen, wenn das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zugunsten des Vertragswerks entschieden hat. In anderen Ländern ist man diesbezüglich noch nicht so weit. Wie es um den Lissabon- Vertrag in den EU- Ländern bestellt ist berichtet unsere Brüssel- Korrespondentin Doris Simon.

    Vier Monate sind seit dem Nein der Iren zum Lissabonner Vertrag
    vergangen, vier Monate, in denen sich Europas Regierungen auffällig zurückgehalten haben mit Kommentaren zum unsicheren Fortgang des Ratifizierungsprozesses. Nicholas Sarkozy, wegen seiner zupackenden Art in der EU geschätzt und zugleich gefürchtet wegen seines Aktionismus, trat nur im Frühsommer einmal dick in den Fettnapf mit ein paar nassforschen Ratschlägen in Richtung Dublin. Seither hält sich auch der amtierende EU-Ratspräsident öffentlich zurück - so weit es ihm gelingt. Beim EU-Gipfel vor zwei Wochen verteidigte Sarkozy, dass die Staats- und Regierungschefs nicht über die Ratifizierung des Lissabonner Vertrages diskutiert hatten:

    "Ehrlich gesagt sind das Worthülsen, die wir hier im Gipfeldokument festgehalten haben. Das gebe ich gern zu. Aber sie dienen einem guten Zweck: Solange wir keine Lösung haben, sollten wir keinen Streit aufkommen lassen, es ist sinnlos, die Büchse der Pandora zu öffnen."

    Die Büchse der Pandora, das ist die Auseinandersetzung um die Reform der Europäischen Institutionen und wie es weitergeht. In Irland wenigstens steht der nächste Termin schon fest. Am 25. November will ein Ausschuss des irischen Parlamentes in einem Bericht aufzeigen, welche Alternativen es zu einem zweiten Referendum gibt und wie die Konsequenzen einer irischen Nichtratifizierung des Lissabonner Vertrages aussehen könnten.

    Offiziell hat die irische Regierung dann noch bis zum EU-Gipfel im Dezember Zeit, um das weitere Vorgehen zu überlegen. Doch der Druck auf Dublin ist schon jetzt enorm. Franzosen, Deutschen, vielen anderen EU-Regierungen und dem Europaparlament wäre es am liebsten, die Iren gingen noch vor den Europawahlen im Juni 2009 ein zweites Mal an die Urnen: Die Europaabgeordneten könnten dann nach der neuen, gerechteren Sitzverteilung gewählt werden, auch für die EU-Kommission würden die Regeln des Lissabonner Vertrages gelten, ein Außenminister und ein Präsident mit zweieinhalbjähriger Amtszeit würden die EU vertreten.

    Dann könnten die Iren auch ihren eigenen EU-Kommissar behalten. Der ist nämlich gefährdet, wenn erst im Spätherbst abgestimmt wird und es für alle EU-Institutionen beim alten Nizzaer Vertrag bleibt - und längst nicht nur der: der gesamte Lissabonner Vertrag könnte im Mülleimer der Geschichte landen. Denn verzögert sich der Ratifizierungsprozess bis zu den Wahlen in Großbritannien, die viele spätestens 2010 erwarten, dann wird es gefährlich: David Cameron, der Führer der Konservativen, hat für den Fall seines Wahlsieges bereits angekündigt, dass er die britische Zustimmung zum Lissabonner Vertrag unbedingt rückgängig machen will. Wenn das passiert, ist die Reform der EU endgültig tot.

    Deshalb ist der Druck auf Dublin so groß, bald zu entscheiden. Veränderungen am Vertrag aus Rücksichtnahme auf irische Empfindlichkeiten sind dabei nicht möglich, betont der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok:

    "Ein Wort: neu ratifizieren. Das ist kein gangbarer Weg. "

    Neben Irland sind es noch Tschechien und Schweden, die den Lissabonner Vertrag noch nicht ratifiziert haben. Auch in Deutschland fehlt noch die Unterschrift des Bundespräsidenten, der das Urteil des Verfassungsgerichtes abwartet. Aber vor drei Wochen hat Horst Köhler bereits signalisiert, dass er sich nicht gegen die Reform der EU stellt. Auch in Polen hat Präsident Lech Kaczynski den Vertrag noch nicht unterschrieben, aber seine Weigerung wird eher als Volte in der Dauerfehde zwischen Kaczynski und der Regierung Tusk betrachtet. Am 7. Dezember besucht Nicholas Sarkozy Warschau, und, so nötig, dürfte er Kaczynski daran erinnern, dass es der Präsident selber war, der im Juni 2007 den Lissabonner Vertrag mit ausgehandelt und unterzeichnet hat.

    In Schweden gibt es vor der Abstimmung im November keine Sorgen: Die sozialdemokratischen Abgeordneten, die ursprünglich gegen den Vertrag stimmen wollten, haben inzwischen beigedreht. Die für die Ratifizierung notwendige Vierfünftel-Mehrheit im Parlament dürfte so zustande kommt. Bleibt Tschechien, ein Land, das im Januar den EU-Vorsitz übernimmt, dessen Politiker sich aber regelmäßig europakritisch äußern. Doch Bildungsminister Ondrej Liska versicherte gestern im Deutschlandfunk:

    "Priorität unserer Regierung ist Ratifizierung des Lissabonner Vertrages."

    Seit dem Sommer wartet man in Prag auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichtes zur Reform der EU, auch die Zustimmung des Senates, der zweiten Kammer des tschechischen Parlamentes, steht noch aus. Bisher hatten dort die Europakritiker das Sagen, doch seit dem Wahlerfolg der tschechischen Sozialdemokraten am Sonntag sieht es nach einer klaren Mehrheit für den Lissabonner Vertrag aus. Sollte allerdings die stark geschwächte tschechische Regierung, doch noch stürzen, dann würde es auch in Tschechien sehr eng mit der Ratifizierung des Lissabonner Vertrages.