Archiv


Die Diakonisse datet jetzt

Wer würde heute schon noch auf die Idee kommen, Diakonisse zu werden? Die älteren Damen mit Häubchen und Tracht sind nahezu verschwunden aus dem Stadtbild. Die meisten haben in Pflege oder Erziehung gearbeitet und sind heute in Rente. Als Teil der Schwesterngemeinschaft haben sie sich entschieden, lebenslang auf ihre Individualität zu verzichten. Für ihre Arbeit bekamen sie nur ein Taschengeld, werden aber lebenslang von der Diakonie versorgt. Völlig unerwartet fangen nun einige Diakonien an, ihre alten Ordnungen über Bord zu werfen und den Berufsstand zu lüften. Zum Beispiel in Flensburg und Witten, und ganz neu in Halle an der Saale in Sachsen-Anhalt.

Von Elisabeth Enders |
    Kein Zölibat mehr, keine Pflicht, die Tracht zu tragen, die neue Diakonisse kann wohnen und arbeiten wo sie will - der Rektor der Diakonie Halle, Reinhard Kwaschik ist stolz auf sein neues Regelwerk:

    Über Bord geschmissen haben wir nicht zu viel, ich denke, es ist 'ne normale Reform

    Anlass war, dass nach 32 Jahren zum ersten Mal wieder eine Frau Diakonisse werden wollte: Christel Butterweck. Sie ist 44 Jahre alt, promovierte Theologin und hat nun in der Diakonie noch einen Lehre zur Gesundheits- und Krankenpflegerin begonnen.

    Ich vermisse das geistige und geistliche keineswegs, ich mit Theologin in Theorie und Praxis, führe meinen geistige Arbeit fort. Das was ich jetzt lerne ist nicht neu und anders, sondern eine Ergänzung dessen, was ich schon angefangen hatte.

    Die neue Diakonisse auf Probe hat in dem Hallenser Mutterhaus einen kleinen Frühling ausgelöst. Rektor Kwaschik beobachtet:

    Natürlich sind die Schwestern alter Ordnung ganz happy, dass es jemanden gibt, der in die Fußstapfen rein will, dass ist wie ne Enkelin, die die Tradition wieder aufnimmt.

    Die Neue trägt zwar Tracht und wohnt im Mutterhaus, aber sie hat was, was den alten Schwestern versagt blieb:

    Ich bin die erste Diakonisse im Hause mit einem festen Freund, insofern mache ich von der neuen Ordnung schon Gebrauch, er toleriert nicht nur, er unterstützt und fördert das.
    Schwester Christel hat sich schon entschieden, für immer zu bleiben. Aber das müsste sie nicht. Nach der neuen Ordnung ist der Dienst auch zeitlich begrenzt möglich. Der Preis für so viel Freiheit ist, dass die Diakonissen nicht mehr wirtschaftlich abgesichert sind.

    Die Diakonissen alter Ordnung haben Anspruch auf Versorgung rund um die Uhr, werden wie in einer Familie aus der Familienkasse versorgt, und das war früher möglich, weil sie keinen Lohn bekommen haben, keinen ausgezahlten Lohn.

    Die Neue muss sich selbst einen Job suchen, behält dafür aber auch ihr Vermögen. Das ist auch nötig, um wieder aussteigen zu können. Rektor Reinhard Kwaschik sah die Diakonissengemeinschaft Halle nach 150 Jahren schon sterben. Nun ist er wieder hoffnungsvoll.

    Es gib auch ganz moderne Diakonissen, wo die Schwestern verheiratet sind und Familie haben und das Konzept der alten Diakonisse trotzdem weiter transportieren
    das wird an zwei drei Häusern probiert, wie weit die kommen, weiß ich noch nicht, aber ich bin ziemlich optimistisch, dass das auch für uns 'ne Chance ist, wie der Stand der Diakonisse wieder aktiviert werden kann.


    Christel Butterweck sieht sich eigentlich gar nicht so sehr als moderne Diakonisse. Sie verbindet den Rahmen der alten Ordnung mit einigen neuen Freiheiten. Sie trägt die Tracht, aber zum Rad fahren Jeans. Sie hat ihre Wohnung aufgeben und den Computer in ihr winziges Zimmer im Mutterhaus gestellt.

    Es wird immer so dargestellt, als sei das etwas ganz besonderes, was ich hier tue. Ich glaube das nicht, ich glaube, dass immer nur ein ganz bestimmter Prozentsatz von Frauen dazu bereit gewesen ist, Diakonisse zu werden, und wenn es heute wenige gibt, dass es wenige entschiedene Christen heutzutage gibt.

    Wirtschaftlich, familiär und geistig unabhängig, wodurch unterscheidet sich dann eine Diakonisse von einer Angestellten der Diakonie?

    Wir verpflichten uns, mit unserer ganzen Existenz dafür einzustehen, nicht nur stundenweise. was wir gewinnen, ist eine Befriedigung, einen Dienst zu tun, der wichtig ist, der Begegnungen schafft, der letztlich ein Zeichen dafür ist, dass in der Kirche etwas lebt, dass nicht nur verkündigt wird, dass das was gesagt wird, auch getan wird, und ich glaube, um diese Authentizität geht es uns.