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"Die Dienste werden wohl etwas zäher, etwas langsamer werden"

Internet.- Sind dezentrale Netzwerke wirklich sicherer für die Nutzer? Wie sieht es dabei mit der Agilität auf den einzelnen Rechnern aus? Diese und weitere Fragen beantwortet der Wissenschaftsjournalist Thomas Reintjes im Interview mit Manfred Kloiber.

05.06.2010
    Manfred Kloiber: Da tummeln sich also mittlerweile einige Alternativen zu Facebook, der größten Plattform im Social Web. Die zahlreichen Meldungen über Datenpannen und das Geschäftsmodell von Facebook spielen der Konkurrenz ja auch zu, besonders wenn sie mit neuen Konzepten zur Datensicherheit aufwarten. Vor allem das Modell der dezentrale Datenhaltung ist dabei im Gespräch. Thomas Reintjes, wie soll das denn genau funktionieren?

    Thomas Reintjes: Eine Idee ist, dass jeder Nutzer sein eigenes Profil ins Netz stellt – ähnlich wie eine private Homepage, jedoch natürlich mit Verknüpfungsmöglichkeiten zu anderen ähnlichen Profilen. Nicht jeder wird allerdings seinen eigenen Webserver betreiben können oder wollen. Ein anderer Ansatz folgt dem Peer-to-Peer-Prinzip. Die eigenen Daten liegen dabei einerseits auf dem eigenen Computer, andererseits werden sie auf die Computer von Freunden verteilt – verschlüsselt passiert das Ganze. Eine intelligente Verteilung dieser Daten soll sicherstellen, dass die Daten immer online verfügbar sind – auch wenn der eigene Computer ausgeschaltet ist. Organisieren soll diese Verteilung ein Programm, das der Nutzer auf seinem Rechner installieren muss – so ähnlich wie Skype, dieses Chat- und Telefonprogramm basiert ja auch auf dem Peer-to-Peer-Prinzip.

    Kloiber: Nun ist aber Skype ausgerechnet ein Beispiel, Herr Reintjes, für ein geschlossenes System mit wenigen Schnittstellen nach außen. Das ist vermutlich nicht genau das, was den Entwicklern der Dezentralen Netzwerke vorschwebt, oder?

    Reintjes: Teils, teils. Bei dem im Beitrag angesprochenen Safebook beispielsweise hat man sich noch keine Gedanken über die Verknüpfung mit anderen sozialen Netzwerken gemacht. Aber für andere ist das durchaus ein Ziel. Wie beim E-Mailen soll es dann keine Rolle spielen, bei welchem Anbieter man selbst angemeldet ist. Jeder soll sich mit jedem vernetzen können, egal, ob man Facebook, StudiVZ oder einem ganz anderen Dienst seine Daten anvertraut. Schlecht wäre es in den Augen der Entwickler, mit denen ich gesprochen habe, wenn sich der Markt so entwickelt wie der Markt der Instant Messenger. Da gibt es AIM, ICQ, MSN, Skype und andere und für jeden Dienst braucht man ein eigenes Programm und einen eigenen Zugang, wenn man mit Menschen in dem jeweiligen Netzwerk kommunizieren möchte. Um das bei sozialen Netzwerken zu vermeiden, müssten alle diese Dienste die gleiche Sprache sprechen – standardisierte Protokolle sind dafür notwendig. Damit soll es dann auch möglich werden, den Anbieter zu wechseln. Momentan ist es ja nicht möglich, sein Facebook-Profil einfach woanders hin mitzunehmen.


    Kloiber: Welche neuen Probleme tauchen denn durch diese Dezentralität auf?

    Reintjes: Die Dienste werden wohl etwas zäher, etwas langsamer werden, wenn sie die Daten, die sie dem Nutzer präsentieren, von vielen verschiedenen Quellen zusammensammeln müssen. Und es fehlt sowas wie ein zentrales Adressbuch. Wenn Sie mich heute in Ihren virtuellen Freundeskreis aufnehmen möchten, dann suchen Sie mich bei Facebook oder Xing. Aber wenn sich diese Landschaft zersplittert, dann können Sie das nicht mehr so einfach machen. Irgendwie müssen Sie also erfahren, wie und wo Sie mich in Ihr soziales Netzwerk aufnehmen können.

    Kloiber: Facebook hatte ja offenbar auch den Anspruch, so eine Art Einwohnerregister der virtuellen Welt zu werden. Von dieser Idee wird man sich wohl verabschieden müssen, sollten diese dezentralen Netze wirklich ein Erfolg werden, oder?

    Reintjes: Richtig. Dafür gibt es aber auch andere Lösungen, die bereits in Arbeit sind. Das Projekt Webfinger beispielsweise, wo man sehr einfach seine eigene E-Mail-Adresse mit Profildaten verknüpfen können soll. User Managed Access und PrimeLife sind zwei andere Ansätze, die den Nutzern einen zentralen Ablageort für ihre persönlichen Daten anbieten wollen. Der Nutzer kann dann explizit entscheiden, welchem Anbieter er den Zugriff auf welche Daten gewährt. Das soll dem Nutzer die Herrschaft über seine Daten zurückgeben und auch die Übersichtlichkeit. Diese Herrschaft über die Daten hat er ja heute nicht nur bei Facebook nicht, sondern auch bei vielen anderen Diensten und Shops.

    Kloiber: Bei welchen Diensten könnte diese Dezentralität denn noch sinnvoll sein?

    Reintjes: Bei Twitter zum Beispiel. Microblogging nennt man das ja, was dort gemacht wird. Praktisch das komplette weltweite Microblogging wird von einem Unternehmen kontrolliert: Twitter. Auch hier gibt es bereits dezentrale Alternativen, die bekannteste ist identi.ca mit der Software StatusNet. Doch hier ist ganz deutlich zu merken – an Komfort und Benutzerfreundlichkeit – dass da eben nicht so viel Kapital hinter steht. Das ist eines der größten Probleme der offenen und verteilten Systeme – Geld. Das Geschäftsmodell Werbung funktioniert eben nicht mehr so gut, wenn die Nutzer ihre Daten vor der Werbeindustrie verbergen.

    Kloiber: Thomas Reintjes war das über Alternativen zu Facebook – vielen Dank.