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Die deutsch-französische Chemie

Ohne ein harmonisches Zusammenwirken der Regierungschefs in Berlin und Paris läuft es nicht gut in Europa, meinen manche. Doch auch "Merkozy" mussten erst ein Herz und eine Seele werden - da kann aus Angela Merkel und Francois Hollande auch noch etwas werden.

Von Annette Riedel |
    Gelegentlich werden sie nahezu hymnisch gepriesen, dann wieder wird ihr Zustand beklagt. Mal werden sie als die anderen 25 in ihrer Übereinstimmung zu sehr dominierend wahrgenommen, dann wieder als nicht genug gemeinsame Triebkraft für den europäischen Motor entwickelnd: die deutsch-französischen Beziehungen.

    Und immer mal wieder wird über die Rolle der Chemie zwischen den jeweiligen Regierenden dabei philosophiert.

    "Gäbe es jetzt eine chemische Wissenschaft, wie viele Ionen passen jetzt zueinander … das ist alle Unsinn."

    Für den deutsch-französischen oder französisch-deutschen grünen Europaabgeordneten, Dany Cohn-Bendit, lohnt es sich also nicht, nach der Chemie zu fragen. Für den Sozialdemokraten Udo Bullmann schon eher, aber weniger auf der Ebene der persönlichen Befindlichkeiten als vielmehr auf der Ebene, welch politischer Cocktail am Ende dabei herausgeschüttelt wird.

    "Mit der Chemie ist das immer so eine Sache. Sie wissen nicht genau, was gerade im Becken zusammengemischt wird. Bislang sieht es für mich so aus, als dass es uns nach vorne führt. Es ist noch viel zu tun."

    Das Miteinanderkönnen spielt natürlich auch im politischen Geschäft eine Rolle - manchmal eine stärker prägende als die Zugehörigkeit zweier Handelnder zur selben politischen Familie. Der Vorsitzende der Fraktion der Europäischen Volksparteien, der Franzose Josef Daul, erinnert an den durchaus nicht "chemisch reinen" Start von Angela Merkel und Hollandes Vorgänger Nikolas Sarkozy. Sie waren keineswegs von Anfang an schon "Merkozy" und ein Herz und eine Seele, wenngleich beides konservative Politiker.

    "Ich habe es ja mitgemacht. Wie es war mit Nicolas Sarkozy und Angela Merkel am Anfang. Und ich sehe jetzt auch die Evolution. Ich bin da nicht pessimistisch. Die wissen alle zwei, dass deutsch-französische Zusammenarbeit wichtig ist für Europa. Wo ist das Problem? Im selben Fall Nicolas Sarkozy hatte ich Frau Merkel gesagt, ihr müsst mehr direkt miteinander sprechen."

    Offenbar hat ihn die Bundeskanzlerin beim Wort genommen oder ist selbst zur Erkenntnis gekommen, dass sie und Monsieur Hollande, der Sozialist, mehr miteinander reden müssen - auch vor, zwischen und nach europäischen oder routinemäßigen deutsch-französischen Gipfeln.

    "Und wenn sie direkt miteinander reden, bin ich überzeugt, dass das wieder eine deutsch-französische Lösung gibt."

    Im Übrigen sind auch chemische Prozesse oft genau das: Prozesse. Und als solche brauchen sie ihre Zeit, sind am Ende dann aber vielleicht stabiler als manch schnelle heftige Gegenseitigkeit.

    Überhaupt entscheidet über das Funktionieren des deutsch-französischen Verhältnisses nicht nur die Ebene der Staatenlenker. Vielleicht noch nicht mal in erster Linie, meinen übereinstimmend neben Dany Cohn-Bendit , sein Fraktionskollege, Jan-Philipp Albrecht und Markus Ferber, für die CSU im EU-Parlament:

    "Die Gesellschaften, die brauchen keinen Hollande und keine Merkel. Sie brauchen keinen Sarkozy und keine Merkel um zueinander zu finden. Man versucht den gesellschaftlichen Zustand zu definieren, ob sich Merkel und Sarkozy oder Hollande und Sarkozy sich verstehen, das ist Unsinn."

    Joseph Daul allerdings glaubt schon, dass es ohne ein Zusammenwirken der Staatenlenker in Paris und Berlin in Europa nicht gut läuft:

    "Wir spüren doch hier, wenn es da keine Einigkeit gibt, dann bleibt Europa stehen."

    Gemessen an der jüngst zunehmenden Frequenz ihrer Begegnungen gehen jedenfalls der französische Präsident und die deutsche Kanzlerin inzwischen deutlich stärker aufeinander zu. Wie sollte im Dienste der viel zitierten Chemie das Fußball-Länderspiel Deutschland-Frankreich am besten ausgehen, das Merkel und Hollande am Abend gemeinsam im Stadion sehen wollen?

    "Das ist ein europäisches Spiel und der Beste wird gewinnen."